Erfolgreiche Finissage
Bremervörde. Die Jury für den EIGENART Kunstpreis bestand dabei aus Anja Schlesselmann-Janssen (Kunsttherapeutin/Projektleitung EIGENART), Assia Bouraada (Kunstmalerin), Andreas von Glahn (Vorstand TANDEM e.V.), Sabrina Nagel (Fotografin), Bernd Müller-Pflug (Prof. für Bildende Kunst - emeritiert) und Michael Hannebacher (Bürgermeister Bremervörde/Schirmherr).
Laudatoren
Die Grundlage zum Kunstpreis bildete ein beeindruckender Text von Aiko. Er löste eine überwältigende Anzahl von Reaktionen aus - insgesamt wurden über 400 Arbeiten eingereicht, die sich um den „EIGENART Kunstpreis - Seelische Gesundheit 2024“ bewarben. Nach einer ersten Vorauswahl bestand für die Jury die Aufgabe darin, aus den circa 85 verbliebenen Arbeiten drei Werke herauszusuchen, die das ausgelobten Thema am eindrucksvollsten bildnerisch umsetzten. Nach Auffassung der Jury ging es nicht darum, die Worte von Aiko lediglich zu illustrieren, sondern vielmehr den Text zum Anlass zu nehmen, eine Transformation zu einer eigenständigen Formulierung zu finden.
Einleitende Worte sprachen Schlesselmann-Janssen, von Glahn sowie von Prof. Dr. med. Uwe Gonther. Er kam als Ärztlicher Direktor und Chefarzt des AMEOS Klinikums Bremen und absoluter Kenner aus dem Bereich Kunst & Psychiatrie. Unter anderem ist Gonther Inhaber einer Honorarprofessur an der Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg. Er ist ein enger Wegbegleiter der Arbeit vom Tandem e. V. bzw. EIGENART Kunstzentrum sowie der sozialen Psychiatrie insgesamt.
Bronze und Silber
Wie ein kleiner Schock erwies sich dabei der erste Blick auf das Gemälde mit dem Titel „Seelennot“ von Ralph Schulz. Es ist ein Mensch zu sehen, dem mit weit aufgerissenem Mund eine Art Wolke zu entweichen scheint. Unwillkürlich stellte sich der Gedanke an einen Ertrinkenden ein, der in größter Not versuche, zu atmen oder sich mitzuteilen, so Schlesselmann-Janssen. Allein die Entscheidung, das Werk abweichend von der Tradition nicht auf eine Leinwand zu malen, sondern dafür eine Metallplatte zu wählen, sei ein Statement. Das gewählte Material würde Bestandteil der inhaltlichen Aussage und ließe Kälte konkret physisch erfahrbar werden. Der Ausdruck größter Not sei schwer zu ertragen, der Anblick des stummen Schreies lässt die Betrachter machtlos zurück. In seinem Bewerbungsschreiben sprach Schulz von einem Menschen der „sich die Seele aus dem Leib schreit“. Die Jury würdigte diese Arbeit mit dem 3. Platz.
„Während die Farbe von Ralph Schulz mit expressivem Gestus auf die Metallplatte aufgetragen wurde, tritt uns die Malerei von Susanne Geister, die zweitplatzierte Preisträgerin, ganz anders entgegen“, so Impulsgeberin Schlesselmann-Janssen weiter. Das Gemälde mit dem Titel „In die Hohlhand (Imago)“ sei sehr fein, fast altmeisterlich gearbeitet. Es beeindrucke unmittelbar durch Klarheit und Reduktion. Die Malerei zeige eine nackte Frau, die ihr Gesicht und ihre Blöße hinter ihren Armen und Händen verberge. Die dargestellte Person versuche, einen unmittelbaren Blickkontakt nach außen zu vermeiden. Das Bild mache bei eingehender Betrachtung betroffen, da man sich selbst als Betrachter plötzlich in der Rolle desjenigen finde, vor dem Schutz gesucht werde. Die gemalte Lichtführung bringe nichts Erwärmendes. Das Gemälde von Susanne Geister handelte, so die Laudatorin, vom Ausgeliefertsein. Besonders hervorzuheben sei die Feinheit der ästhetischen Umsetzung. Der samtartige Charakter der Bildoberfläche würde zur Metapher für Haut - eines der empfindsamsten Organe des Menschen.
Das Siegermotiv
Die Situation in der Bildwelt von der Gewinnerin des ersten Preises, Alexia Krauthäuser, sei ungleich komplexer und verwirrender: „In dem Gemälde ‚as if‘ ist eine weibliche Gestalt in winterlicher Kleidung mit Mantel und Mütze, leicht schräg von hinten zu sehen. In der rechten Hand hält sie einen Gegenstand, womöglich einen Stein in Papier eingewickelt. Die Körperhaltung verrät Spannung und Aktion, wie kurz vor dem Wurf“, erläuterte Schlesselmann-Janssen. Das Gegenüber der Person sei ein geometrisch strukturiertes Raumgebilde, das an einen Schaukasten aus Glas oder an ein Aquarium denken lasse. Dieser Eindruck werde durch diverse konzentrische Schlaglöcher unterstrichen, die wie Beschädigungen einer imaginären Glaswand erscheinen würden. Innerhalb des vermeintlichen Glaskastens erscheine auf der linken Seite ein Antlitz, das mit großem Ernst in Blickkontakt mit der Frauenfigur im Vordergrund stehe.
Eine konkrete Verortung aller Bildelemente sei kaum möglich, da sich Innenraum und Außenraum gegenseitig durchdrängen. Die Malerin verstricke die Betrachtenden mit ihrem Bild „as if“ in ein verwirrendes Spiel von Innen und Außen. Das Bild handele von Übergängen, vom mühevollen Versuch, eine bestehende Situation zu verlassen und eine andere zu erreichen. Das Bild beschreibe den Versuch, zu sich selbst durchzudringen. „Liebe Kunstfreunde und liebe Jury des EIGENART Kunstpreises. Ich bedanke mich von ganzem Herzen für den ‚EIGENART Kunstpreis - Seelische Gesundheit 2024‘. Ich fühle mich sehr geehrt und wertgeschätzt und wäre so gerne vor Ort, um den Preis persönlich entgegenzunehmen. Leider ist es so, dass es mir gesundheitlich momentan nicht gut geht und ich es aus diesem Grund nicht geschafft habe, zur Finissage zu kommen. Ich freue mich aber sehr darüber, dass ich diese schöne und berührende Ausstellung bei der Vernissage sehen konnte“, so Alexia Krauthäuser in einer Nachricht, die abschließend von Schlesselmann-Janssen verlesen wurde.