Mehr Kultur wagen
Bremervörde. Aufgrund der Vielzahl von kulturellen Veranstaltungen in der Ostestadt hört man oft, Bremervörde sei die Kulturhauptstadt im Landkreis Rotenburg (Wümme). Und das liegt nicht (nur) daran, dass der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch 1878 in einem Bremervörder Kirchenbuch sein Zitat „Schön ist´s auf der ganzen Erde, am schönsten doch in Bremervörde“ hinterließ. Besonders auch der in Bremervörde aufgewachsene Gitarrist Peter Weihe prägte mit seinem Gitarrenspiel viele Hits von zum Beispiel Helene Fischer („Atemlos durch die Nacht“), Unheilig, Nena, Lena und Falco. Wie vielfältig Bremervörde 2025 Kultur in ihren unterschiedlichsten Stilarten lebt, zeigen die nachfolgenden Porträts. Alle drei Künstler:innen stehen für verschiedene kulturelle Aspekte, die sich dennoch leicht verbinden lassen.
Comic-Zeichnungen für Gebrauchsgrafik
Elli Brockmann ist in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen und 2009 in den Ortsteil Nieder Ochtenhausen gezogen, nachdem sie 2007 ihren heutigen Ehemann in einer „studiVZ-Chatgruppe“ kennenlernte, in der alle Mitglieder den Nachnamen Brockmann tragen. Es sei doch lustig, so die Illustratorin mit einem schelmischen Lächeln, einen Mann zu ehelichen, der denselben Namen trägt - dann könnten beide ihre Namen behalten. Aus Spaß habe sie jemanden herausgesucht und gefragt, ob man heiraten wolle. Die Antwort lautete: „Alles klar. Kommst Du hoch, oder soll ich runterkommen.“ Man habe fortan geschrieben, telefoniert, sich getroffen. Die Geschichte klingt fantasievoll, doch Brockmann hat sie nie bereut: „In Nieder Ochtenhausen fühle ich mich sehr wohl, dort ist mein Zuhause“, so die Zeichnerin.
Beruflich sei sie als Dekorateurin gestartet. Nach zehn Jahren habe sie den Arbeitsplatz erstmals gewechselt. Anschließend folgte ein dreimonatiges Praktikum in einem Zeichenstudio mit elfjähriger Festanstellung. Als es um den Umzug nach Bremervörde ging, sagte man ihr, sie müsse nicht kündigen, könne aus dem neuen Zuhause arbeiten. Das funktionierte weitere drei Jahre, dann musste die Firma sich verkleinern. Es folgten verschiedene Jobs in der Region, 2015 ihre berufliche Selbstständigkeit. In diesem Jahr darf Elli Brockmann also ihr „zehnjähriges Jubiläum“ feiern. Brockmann entwirft unter anderem interne Grußkarten für große Bremervörder Betriebe, vertreibt einen eigenen Kalender und entwickelt Gebrauchszeichnungen für Bettwäsche. Die Zeichnung auf dem großen Schild vor dem beliebten Bremervörder Restaurant Napoli, dass (bis zum 31. Mai 2024) das damalige Besitzerehepaar zeigte, stammt von ihr. Die Zeichnungen fertige sie nach wie vor per Hand: „Ich bin ein analoger Mensch, habe das Zeichnen nicht studiert, sondern autodidaktisch erlernt.“ So habe sie auch „Trude & Berta ut Bremervüür“ erschaffen. Trude & Berta sind zwei sympathische Hühner aus Bremervörde, die sich unters Volk mischen. „Sie sind hier und da anzutreffen, philosophieren über Gott und die Welt, und haben immer eine Weisheit parat.“
Digitale Zeichnungen erstellt die Künstlerin nicht. Am Computer würden lediglich Bilder bearbeitet, um beispielsweise Figuren aus einem Gesamtbild herauszunehmen und sie für das Endprodukt zu finalisieren. Viele Arbeiten lägen im Bereich der Logo-Erstellung, sowie im Segment einer freiberuflichen Autorin. Dazu gibt sie Zeichenkurse, von denen sie sich wünsche, dass Kinder und Erwachsene in diesen Mal- und Pinsel-Yoga-Kursen relaxen können. „In meinen Kursen ist wichtig, dass alle Teilnehmenden sich entspannen, damit sich Kreativität entwickeln kann. Und die Ruhe, damit sich Fantasie entfaltet“, sagt die Zeichnerin. Ihre Kurse sollen den Alltags-Stress vergessen helfen. „Das Malen in einer kleinen Gruppe ist wie eine kleine Auszeit vom schnellen Alltag“, betont Elli Brockmann. www.stiftgewitter.de
Metal-Core trifft auf Stadtkapelle
Den richtigen Ton trifft auch Daniel Hannebacher. Allerdings eher lautmalerisch, rhythmisch mit seinen Drumsticks. Der 28-jährige studierte Betriebswirt ist in Bremervörde geboren, im Ortsteil Iselersheim aufgewachsen und dort zur Grundschule gegangen. Weiterführende Schulen bis zur Fachhochschulreife besuchte er in der Ostestadt. Hier absolvierte er erfolgreich seine Ausbildung zum Industriekaufmann und studierte anschließend parallel in Hamburg neben seiner beruflichen Tätigkeit.
