Ute Mahler-Leddin

Naturschutz und Wildtierbestand

Die Bremervörer Jägerschaft hat einen weitreichenden Aufgabenbereich, der weit über das bloße Jagen hinaus geht. - Ein Einblick in das Leben als Jäger.

Bremervörde. Selten wird so kontrovers über eine Gemeinschaft diskutiert, wie über die Jägerschaften. Tradition, Natur- und Umweltschutz kontra Ethik.

Ein Grund, diesem Thema etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen und einen Einblick zu geben, was es heißt, Jägerin oder Jäger zu sein, sodass sich jeder selbst ein Urteil bilden kann. Auskunft gibt, Hendrik Bardenhagen, der Vorsitzende der Bremervörder Jägerschaft.

Was macht ein Jäger?

Jäger leisten viel für den Lebensraum von Wildtieren und die Kulturlandschaft. Sie regeln den Wildbestand nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit und sorgen für einen artenreichen Wildbestand. Das Jagdgesetzt verpflichtet Jäger dazu, das Wild nicht nur zu bejagen, sondern Verantwortung für die gesamte Wildtier- und Pflanzenwelt zu übernehmen. Die Aufgaben eines Jägers sind daher vielfältig.

Ein sehr wichtiger Bereich ist die Kitzrettung. Wenn die Landwirte im Frühling die Felder mähen, gehen die Jäger nachts oder frühmorgens die Bereiche ab und suchen die dort von der Ricke abgelegten Kitze, die dann durch einen umgedrehten Wäschekorb vor dem sicheren Mähtod oder einer Verstümmelung und damit verbundenen Schmerzen gerettet werden. Je nach Möglichkeit bedeutet dies viel Laufarbeit der Jäger und ihren freiwilligen Helfern oder den Einsatz einer von zehn in der Jägerschaft Bremervörde verfügbaren Drohnen, die mit Wärmebildkamera ausgestattet sind. Hier konnte die Jägerschaft im letzten Jahr über 100 Kitze retten.

Der Naturschutz ist ein sehr großer Bereich für die Jäger, denn Hege und Pflege gehört zu den zeitintensivsten Aufgaben. Mit der „AG Naturschutz“ sorgen die Jäger für den Ausbau und Erhalt der Feuchtbiotope und Blühstreifen. Außerdem pflanzen und pflegen sie Hecken und Obstbäume.

Die eigentliche „Jagd“ ist hingegen ein sehr kleiner Bereich. Durch das Jagdgesetz wird genau reglementiert, was und wann geschossen werden darf. Die Jäger sind sogar verpflichtet zu jagen, denn die Jagdbehörden legen einen genauen Abschussplan fest, der für einen ausgewogenen Bestand in den Revieren sorgt und verhindert, dass die Landwirtschaft durch Wildschaden zu hohe Ernteeinbußen zu verzeichnen hat. Bei Wildunfällen sind die Jäger zum Teil vor der Polizei zur Stelle und erlösen und entsorgen das verletzte Tier. Im Bereich Elm waren die Zahlen der getöteten Rehe durch Autounfälle sogar höher als die, die von den Jägern geschossen wurden.

„Die Akzeptanz der Jäger in der Bevölkerung nimmt in den letzten Jahren immer mehr zu“, erklärt Hendrik Bardenhagen. „Durch unsere vielfältigen Angebote und Aufklärungsarbeit, auch durch das Infomobil auf Veranstaltungen wie dem Seefest oder dem Lernort Natur in Schulen und Kindergärten, verstehen die Menschen unsere Passion immer besser. Viele achten inzwischen immer mehr auf bewussteren Einkauf von Fleisch und gehen hier auf Qualität statt Quantität und kaufen gutes Wildfleisch“.

Die Tradition und Bräuche der Jäger sind besonders im ländlichen Raum nicht wegzudenken. Sei es das Pflegen der Gemeinschaft, des Umweltschutzes, dem Erhalt des Jagdhornblasens auf Beerdigungen und Veranstaltungen oder das waidgerechte Zerlegen des Wildes.

