ÖPNV auf dem Land
Bremervörde. Im Rahmen der Diskussionsreihe „Grün im Dialog“ hat der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen kürzlich zwei Fachreferenten eingeladen, die im Jugendhotel Ostel über Bestände, Fortschritte und Zukunftsvisionen im Öffentlichen Personen- und Schienenpersonennahverkehr sprachen.
Eingeladen waren Frank Wiesner von der Verkehrsgesellschaft Nord-Ost-Niedersachsen (VNO) und Stephan Christ, Landtagsabgeordneter und Sprecher für Mobilität und Verkehr der Grünen Fraktion.
Sekundäre Hauptlinien
Wiesner stellte mit dem derzeitigen Bestand und den Zielen im Nahverkehr den „Fahrplan“ der VNO vor. „Anzustreben ist eine Mobilitätswende hin zu klimaneutraler Mobilität“, so Wiesner, „und es gibt bereits viele funktionierende Modelle in Einzelregionen.“ Aber „das Gebirge an verschiedenen Tarifen“ müsse zugunsten eines möglichst einheitlichen, digital erreichbaren und verlässlichen Angebots an Strecken und Tarifen überwunden werden. Wiesners Wunsch sind primäre Hauptlinien in Grund- und Mittelzentren von Montag bis Samstag mit Linienbussen im Zweistundentakt.
Obendrein müssten für Ortschaften ab 200 Einwohnern sekundäre Hauptlinien mit sechs Fahrtenpaaren Montag bis Freitag sowie vier Fahrtenpaaren am Wochenende eingerichtet werden. Dabei könnten Linienbusse, Bürgerbusse, Rufbusse und ASTROW eingesetzt werden. Ferner sollte es Nebenlinien geben, zum Beispiel ein nachfrageorientiertes Angebot für Schüler, die abgelegen wohnen, und Ergänzungslinien etwa für den Freizeitverkehr.
„Auf den Hauptlinien zwischen Grundzentrum und Mittelzentrum sowie zwischen Mittelzentrum und Oberzentrum gibt es inzwischen in der Regel ein attraktives ÖPNV-Angebot, zumindest im Zweistundentakt“, so Wiesner weiter, doch „zwischen kleineren Orten abseits der Hauptachsen und dem nächstgelegenen Grundzentrum ist das Fahrplanangebot teilweise deutlich geringer.“
Die Einrichtung eines attraktiven Busangebotes sei in ländlichen Räumen besonders problematisch, vor allem aufgrund hoher Kosten durch lange Linienwege und vieler Kilometer einerseits, geringer Einnahmen wegen des schwachen Fahrgastpotenzials und hoher Pkw-Verfügbarkeit andererseits. Mit der Einrichtung von Bürgerbussen, ASTROW und Rufbussen verbessere sich die Erreichbarkeit der Grundzentren aber deutlich.
Langwierige Streckenreaktivierung
Stephan Christ stellte die grundlegende Frage: „Warum brauchen wir eigentlich eine Mobilitätswende?“, und lieferte die Antwort gleich mit: „Natürlich wegen des Klimawandels“ - das sei inzwischen jedem im Landtag klar. Ein Drittel der Deutschen würde bei der derzeitigen Autopolitik schlicht übergangen. Alte, Kranke und Jugendliche, seien existenziell auf einen funktionierenden und sozial gerechten ÖPNV angewiesen. „Das Rückgrat dafür ist die Schiene“, ist Christ überzeugt, denn im Zug sei man schneller und - zumindest theoretisch - ohne Stau und Umleitungen unterwegs.
Die Streckenreaktivierung sei jedoch langwierig und kostenintensiv. Von ursprünglich 50 bis 60 eingereichten Reaktivierungswünschen für Bahnstrecken seien in Niedersachsen noch 21 Strecken im Rennen. „Je kürzer die Strecke, je höher das Fahrgastaufkommen und je besser die Vorbereitungen, etwa durch modernisierte Bahnhöfe, desto größer die Chance, dass eine Strecke gefördert wird.“ Es sei erfreulich, dass die Strecke Tostedt-Zeven dazugehöre, darüber würde final im März entschieden. Die Aussichten seien aber gut. „ÖPNV ist nie wirklich finanziert“, so Stephan Christ, „aber sozial absolut notwendig. Hier müssen Bund und Land den Landkreisen dauerhaft mehr Unterstützung bieten.“
On-Demand-Dienste
Weitere Themen rundeten den Abend, bei dem auch der Bundestags-Kandidat Joachim Fuchs anwesend war, ab. Die anstehenden bundesweiten Streckensanierungen der Bahn, die auch den Landkreis Rotenburg betreffen werden, die wertvollen Dienste, die gerade die Bürgerbusvereine anbieten, die zeitliche Vereinbarkeit von Bahn- und Busanbindungen und vieles mehr.
Da aus dem Publikum sehr viele Fragen zum Deutschlandticket und vor allem zu On-Demand-Diensten durch Rufbusse kamen, drehten sich die Diskussionen in der zweiten Hälfte des Abends vor allem darum. Das Thema ÖPNV wird noch viele Jahre unsere Kreispolitik beschäftigen.