Jörg Monsees & Lena Stehr

Legalisierung light

Während Kritiker:innen in der abgeschwächten Freigabe von Cannabis immer noch Gefahren sehen, steht die Politik vor Ort dem Thema Kiffen recht offen gegenüber.

Die Bundesregierung hat ihre neuen Pläne zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt: Der Verkauf von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften kommt erst einmal nicht: Wegen rechtlicher Bedenken im Hinblick auf europäische Vorschriften hat die Bundesregierung ihre Legalisierungspläne abgeschwächt. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Variante soll zunächst in noch nicht näher bestimmten Modellregionen getestet werden. Für den Rest Deutschlands soll dann ab einem ebenfalls noch nicht bestimmten Zeitpunkt folgendes gelten: Der Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum soll straffrei werden, frühere Verurteilungen wegen geringen Mengen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden. Privatpersonen dürfen bis zu drei weibliche Cannabispflanzen anbauen.

Zu kaufen gibt es die Droge nach den Plänen der Ampel-Koalition demnächst in nicht-gewinnorientierten Vereinen. Diese Cannabis-Clubs sollen bis zu 500 Mitglieder über 18 Jahren haben und gemeinschaftlichen Anbau zu Genusszwecken betreiben dürfen. Sie dürfen keine Werbung für sich machen und müssen Jugendschutz- und Präventionsbeauftragte benennen. Es soll Obergrenzen geben, wie viel Cannabis an die Mitglieder pro Monat abgegeben werden darf. Eine Mitgliedschaft in mehreren Clubs ist verboten.

 

Keine konkreten Informationen zum Führerschein

 

Zum Thema Führerschein steht im Eckpunktepapier der Regierung: „Die Grenzwerte im Straßen-, Schiffs- und Luftverkehr werden unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien überprüft. Regelungen über die Zulässigkeit von Fahrten unter Einfluss von Cannabis orientieren sich dabei ausschließlich an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit.“ Der THC-Grenzwert für den Straßenverkehr wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Aktuell können Autofahrer:innen ihren Führerschein verlieren, obwohl sie nüchtern gefahren sind. Der Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum kann unter Umständen sogar nach einmaligem Konsum noch für mehrere Tage überschritten werden - die berauschende Wirkung ist natürlich längst vorüber. Wer öfter konsumiert, darf möglicherweise wochen- oder monatelang nicht fahren, denn der Wirkstoff THC wird vom menschlichen Körper nur sehr langsam abgebaut.

Die Fachleute vom Verkehrsgerichtstag haben im letzten Jahr empfohlen, den Grenzwert anzuheben. Nach Meinung der Expertinnen ist der aktuelle Wert so niedrig angesetzt, dass die berauschende Wirkung der Droge wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden könne. Die Grenzwertkommission - eine Arbeitsgruppe von Mediziner:innen und Forscher:innen, die dem Gesetzgeber wissenschaftlichen Input zu entsprechenden Fragen liefert - konnte sich bisher noch nicht auf einen Vorschlag für einen neuen THC-Grenzwert einigen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FPD) hat die Neuregelung deshalb noch nicht in Angriff genommen.

 

Ärztekammer warnt vor Gesundheitsschäden

 

Kritik am Eckpunktepapier der Bundesregierung kommt von ärztlicher Seite. „Cannabis ist keine harmlose Droge. Die aktuellen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums zu einer Legalisierung des Cannabiskonsums bergen aus ärztlicher Sicht große gesundheitliche Risiken“, warnt die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Lungenfachärztin Dr. Martina Wenker.

Wenn der Genuss von Cannabis straffrei werde, sei mit vermehrten körperlichen und psychischen Schäden durch einen gesteigerten Konsum zu rechnen. „Diese werden die ohnehin schon angespannte Versorgungssituation des Gesundheitssystems zusätzlich belasten“, kritisiert die niedersächsische Ärztekammerpräsidentin. Aktuelle Erfahrungen aus anderen Ländern, die Cannabis bereits legalisiert haben, wie die USA, Kanada und Portugal, belegten dies. Nach der Legalisierung sei der Cannabiskonsum um etwa 30 Prozent gestiegen und es seien 25 Prozent mehr durch den Genuss hervorgerufene psychische Störungen aufgetreten.

 

Für eine Entkriminalisierung

 

Vor „erheblichen gesundheitlichen Gefahren, insbesondere bei Jugendlichen“ warnt auch Marie Jordan von der CDU-Fraktion im Osterholz-Scharmbecker Stadtrat. Die Entwicklung des jugendlichen Gehirns werde durch Cannabis stark negativ beeinflusst und die Gefahr psychischer Störungen deutlich erhöht. Aus Sicht der CDU-Fraktion zeige sich aber in der aktuellen Verbotspolitik, dass diese nicht dazu führe, den Drogenkonsum zu reduzieren, den illegalen Verkauf zu unterbinden oder Jugendliche zu schützen.

Im Rahmen einer kontrollierten Abgabe und entsprechenden Entkriminalisierung bestehe deshalb die Möglichkeit, die Suchtprävention und Aufklärung über die gesundheitlichen Folgen zu verbessern und den Betroffenen Hilfsangebote zukommen lassen. Es sei zudem zwingend erforderlich, dass durch einen kontrollierten Erwerb der Schwarzmarkt mit seinen kriminellen Strukturen unterbunden und dass eine Verunreinigung von Cannabisprodukten verhindert werde.

Für Reinhard Bussenius, Fraktionssprecher der Grünen im Rotenburger Kreistag, ist die geplante Cannabis-Legalisierung ein längst überfälliger Schritt, da die Kriminalisierung vieler - insbesondere jüngere - Menschen damit abgeschafft werde. Es müsse aber betont werden, dass selbst Jugendliche weit unter 18 Jahren problemlos an Cannabis herankommen könnten, und zwar über Dealer:innen, die unter Umständen auch härtere Drogen im Gepäck hätten. Neben des bestehenden Problems der viel zu niedrig angesetzten Grenzwerte im Straßenverkehr gebe es zudem zu wenig fundierte Präventionsprogramme, unter anderem auch für Alkohol, so Bussenius. „Alkohol - das muss betont werden - ist in unserer ländlichen Region das eigentliche und wirklich drängende Problem.“

Auch Stefan Klingbeil, Rotenburger Kreistagsmitglied und Kreisvorstandsmitglied der Partei Die Linke, hält die Legalisierung von Cannabis für längst überfällig. „Ich schätze, dass es den meisten Konsumentinnen schon reichen würde, wenn man sie nicht als Kriminelle behandeln würde, nur weil man ausgelassen auf eigener Party zwischen dem hartem Alkohol mal an einem Joint zieht oder Angst vor einer Hausdurchsuchung hat, weil man nicht auf den Schwarzmarkt zurückgreifen möchte und dafür zwei Pflanzen zu Hause aufzieht“, so Klingbeil.

Der Kinderschutz müsse aber außer Frage stehen. Die meisten von Cannabis ausgelösten Psychosen entstünden durch Konsum vor dem 14. Lebensjahr. Klingbeil spricht sich für eine Freigabe ab 21 Jahren aus, da die Gehirnentwicklung vorher noch einen Schwung mache.

Besonders wichtig sei zudem die Finanzierung von Beratungs-, Begleitungs- und Präventionsangeboten. Bereits im vergangen Jahr habe er deshalb dafür plädiert, die Drogen- und Suchtberatung im Landkreis finanziell zu stärken.

 

Lesen Sie hier ein Interview mit der Suchtpräventionsexpertin Magdalena Windey von der Suchtberatung des Diakonischen Werks in Osterholz-Scharmbeck.

 

 


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