Hannebacher hat einen jüngeren Bruder und stammt aus einer musikaffinen Familie: „Meine Mutter hat früher selbst Orgel gespielt.“ Im Alter von sieben Jahren begann er mit dem Schlagzeugspielen, drei Jahre später startete er im Jugendorchester der Bremervörder Stadtkapelle. Sein erstes Rockkonzert - die Red Hot Chili Peppers spielten in Hamburg - besuchte der Drummer mit seinem Vater. „Ich fand besonders deren Schlagzeuger cool. Seit ich mich für Rockmusik interessiere, wollte ich selbst so spielen. Das Schlagzeug steht im Vordergrund. Es ist lauter. Die Red Hot Chili Peppers waren eine erste Inspiration, die ich oft nachgespielt habe.“ Hannebacher reizt die Tatsache, dass seine beiden musikalischen Projekte für zwei musikalische Welten stehen: „Man biegt dabei in unterschiedliche Richtungen ab.“ In der Stadtkapelle sei es eine Herausforderung, sich den unterschiedlichen Musikstilrichtungen in der Lautstärke anzupassen. In der von ihm im Laufe der Pandemiezeit um 2021 mitgegründeten Metal-Core-Band „Dishonor“ spiele er schneller, lauter, mit voller Power. Dabei sei die Technik anspruchsvoller, während es in der Stadtkapelle primär um das Zusammenwirken ginge. „Im Orchester achtet man auf den Dirigenten. Dabei entwickelt man mit der Zeit eine gewisse Routine.“
Mit der Stadtkapelle habe er bereits mehrmals im Stadeum gespielt, mit ihr könne er oft im Vörder Land auftreten. Mit „Dishonor“ sei das aufgrund des Musikgenres eher schwierig: „Unsere ursprüngliche Band war ein Quartett, das Coverversionen spielte. Mit dem fünften Mann benannten wir uns in ‚Dishonor‘ um, denn wir wollten unsere eigene Musik spielen. Und zwar überall, nur eben nicht so oft in unserer Region, weil das - im Gegensatz zur Stadtkapelle - hier nicht passen würde.“
Der erste öffentliche Dishonor-Auftritt fand am 13. Mai 2023 zwar beim Rock-Stadl in Spreckens statt, doch mittlerweile haben „Dishonor“ unter anderem im Hamburger Logo, mehrmals im dortigen Marx, in der ungleich größeren Markthalle sowie auf einigen Festivals gespielt. Hannebacher kümmere sich um das Booking, um im Sommer zum Beispiel abermals auf einigen Festivals performen zu dürfen. „Privat besuchen wir als Freundeskreis alljährlich das Wacken Open Air. Das ist musikalisch unsere Welt. Dort möchten wir auf jeden Fall irgendwann einmal spielen. Das ist ganz klar unser Ziel.“ Genau in dem schleswig-holsteinischen Örtchen verbinden sich seine kulturellen Musikstile - denn beim W:O:A spielt in jedem Jahr eine Feuerwehrkapelle. dishonor.band
Der Schauspielerei, dem Theater oder Top-Models ein Gesicht geben
Wenn Hannebacher sein Ziel erreicht, mit den Bandkumpels auf der Bühne des W:O:A sein treibendes Schlagzeugspiel zu präsentieren, kommt es natürlich auch auf das richtige Outfit und das richtige Styling an. Diesbezüglich könnte ihn die 21-jährige Amely Schaefer unterstützen. Sie ist ebenfalls in Bremervörde aufgewachsen, hat im Ortsteil Hesedorf die Grundschule besucht. Bald wird sie ihren ersten Wohnsitz in Bremervörde abmelden, um sich ab dem 30. Juni in Hamburg bei der Face Art Academy zur Hair- and Make Up-Artistin ausbilden zu lassen. Nach neun Monaten erhalte sie dort hoffentlich ihr Diplom, so Schaefer.
