Gefährliche Typen
Jörg Erneckers zwölfjährige Tochter ist vor einigen Jahren an Diabetes Typ-1 erkrankt ist. Das Krankenhaus habe die Familie zwar sofort mit einer Pumpentherapie inklusive Blutzuckermessung über einen Sensor versorgt, was den praktischen Umgang mit der Krankheit erleichtert habe. Doch schnell kamen Sorgen auf. Die Suche und Finanzierung einer einer Schulassistenz, die Frage, ob eine Pflegestufe beantragt werden muss. Mit diesen Dingen habe sich die Familie zuvor nie auseinandersetzen müssen. „Ganz nebenbei mussten wir zusammen mit unserer Tochter auch noch den Umgang mit dem Diabetes lernen“, sagt er. Und die Fragen, was die Tochter wann essen möchte und wie viel Insulin sie ungefähr dafür abgeben muss, beschäftige die Familie heute noch. Hinzukamen die Einschränkungen der Freizeit. Ihr sportlichen Aktivitäten wie Reiten oder American Football könne Erneckers Tochter nicht mehr so einfach durchführen wie vor der Diagnose. Liegt der Wert unter 180 bestehe die Gefahr, zu unterzuckern und bei einem Wert über 280 könne eine Überzuckerung entstehen.
Vorurteile
Mittlerweile habe sich die Familie an die meisten Alltagseinschränkungen gewöhnt. Ernecker ist mittlerweile Leiter der Selbsthilfegruppe Typ F Bremer Umland beim Verein Diabetiker Niedersachsen. Die Gruppe trifft sich in Schwanewede.
„Allerdings tun wir uns immer noch schwer mit den Einschränkungen, die an uns von außen herangetragen werden. Erstaunlicherweise sind einige davon bereits von Anfang an dabei und begleiten uns auch heute noch“, erklärt Ernecker.
Vor allem das Thema Vorurteile sei sehr präsent. „Nach der Diagnose wurde uns oft unterstellt, dass wir selber schuld seien, da wir unserer Tochter bestimmt zu viele Süßigkeiten erlaubt haben. Mit der ‚richtigen‘ Ernährung würden wir das bestimmt wieder in den Griff bekommen“, so die falschen Vorstellungen aus dem Umfeld, erzählt Ernecker. Ihm sei es wichtig zu betonen, dass Diabetes Typ-1 nicht wieder verschwindet, wenn man die Ernährung umstellt. Es helfe nur Insulin. Jedoch mache er den Leuten, die Diabetes Typ-1 und Typ-2 vermischen, keinen Vorwurf. Er stelle sich eher die Frage, „warum zwei so unterschiedliche Krankheiten nur durch eine Zahl unterschieden werden“.
Diabetes Typ-1
An Diabetes mellitus, auch bekannt als Zuckerkrankheit, sind laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft rund 8,7 Millionen Menschen in Deutschland erkrankt (Stand 2024). Experten gehen davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Jahren weiter ansteigt.
Diabetes Typ-1 betrifft knapp fünf Prozent der Diabeteserkrankten. Besonders Kinder und Jugendliche sind häufig davon betroffen.
In Deutschland sind mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren an Diabetes Typ 1 erkrankt, Tendenz steigend. „Diabetes Typ 1 wird leider sehr häufig sehr spät diagnostiziert. Das liegt auch daran, dass die Erkrankung unter anderem bei Kinderärzten und Eltern zu wenig präsent ist“, sagt Anette Ziegler, Direktorin des Helmholtz-Zentrums für Diabetesforschung und Professorin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Eine frühe Diagnose sei wichtig, weil bei Diabetes Typ 1 Folgeschäden verhindert werden können, wenn das Leiden frühzeitig entdeckt und behandelt wird.
Die Ursache ist fast immer eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem nicht richtig funktioniert. Die insulinbildenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse werden dadurch angegriffen und sobald mehr als 90 Prozent der Zellen zerstört sind, kann sich die Bauchspeicheldrüse nicht mehr erholen. Die Folge: absoluter Insulinmangel. Diabetes Typ-1 ist chronisch und nicht heilbar. Zudem kann es vererbt werden und auch Virusinfektionen oder Umweltfaktoren können eine Rolle spielen. Erste Anzeichen einer möglichen Erkrankung sind Müdigkeit und Dauerdurst.
Diabetes Typ-2
Typ-2-Diabetes ist die am weitesten verbreitete Art von Diabetes. Etwa 85 bis 90 Prozent der Betroffenen erkranken an Typ-2, besonders Erwachsene und ältere Menschen. Das Durchschnittsalter liegt bei Männern bei 61 Jahren und bei Frauen bei 63 Jahren. Doch auch die Zahl der betroffenen Jugendlichen steige drastisch an.
Bei diesem Typ bildet die Bauchspeicheldrüse zwar noch Insulin, jedoch nur in geringer Menge. Es entsteht eine Insulinresistenz. Das bedeutet, dass das freigesetzte Insulin nicht wirkt. Wenn Verwandte ersten Grades Diabetes Typ-2 haben, steigt das Risiko daran zu erkranken. Weitere Faktoren sind erhöhtes Körpergewicht, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, starker Alkohol- und Nikotinkonsum sowie chronischer Stress. Unbehandelter Typ-2-Diabetes kann zu einem Herzinfarkt, Schlaganfall, Augenerkrankungen, Nervenschäden, Nierenschwäche oder chronischen Wunden führen.
Mit der richtigen Behandlung kann Diabetes Typ-2 jedoch unter Kontrolle gebracht werden. Etwa 50 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes können ohne Medikamente behandelt werden, beispielsweise mit einer Ernährungsumstellung und/oder Gewichtsreduzierung. Etwa 40 bis 50 Prozent nehmen blutzuckersenkende Tabletten. Mehr als 1,5 Millionen Betroffene werden mit Insulin behandelt. Das kann in Form von Tabletten, Spritzen oder intensivierter Insulintherapie erfolgen.
Bei wem ist das Risiko zu erkranken höher?
Schon lange war Wissenschaftlern bekannt, dass der sozioökonomische Status mit Diabetes zusammenhängt. So sind Menschen aus Industrieländern eher davon betroffen als andere. Doch auch bei Menschen mit einem geringeren Bildungsniveau, schlechterer Bezahlung und einem sogenannten einfachen Beruf ist das Risiko, an Diabetes Typ-2 zu erkranken, um 30 bis 40 Prozent höher als bei anderen Menschen.
Schwedische Forscher haben erstmals einen Zusammenhang zwischen Diabetes und Beruf untersucht. Dabei kam heraus, dass besonders Berufskraftfahrer, Fabrikarbeiter und Reinigungskräfte vom Diabetes-Risiko betroffen sind. Der Beruf eines Lkw-Fahrers zum Beispiel geht oft mit mangelnder Bewegung und einseitiger Ernährung einher.
Weitere Informationen über Fortschritte in der Behandlung hier und zum Weltdiabetestag unter www.weltdiabetestag.de.