Ralf G. Poppe

„Fundstücke“ der Geschichte

Im EIGENART Kunstraum kann noch bis Freitag, 14. März, die Ausstellung „Fundstücke - Fotografien von Günter Zint“ betrachtet werden.

Bremervörde. Am vergangenen Donnerstagabend wurde im Bremervörder EIGENART Kunstraum die Ausstellung „Fundstücke - Fotografien von Günter Zint“ feierlich eröffnet. Die Laudatio hielt Andreas von Glahn.

 

Pazifistischer Verfechter der Menschenrechte

Der Tandem-Vorsitzende Andreas von Glahn lies in seiner Einführung zur Ausstellung einige Geschichten aus dem Leben des bekannten Fotografen einfließen. Geboren wurde Günter Zint am 27. Juni 1941 in Fulda. Von 1998 bis 2011 lebte er in Fahrendahl, anschließend bis zum Dezember 2023 in Behrste bei Elm - also jahrelang in unmittelbarer Nähe zu Bremervörde.

Laut der Biografie „Zintstoff“ begannen erste Probleme im Elternhaus, als Zints Gehirn anfing, sich eigenständig zu entwickeln, und er im „christlichen“ Elternhaus viele Ungereimtheiten entdeckte. Fragen zum gerade vergangenem Dritten Reich wurden ihm zuhause nicht beantwortet. Auf konkrete Nachfragen gab es ein „Davon haben wir nichts gewusst.“ Vielleicht sorgte jedoch genau das dafür, das aus dem jungen Günter ein weltoffener, pazifistischer Verfechter für Menschenrechte wurde, der als „Gebrauchsfotograf“ die ihm wichtig gewordenen Schwerpunkte dokumentierte.

So war er live dabei, als die Beatles spielten, John Lennon einen Film in der Lüneburger Heide drehte, und als The Doors auf ihrer einzigen Europatour waren. Jimi Hendrix besuchte ihn 1967 in Hamburg, um in Ruhe Musik zu hören. 1970 war Zint auf der Ostseeinsel Fehmarn dabei, als Hendrix sein letztes Konzert spielte. Doch die drei Millionen Bilder des Günter Zint erzählen mehr als lediglich die Geschichte der Rockmusik, sie sind ein Stück deutscher Geschichte.

 

Fahnenflucht

Obwohl man in den sechziger Jahren erst mit 21 Jahren volljährig wurde, trieb es Günter Zint bereits 1959 aus dem bürgerlichen Elternhaus. Er bewarb sich ohne Wissen der Eltern bei der dpa in Frankfurt als Bildvolontär. Als der Vater den Ausbildungsvertrag unterschreiben sollte, musste der angehende Fotograf dem Redaktionsleiter gestehen, dass er sein Elternhaus heimlich verlassen hatte. Der dpa-Chef war verständnisvoll, die Karriere nahm ihren Lauf. Das Volontariat verbrachte GüZi - wie er liebevoll, oft und gern genannt wird - in den dpa-Büros in Frankfurt, Berlin und München.

Als die Bundeswehr rief, wurde der Wohnort nach Berlin verlegt. Durch den dort damals geltenden „Alliiertenstatus“ sollte die Einberufung umgangen werden. Da der Vater beim Kreiswehrersatzamt jedoch klarstellte, dass der Sohn kein Kriegsdienstverweigerer, sondern lediglich in schlechte Gesellschaft geraten sei und gleich eine ladungsfähige Anschrift in München mitteilte, galt Zint als fahnenflüchtig. So flüchtete vor der Bundeswehr nach Schweden, schlug sich dort als Korrespondent der Twen, sowie als Hotelmitarbeiter durch.

Nach einem Berlin-Besuch wurde er jedoch an der Grenze verhaftet. Es folgten ein paar Nächte in Haft, bis eine ladungsfähige Anschrift in West-Deutschland nachgewiesen werden konnte. Da Günter inzwischen mit Ada - einer Studienfreundin von Spencer Davis - verheiratet war, wurde er vom Wehrdienst befreit.

 

Kultur für St. Pauli

Vom „Armeedienst“ befreit, folgte eine Festanstellung im Bauer-Verlag in Hamburg. Dort arbeitete Zint für das Jugendmagazin O.K. und fotografierte „nebenher“ für Schallplattenfirmen und Konzertveranstalter Musiker. O.K. wurde 1966 mit der BRAVO zusammengelegt. Zint machte sich unterdessen mit seiner Fotoagentur Panfoto selbstständig. Für das Magazin Der Spiegel fuhr er zum Fotografieren in den Sechstagekrieg nach Israel, mit Robert Kennedy in den Wahlkampf der USA, sowie zur APO-Bewegung nach Berlin und Paris. Zint wurde Hausfotograf im legendären Hamburger Star-Club. Seine Bücher dokumentierten oftmals Anti-Atomkraft-Aktionen oder das Leben im Hamburger Stadtteil St. Pauli.

In den 1980er Jahren gründete der Fotograf das St. Pauli Archiv sowie den Verein „Kultur für St. Pauli“. Die Bestände von Zints Agentur Panfoto, die neben den Arbeiten des Inhabers zahlreiche Nachlässe auch von anderen Fotografen sowie die Bestände des St. Pauli Museums enthält, wurden im Jahr 2022 unter dem Dach der neugegründeten Stiftung Günter Zint vereint.

Seit Mitte April 2024 lebt er unweit des Schanzenviertels, somit nicht weit entfernt von der Reeperbahn auf St. Pauli, wieder in seinem geliebten Hamburg. Die Ausstellung im EIGENART Kunstraum zeigt nicht zum wiederholten Mal Zints bereits oftmals ausgestellten Starfotografien, sondern „Fundstücke“ aus dem Leben, die unbekannte Menschen in besonderen Situationen zeigen, und dadurch ihre eigene Geschichte erzählen. Gäste, die die seltenen Aufnahmen ansehen möchten, sind noch bis Freitag, 14. März, dienstags bis donnerstags von 10 - 18 Uhr, freitags von 10 - 14 Uhr herzlich dazu eingeladen.


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