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Mahnung und Hoffnung

In einer Welt, die von Kriegen erschüttert wird, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Gedenkens am Volkstrauertag. Die Redaktion hat dazu mit den Landräten Marco Prietz und Bernd Lütjen gesprochen, die den Kreisverbänden des Volksbundes vorsitzen.

Bild: Adobestocl/Alina

Landkreis. An diesem Tag steht das Erinnern an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft im Mittelpunkt, ein Innehalten, das heute aktueller denn je scheint. In Deutschland führt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge diese Erinnerungsarbeit mit dem Ziel weiter, dem Schrecken der Vergangenheit eine Bedeutung für die Zukunft abzuringen. „Nie wieder“ heißt also nicht nur, sich an die Vergangenheit zu erinnern, sondern bedeutet vielmehr, dem Hass heute entschlossener denn je entgegenzutreten“, so Wolfgang Scheiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des antisemitischen Massakers der Hamas und seiner Befürworter weltweit. Die jüngsten Entwicklungen auf der internationalen Bühne veranschaulichen, wie fragil Frieden sein kann und wie schnell gesellschaftliche Spaltungen entstehen. Amerika, ein Land, auf dessen hegemoniale, die internationale Gemeinschaft stabilisierende Politik stets bauen konnte, wird mit der Wiederwahl Donald Trumps unberechenbarer. Nicht nur innenpolitisch und (welt-)wirtschaftlich, sondern auch hinsichtlich der Zurückdrängung des russischen Imperialismus. Und die Menschen fragen sich: Was passiert mit der Ukraine? Was kommt als Nächstes? Und es stellt sich in Anbetracht dieses unsicheren Zustandes der Welt eine weitere Frage: Wenn die Welt sich doch zum Schlechteren entwickelt, obwohl in der Vergangenheit bei jedem Gedenktag vor einer solchen Entwicklung gewarnt wurde - was bringt mahnendes Gedenken an die Katastrophen der Geschichte? Die Menschen scheinen nicht aus ihnen lernen zu wollen.

Düstere Zeichen der Zeit

Auch die Landräte Marco Prietz (Rotenburg Wümme) und Bernd Lütjen (Osterholz), die zugleich Vorsitzende des Rotenburger bzw. Osterholzer Kreisverbands des Volksbundes sind, erkennen die düsteren Zeichen der Zeit: Freiheit und Demokratie werden herausgefordert. Lütjen betont, dass „das Zusammenleben in Deutschland durch zunehmenden Extremismus, soziale Ungleichheit und den Rückgang des Interesses an demokratischen Werten bedroht“ sei. Prietz verweist auf die „Zunahme von rechtem und linkem Extremismus sowie Islamismus, der zunehmend an Einfluss gewinnt, auch in der Politik, und zu Gewalt und Ausgrenzung führt.“ Zudem spalten „populistische Bewegungen unser Zusammenleben und untergraben das Vertrauen in demokratische Institutionen. Durch Desinformation und Hetze werden Falschinformationen verbreitet, Unsicherheit gefördert und die Gesellschaft bewusst gespalten.

Die Bedeutung des Gedenks

Und auch wenn das Gedenken und Mahnen solche Entwicklungen nicht verhindern kann, es stärke die Gegenkräfte. Prietz unterstreicht die Bedeutung des Gedenkens an die NS-Zeit und vergangene Kriege als ein zentrales Element gesellschaftlicher Wertevermittlung: „Das mahnende Gedenken an die NS-Zeit und Kriege hat eine wichtige Funktion für unsere Gesellschaft, auch wenn die Welt weiterhin mit Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert ist.“ Für Prietz hat das Erinnern eine präventive Wirkung. Es solle nicht nur historische Schrecken wachhalten, sondern auch der Solidarität mit den Opfern dienen und ein Bewusstsein für Empathie und Gemeinschaft fördern. „Gedenken kann als Ausgangspunkt dienen, aber es muss von einem aktiven Engagement für eine gerechtere Gesellschaft begleitet werden.“ Bernd Lütjen sieht in Gedenkveranstaltungen ein wichtiges Werkzeug zur Bewusstseinsbildung: „Das mahnende Gedenken an die NS-Zeit und andere kriegsbezogene Ereignisse hat mehrere wichtige Funktionen, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag, als ob die Welt weiterhin mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert ist.“ Lütjen erinnert daran, dass das Gedenken eine Art „kollektive Verantwortung“ in der Gesellschaft fördert und Menschen ermutigt, aktiv gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit vorzugehen.

Zeichen der Hoffnung

Entsprechend sehen die Landräte trotz der düsteren Lage auch Zeichen der Hoffnung. Sie schildern Eindrücke aus ihren Gemeinden und heben das Engagement vieler Bürger hervor, die sich für eine positive Zukunft einsetzen. Prietz sieht in Projekten an Schulen, die Toleranz und Demokratie vermitteln, und im wachsenden Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz Zeichen der Hoffnung: „Viele Menschen setzen sich aktiv für soziale Gerechtigkeit und den Schutz von Minderheiten ein.“ Diese Bemühungen, so Prietz, könnten die Grundlage für eine aktive, solidarische Gesellschaft bilden. Die Herausforderung besteht darin, die Lehren aus der Vergangenheit in konkrete Handlungen und Veränderungen in der Gegenwart umzusetzen. Gedenken kann als Ausgangspunkt dienen, aber es muss von einem aktiven Engagement für eine gerechtere Gesellschaft begleitet werden. Lütjen spricht ebenfalls von der Kraft der gegenseitigen Unterstützung: „Indem wir zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen, können wir Herausforderungen meistern und eine bessere Gesellschaft schaffen.“ In diesem Zusammenhalt und der Bereitschaft, sich für das Wohl der Gemeinschaft einzusetzen, erkennt er die Basis für eine hoffnungsvolle Zukunft. Das Gedenken am Volkstrauertag, so seine Überzeugung, könne Menschen daran erinnern, dass auch in Zeiten der Unsicherheit der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit nie vergebens sei. Der Schlüssel liege laut Lütjen in Bildung und einem aktiven Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, um ein respektvolles Miteinander zu fördern und die Werte einer offenen Gesellschaft zu verteidigen.

Einsatz für eine gerechtere Welt

Der Volkstrauertag bleibt somit mehr als eine historische Reminiszenz. Er ist eine Mahnung und ein Appell zur gesellschaftlichen Verantwortung. In den Worten von Landrat Prietz: „Es reicht nicht, den Sicherheitsorganen allein die Verantwortung für den Schutz der Demokratie zu überlassen.“ Eine engagierte Zivilgesellschaft, die gegen Hass, Hetze und Ignoranz eintritt, ist heute notwendiger denn je. Das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt ist ein Bestandteil der Widerstandskraft der Gesellschaft und kann ein Ankerpunkt für die Hoffnung sein - eine Hoffnung, die aus dem gemeinsamen Erinnern erwächst und den Mut stärkt, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen.


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