Gedenken in Worpswede
Worpswede. Die Nationalsozialisten hatten vor 86 Jahren massiv gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland gewütet. Es gab schwere Verwüstungen und brutale Plünderungen, Synagogen und Geschäfte gingen in Flammen auf. 30.000 Juden wurden verhaftet und viele ermordet. Am Jahrestag der Reichspogromnacht waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, zum Teil mit Kerzen in der Hand, zusammengekommen und hörten den Rednern der Veranstaltung schweigend und andächtig zu. Das Wort ergriffen Jochen Semken, Andreas Griebe, Dr. Bernd Moldenhauer und Ian Bild.
Eindringliche Mahnungen
Jochen Semken hatte die Moderation übernommen und führte durch den Abend. Als erster Redner sprach der Sozialpädagoge und Leiter der Jugendscheune Andreas Griebe: „Als ich im Jugendzentrum mit den Vorbereitungen zu diesem Tag begonnen habe, habe ich die Jugendlichen gefragt, was sie mit diesem Datum verbinden. Und keiner konnte mit dem Datum oder mit dem Namen dieses schrecklichen Tages etwas anfangen. Ich will den Jugendlichen da keinen Vorwurf machen. Die Jugend kann nur wissen, was wir ihnen vermitteln.“ Bernd Moldenhauer ergänzte später: „Obwohl das Thema in Zeitungen, im Fernsehprogramm und im Netz fast täglich präsent ist, können viele nichts mit dem 9. November 1938 verbinden.“ Ein Erinnern hätte es nach dem Krieg lange nicht gegeben. Es habe ein öffentliches Schweigen, Verleugnen und Verdrängen der Ereignisse gegeben und ein „dröhnendes“ Schweigen geherrscht.
Heute gäbe es einen aktuellen Anlass, sich wieder an die Geschichte in unserem Land zu erinnern. In den USA, der ältesten Demokratie der Welt, hätten die Mehrheit der Wähler einem verurteilten Straftäter, Rassisten und pathologischem Lügner, das Vertrauen ausgesprochen. Dieser habe bereits angekündigt, die Verfassung nicht anzuerkennen, Migranten in Lager zu schaffen und zu deportieren und seine politischen Gegner juristisch verfolgen zu lassen.
Moldenhauer beendete seine Rede mit den Worten: „Der 9. November und die neuesten Wahlergebnisse lassen nur eine Folgerung zu: Egal, wie wir uns in Fragen der Gesellschaftspolitik und der Weltpolitik streiten - vor dem Hintergrund des Wissens um die Vergangenheit und der Einschätzung der drohenden Gefahren dürfen wir uns nicht spalten lassen im Kampf für den Erhalt der Demokratie. Das ist unser Appell an die demokratischen Parteien. Noch sind wir die Mehrheit, sorgen wir dafür, dass es so bleibt.“ Der 1954 geborene Ian Bild sprach anschließend über seine persönlichen Erinnerungen an eine jüdische Kindheit in London und beendete die Veranstaltung mit dem „Kaddisch“, einem der wahrscheinlich wichtigsten jüdischen Gebete.