Ralf G. Poppe

Was macht eigentlich Selig? Ein Hausbesuch bei Sänger Jan Plewka

Bremervörde. Die Band, die einst Headliner beim „Overland-Festival“ am Vörder See war, stellt ihr neues Album „Myriaden“ am 13. März als Streamingkonzert in Bremen vor. Der ANZEIGER sprach vorab mit Sänger Jan Plewka beim Spaziergang in Ahrensburg.
Jan Plewka erinnert sich gut und gern an die Ostestadt und mag auch den offiziellen Likör der Stadt.  Foto: rgp

Jan Plewka erinnert sich gut und gern an die Ostestadt und mag auch den offiziellen Likör der Stadt. Foto: rgp

Beim ersten „Overland-Festival“ am Vörder See waren die Musiker der Hamburger Band Selig 2012 die Headliner. Mit ihrem Auftritt machten sie nicht nur die hiesigen Musikfans „selig“, sondern generierten auch eine ansehnliche Spende für einen karitativen Zweck. Obendrein waren sie die ersten Musiker, die den Titel des Bremervörder Stadtmagazins schmückten.
Und nun gibt es spannende Neuigkeiten: Denn Sänger Jan Plewka, Bassist Leo Schmidthals, Gitarrist Christian Neander und Schlagzeuger Stephan Eggert haben am Freitag, 12. März, mit „Myriaden“ gemeinsam als Selig beim weltgrößten Musikkonzern Universal das achte Studioalbum ihrer Band veröffentlicht.
 
Gründung 1993
 
Die vier Musiker haben die Band 1993 zusammen mit dem Keyboarder Malte Neumann gegründet. 1999 trennte man sich, seit 2008 ist man wieder aktiv. Vor dem Bremervörder Gastspiel hatte Selig zwei sehr erfolgreiche Alben in den deutschen Top Ten platzieren können, 2013 schaffte die Formation mit „Magma“ ihre bisher höchste Platzierung (No. 4).
Neumann hat die Truppe 2014 verlassen, doch am 14. Juli 2012, als durch das Konzert am Vörder See circa 3.500 Euro für den gemeinnützigen Verein Trauerland (Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche) zusammenkamen, war er noch aktiv dabei.
 
Aufrichtig in unaufrichtiger Zeit
 
Mit dem neuen Werk „Myriaden“ stehen die Chancen gut, den Charterfolg noch einmal zu toppen. Denn „Myriaden“ passt genau in die heutige Zeit. Das Album kann als Aufruf für mehr Engagement für die Umwelt und als Statement für mehr Empathie sowie ein freundlicheres Miteinander verstanden werden.
„Wir sind seit geraumer Zeit, angesteckt durch unsere Kinder und Fridays for Future, Aktivisten“, sagt Plewka. Im Proberaum habe es kaum andere Themen als die Klimakatastrophe und den aufkommenden Faschismus gegeben. „Wir sind einfach der Ansicht, dass im Moment mehr falsch als richtig läuft und unser Ziel war es, das auf eine selige Art und Weise auszudrücken“, so der Sänger.
Auf ‚Myriaden‘ gehe es darum, wie die Menschen miteinander und mit dem Planeten umgehen. Es sei der Versuch, aufrichtig zu sein in einer unaufrichtigen Zeit. Aus diesem Grund hatte Plewka auch ein schlechtes Gewissen, für die Dreharbeiten zur siebten Staffel der TV-Serie „Sing meinen Song“ zum Walker Bay nach Südafrika zu fliegen. Als er zurückkam, landete er mitten im ersten Lockdown der Corona-Pandemie.
 
Myriaden und Hochbeete
 
Doch „Myriaden“ ist zudem ein Nachhausekommen. Gitarrist Christian Neander hatte seinen Kollegen, ohne Namen zu nennen, verschiedene Titel vorgespielt. Der Sound, der allen zusagte, stammte vom Produzenten Franz Plasa. In dessen H.O.M.E.-Studio hatte Selig 1994 das Debütalbum eingespielt. Nun kam man für „Myriaden“ zurück. Mittlerweile krachen die Instrumente jedoch nicht mehr im jugendlichen Grunge-Stil, sondern alles klingt fein ziseliert aufeinander abgestimmt.
Das Lied „Süßer Vogel“ erinnert dennoch an die (eigene) Jugend. Und daran, wie schnell sie vorbei ist. Der Titel könnte von seiner Stimmung her gar ein französischer Pop-Chanson sein – ganz nah am Schlager, während das „Spacetaxi“ groovend-funky mit den Hörer:innen ins All fliegt.
Die Unterhaltungen im Studio seien auch anders gewesen als früher, berichtet Plewka. Die gesamte Band lebe mittlerweile relativ gesund, Plewka selbst habe bis zur Pandemie sogar zwei Jahre gar keinen Alkohol mehr getrunken. „Wo wir uns seinerzeit zwischendurch im Studio über die besten Clubs ausgetauscht haben, sprachen wir diesmal darüber, wer Zuhause nun das beste Hochbeet angelegt hat“, amüsiert sich der Sänger.
 
Streamingkonzert
 
Überhaupt ist Jan Plewka derzeit viel Zuhause. Die Pandemie hat auch bei ihm finanziell Spuren hinterlassen. Seine Live-Aktivitäten als „Jan Plewka & die Schwarz Rote Heilsarmee“ bzw. „Between the Bars“, wo er z.B. Titel von Ton Steine Scherben und/oder Simon & Garfunkel akustisch neu interpretiert, liegen auf Eis. Plewka sagt, er hätte nie gedacht, dass es einmal so schwierig werden würde, das Haus abzubezahlen und die Familie zu ernähren. „Glücklicherweise“, so Plewka, habe seine Frau einen festen Job. Wenn alles gut läuft, steht er am Samstag, 13. März, im Rahmen des von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa geförderten Pilot-Projekts „Club 100“ im Bremer Pier 2 wieder auf der Bühne, um das Release-Konzert zu „Myriaden“ als Streamingkonzert in viele Haushalte zu übertragen.
www.myriaden.seligmusik.de


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