Neun Monate bis zum Grünen Abitur

Die Ausbildung zum Jagdschein, dem sogenannten Grünen Abitur, dauert etwa neun Monate und umfasst Lerninhalte zur Wildtierkunde, dem Jagdhundewesen, dem Jagdbetrieb, der Waffenkunde und der Gesetzeskunde aus dem Jagd- und Naturschutzrecht. Neben der Vermittlung theoretischen Wissens liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der praxisnahen Ausbildung. Dies wird durch praktische Übungen, Reviergänge, Exkursionen sowie regelmäßige Schießübungen mit Flinte und Büchse unterstützt, um die Lerninhalte effektiv in die Praxis umzusetzen.

Die Jagd in Bremervörde

Die Jägerschaft Bremervörde umfasst sieben Hegeringe und reicht somit von Bevern, Bremervörde, Byhusen, Ebersdorf, Kuhstedt, Sandbostel bis hin nach Selsingen. Der Bereich ist aufgeteilt in 92 gemeinschaftliche Jagdbezirke und 36 Eigenjagden.

Aktuell sind in der Jägerschaft etwa 550 Mitglieder, davon liegt der Frauenanteil bei knapp 20 Prozent - Tendenz steigend.

Die meisten Jäger kommen aus Jagdfamilien, die neusten Entwicklungen zeigen aber immer mehr naturverbundene Frauen und Männer, die ihr Wildfleisch selbst schießen möchten und sich im Natur- und Umweltschutz engagieren wollen.

Hendrik Bardenhagen hat seit 2013 seinen Jagdschein und ist seit Jahren im Vorstand aktiv. Er hat die regionalen Entwicklungen des Wildbestandes in den letzten Jahren beobachtet: Das Schwarzwild (Wildschweine) ist der absolute Gewinner. Durch die Zunahme der milden Winter und des Anbaus von Mais hat es mehr Fraß und Deckung.

Verlierer ist das Rebhuhn - hier hat sich der Lebensraum komplett verändert. Immer weniger Insekten sind als Nahrungsquelle verfügbar und durch die gestiegene Zahl an Raubtieren schlüpfen oder überleben die Küken nicht mehr. Das Biotop hat sich in den letzten Jahren immer weiter verändert und der neue Lebensraum sorgt für Herausforderungen im Wildbestand.

Eine weitere Herausforderung ist der Wolf. Hier stellen die Jäger ganz klar die Frage „Wollen wir weiterhin Weidetierhaltung - ja oder nein?“ Der Wolf nimmt sich, was er möchte und nicht was er braucht, denn wenn er zuschlägt, dann ist der Schaden oft größer, als das, was er wirklich fressen müsste. „Beim Rehwild haben wir eine relativ hohe Reproduktionsrate - aber das Damwild leidet extrem unter dem Wolf“, berichtet Bardenhagen.

Jüngster Vorstand deutschlandweit

Der Vorstand des Jägerschaft Bremervörde ist aktuell der jüngste in ganz Deutschland. Vorsitzender Hendrick Bardenhagen ist aus Interesse zur Natur und Tierverbundenheit mit dem Thema Jagdschein und Vorstandsarbeit in Berührung gekommen und leitet seit 2023 die Geschicke der Jägerschaft. Auf die Frage, welches die schönsten Erlebnisse und Erfahrungen seines zeitintensiven Hobbies sind, sagte der IHK-Fachwirt: „Die Kitzrettung - jedes vor dem sicheren Tod gerettete Kitz erfüllt mich mit Dankbarkeit. Aber auch die Verbesserung des Biotops in unserem Revier in den letzten Jahren zeigt, dass wir in unserer Jägerschaft einen guten Job machen. Ich bin aber auch nach einigen Jahren als aktiver Jäger immer noch erschüttert, wenn ich zu einem Wolfsriss gerufen werde und die sinnlos verletzten und verstümmelten Tiere sehe oder nach einem Wildunfall genau weiß, dass das Kitz der verunfallten Ricke nicht überleben wird“.

Wer mehr über die Jägerschaft Bremervörde erfahren möchte, findet auf der umfangreichen Homepage unter jaegerschaft-bremervoerde.com viele Informationen und Ansprechpartner.


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