Auf dem Weg dorthin absolviert sie derzeit ihre Ausbildung zur Friseurin: „Diese Ausbildung ist nicht unbedingt eine Voraussetzung, doch sie erleichtert die Ausbildung an der Privatschule, die ich ab dem Sommer besuche, und selbst zahlen muss.“ Als Friseurin erarbeite man sich besondere Fertigkeiten, beispielsweise wie man mit Farben arbeite. Aufgrund ihrer sehr guten Zwischenprüfung darf sie ihre Ausbildungszeit auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Auch sei sie ihrem Ausbildungsbetrieb in Elsdorf dankbar, denn ihr Arbeitgeber habe sie eingestellt, obwohl sie gleich zu Beginn gesagt habe, dass sie den Betrieb nach der Ausbildung verlassen wolle.
„Früher wünschte ich mir, Schauspielerin werden zu können“, erzählt Schaefer. Erste Erfahrungen mit der darstellenden Kunst durfte sie gar in Bremervörde sammeln, als sie im vergangenen Jahr mit weiteren Komparsen aus der Ostestadt in dem Film „Zwei am Zug“, in dem Katharina Wackernagel die Hauptrolle spielt, auch hinter die Kulissen gucken konnte: „Um ein wenig in die Filmbranche hineinzuschnuppern, war das cool. Gleichzeitig fand ich es etwas anstrengend. Es war super spannend, wie die Hair- and Make Up-Artisten hier arbeiten. Dabei habe ich bemerkt, dass die Filmbranche aufgrund ihrer langen Warte- und kurzen Einsatzzeiten scheinbar doch nicht das richtige für mich ist“, so Schaefer weiter.
Ihre ersten Erfahrungen als „Visagistin“ habe sie gemacht, als sie vor rund fünf Jahren ihre Schwester für deren Hochzeit schminkte. „Irgendwie hatte ich schon immer ein Faible fürs Schminken.“ Nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung favorisiere sie mittlerweile jedoch Aufgaben im Theater-Bereich oder auf Modenschauen. „Bei der Fashion auf dem Laufsteg hat man zwar Stress, aber keine langen Wartezeiten.“ Ebenfalls könne sie sich Einsatzzeiten im Vorfeld von TV-Shows vorstellen. „Bei der Face Art Academy arbeiten wir auch mit Dragqueens. Da wird es kunterbunt. Wir lernen, ein einfaches oder ausgefallenes Make Up zu kreieren und zudem, Perücken zu knüpfen.“ Ab dem 30. Juni solle es zunächst ein Modul von fünf Monaten geben. Dort könne sie sich in einer kleinen Klasse von acht, neun, jedoch höchstens zwölf Auszubildenden auf die Kunst fokussieren und hoffentlich erste Kontakte zu späteren Einsatzgebieten knüpfen. Im zweiten Teil werde dann etwas extravaganter gearbeitet. Die Altersstruktur der Teilnehmenden sei gemischt. „Natürlich freue ich mich über weitere Komparsen-Rollen. Die Richtung meiner kommenden hauptberuflichen Arbeit ist allerdings noch offen, egal ob Theater oder Werbe-Fotoshootings. Allerdings würde ich gern nach Hamburg ziehen, um dort präsenter zu sein.“ Zunächst werde sie jedoch mit der Bahn nach Hamburg fahren.