

Hambergen. Seit 2017 trägt die Kooperative Gesamtschule (KGS) Hambergen den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2025 haben wir mit Martin Bertke, Lehrer und Projektverantwortlicher an der KGS, über Selbstverpflichtung, Widerstände und den langen Atem im Alltag gesprochen.
Anzeiger: Herr Bertke, seit wann ist die KGS Hambergen eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“?
Bertke: Seit April 2017. Die Idee kam ursprünglich von einer 10. Klasse im Religionsunterricht. Die Schüler*innen hatten von dem Projekt gehört, die Initiative ergriffen und den Stein ins Rollen gebracht.
Was waren die Voraussetzungen für die Titelverleihung?
Der Titel ist weniger eine Auszeichnung als vielmehr eine Selbstverpflichtung. Es geht darum, sich aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus zu positionieren – und das nicht nur punktuell, sondern nachhaltig. Konkret heißt das: Wir verpflichten uns, regelmäßig Projekte zu initiieren, bei Vorfällen Haltung zu zeigen und eine respektvolle Schulkultur zu fördern. 70 Prozent der Schulangehörigen müssen dieser Selbstverpflichtung zustimmen – das haben wir deutlich übertroffen. Als Paten konnten wir die Music Hall Worpswede gewinnen, zur Titelverleihung war der Musiker Stoppok dabei und hat sein Lied „Denk da nochmal drüber nach!“ gespielt – ein starkes Zeichen zum Auftakt.
Welche konkreten Maßnahmen setzt die Schule seitdem um?
Ein zentrales Element ist unsere jährliche Teilnahme am Anne-Frank-Tag am 12. Juni. Dieser Tag wird häufig mit weiteren Aktionen kombiniert – etwa 2022 mit dem Projekttag „Leben in Vielfalt“. Hinzu kommen Aktionen wie die „Orange Days“ Ende 2024: Die Mensa wurde orange illuminiert, es gab Kuchenverkauf, Plakate, QR-Codes, Podcasts – die ganze Bandbreite an Schüler*innenengagement.
Gibt es darüber hinaus regelmäßige Veranstaltungen oder Fortbildungen?
Neben den jährlich wiederkehrenden Aktionstagen arbeiten wir im Rahmen des ZiSch-Projekts des Weserkuriers regelmäßig zu den Themen Rassismus und Diskriminierung. Lehrkräfte besuchen Fortbildungen und nehmen an Netzwerktreffen von „Schule ohne Rassismus“ teil. Auch engagierte Schüler*innen sind regelmäßig bei Veranstaltungen des Netzwerks dabei.
Wie reagieren Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern auf das Engagement?
Die Titelverleihung wurde 2017 sehr positiv aufgenommen, mit viel Zustimmung und Stolz. Diese Aufbruchsstimmung langfristig wachzuhalten, ist allerdings die eigentliche Herausforderung.
Gibt es Kooperationen mit externen Partnern?
Wie gesagt, unser offizieller Pate ist die Music Hall Worpswede. Während der Pandemie schlief der Kontakt leider ein wenig ein, aber wir arbeiten daran, ihn wiederzubeleben. Kürzlich durften zwei Schüler*innen im Rahmen eines Wettbewerbs Künstler vor einem Konzert interviewen und waren anschließend Gäste der Veranstaltung – solche Erfahrungen wirken.
Sind rassistische Vorfälle auch an Ihrer Schule ein Thema?
Wie an jeder Schule gibt es auch in Hambergen verschiedene Formen des „Alltagsrassismus“, die auftreten. Wenn eine Schule für sich in Anspruch nimmt, dass es bei ihr nicht der Fall sei, wage ich das zu bezweifeln. Wichtig ist es, im Bewusstsein zu verankern, dass es das gibt, dass darüber gesprochen wird und dass man die Folgen des vermeintlich „nur aus Spaß“ begangenen Unrechts, das man jemandem angetan hat, dadurch auch erkennen kann. Unsere Schüler*innen haben das etwa im Rahmen des ZiSch-Projekts sehr eindrücklich reflektiert.
Gab es auch Kritik oder Widerstände gegen die Initiative?
Sicherlich. Manche sagen: „Das ist doch nur ein Schild an der Tür.“ Und ja – das stimmt vielleicht sogar, wenn man es isoliert betrachtet. Aber dieses Schild kann eben auch ein täglicher Reminder sein, dass jede*r im Kleinen etwas beitragen kann, damit der Titel mit Leben gefüllt wird. Der gesellschaftliche Rechtsruck macht auch vor Hambergen nicht halt – umso wichtiger ist es, Haltung zu zeigen.
Wie stellen Sie sicher, dass der Titel nicht zur bloßen Symbolik verkommt?
Aktuell arbeiten wir daran, das Projekt fest im Leitbild der Schule zu verankern – damit es nicht von Einzelpersonen abhängt, sondern strukturell mitgedacht wird.
Was ist für die Zukunft geplant?
Konkrete Planungen gibt es momentan noch nicht. Es steht aber die Idee im Raum, im kommenden Schuljahr ein Musical auf die Bühne zu bringen, das sich thematisch mit Rassismus auseinandersetzt. Vielleicht lässt sich daraus zusammen mit der Music Hall ein öffentlichkeitswirksames Event gestalten.