Fragen an den Ministerpräsidenten
Niedersachsen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, aber auch Migration und Inflation sind nach wie vor die prägenden Themen des öffentlichen Diskurses. Das allgemeine Vertrauen in Politiker:innen sinkt zunehmend – in Ritterhude lud die SPD deshalb Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident, zum bekannten Format ‚Auf ein Wort mit…‘ ins Hamme Forum. Im Gespräch mit Michael Harjes, Ortsvorsitzender der SPD, stellte sich der Politiker den brennenden Fragen der örtlichen Bevölkerung, die die Besucher:innen vorab auf Bierdeckeln notieren.
„Rausgeschmissenes Geld“
Immer wieder auf den Tisch kommt das Thema ‚Energie‘. „3 Milliarden Euro, die Besitzer von Windkraftanlagen erhalten, deren Maschinen zurzeit nicht betrieben werden, halte ich für rausgeschmissenes Geld“, betont der Ministerpräsident. Vielmehr müsse man in Wasserstoff oder Off-Shore-Anlagen investieren, um erneuerbare Energien künftig günstig zu halten. „Wichtig sind dann natürlich Energiespeicher, deren Ausbau wir uns vermehrt widmen müssen, um die gewonnene Energie langfristig nutzen zu können“, so der SPDler. Die Förderung der energetischen Weiterentwicklung mithilfe staatlicher Steuergelder halte er dabei für sinnvoll, da erneuerbare Energien ein maßgeblicher Teil der Infrastruktur seien, welche die Bevölkerung mitfinanziere.
Förderung nur mit Tarif
Ähnlich komplex geht es im Gesundheitsressort zu, in welchem sich aktuelle Entscheidungen positiv für viele Arbeitnehmer:innen auswirken. „Investitionen zum Neu- oder Umbau von Pflegeeinrichtungen fördert man nur noch dann, wenn alle Angestellten nach Tarif bezahlt werden“, erläutert Weil. Dies komme dem Pflegepersonal zwar entgegen, minimiere aber die Gewinne. Als Chance sieht Ministerpräsident Weil deshalb das Interesse von Großkonzernen, die sich den Sanierungsmaßnahmen von Altenheimen widmen möchten.
Gesundheitsversorgung im Wandel
Besorgt ist man in Ritterhude auch um den Bestand des Osterholzer Kreiskrankenhaus und dessen Entwicklung. „Wir sehen uns momentan mit der Situation konfrontiert, dass die Anzahl an Patient:innen abnimmt, während das Angebot an ambulanter Betreuung kontinuierlich wächst“, fasst Stephan Weil zusammen. Ein vermeintlich positiver Trend, der die Regierung zur Umstrukturierung der regionalen Krankenversorgung zwingt. „In Zukunft wird es in Niedersachen acht Versorgungsregionen geben, die jeweils über einen Maximalversorger für schlimme Notfälle sowie kleinere Regel- und Grundversorger verfügen“, erklärt der Ministerpräsident das neue Konzept. Hierfür müsse künftig jedoch genauer geschaut werden, wo man welche Gruppe an Ärzten benötige. „Besonders wichtig ist, dass sich ländliche Regionen nicht abgehängt fühlen“, bemerkt er.
„Mehr kontrollierte, weniger irreguläre Zuwanderung“
Beim Thema ‚Integration‘ wünscht man sich verbindliche Kommunikationsbeauftragte, die Geflüchtete bei deren Arbeitssuche, aber auch in der allgemeinen Interaktion unterstützen. Dies sei Aufgabe der Kommunen, denen er genug Verantwortungsbewusstsein zutraue, erwidert Weil. Potenzial sieht der Abgeordnete wiederum bei der Arbeitsmarktintegration. „Dort müssen wir Zugewanderte bestmöglich integrieren, um den momentanen Fachkräftemangel aufzufangen“, resümiert der Ministerpräsident. Wichtig sei nicht zu viel Zeit für das schulische Lernen der neuen Sprache zu verschwenden, da dessen Aneignung meist einfacher über den aktiven Gebrauch erfolge. Durch eine zügige Arbeitsmarktintegration lasse sich zudem das Risiko für spätere Straftaten minimieren, erläutert Weil. „Ein Schlüsselweg sind deshalb mehr kontrollierte und weniger irreguläre Zuwanderungen“, so sein Fazit.
Weil sieht Standortschließung bei VW kritisch
„Deutschland muss weiterhin ein attraktives Industrieland bleiben, da ein Großteil unseres gesellschaftlichen Reichtums aus der Wirtschaft stammt“, erklärt Weil zu den aktuellen Sparmaßnahmen bei Volkswagen. Im Hinblick auf den drastischen Rückgang des Automarktes, das Erstarken digitaler Verkehrsangebote sowie den Boom in der E-Mobilität sehe sich der Konzern mit der Aufgabe konfrontiert, auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. „Die geplante Standortschließung einiger Werke halte ich nicht für die richtige Lösung“, so der SPDler. Im Bereich ‚Bildung‘ wünscht sich Weil die Gewährleistung einer digitalen Ausstattung aller Schüler:innen. Diese strebt der niedersächsische Politiker schon seit Beginn der Legislaturperiode an, da das Homeschooling während der Coronazeit einmal mehr gezeigt habe, wie notwendig der Zugang zu digitalen Endgeräten ist, so Weil abschließend.