Kommentar: Die Antisemiten dienende Menschlichkeit 

Patrick Viol 677

Patrick Viol kommentiert, inwiefern die deutsche Wohlfühlgedenkkultur Anteil an der linksantisemitschen Zusammenrottung an deutschen Unis hat.

Weltweit zeigt sich gerade, dass Denken und Handeln keinesfalls allgemein und verbindlich so eingerichtet sind, dass etwas Ähnliches wie Auschwitz sich nicht wiederholen könnte.

Weltweit zeigt sich gerade, dass Denken und Handeln keinesfalls allgemein und verbindlich so eingerichtet sind, dass etwas Ähnliches wie Auschwitz sich nicht wiederholen könnte.

Bild: Pvio

„Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“ - Formuliert wurde dieser kategorische Imperativ vom jüdischen Kritiker Theodor W. Adorno. Den Menschen „im Stande ihrer Unfreiheit“ aufgezwungen wurde er aber von jemand anderem: vom unmittelbar allgemeinen Deutschen, von Adolf Hitler.

Und obwohl der Imperativ der Vernunft unmittelbar einsichtig und er seit ca. 55 Jahren in der Welt ist; und obgleich er nicht nur in Kreisen linker Theorienerds, sondern seit vielen Jahren in Bildungsinstitutionen vermittelt und auf staatlichen Gedenkveranstaltungen wie zum 9. November mit den obligatorischen Krokodilstränen runtergebetet wird - weltweit zeigt sich gerade, dass Denken und Handeln keinesfalls allgemein und verbindlich so eingerichtet sind, dass etwas Ähnliches wie Auschwitz sich nicht wiederholen könnte. Denn es zeigt sich in erschreckendem Ausmaß, dass die Hamas - Hitlers palästinensische Erben, die am 7. Oktober das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoah begannen, um - nach eigenen Aussagen - Israel in einen permanenten Krieg zu stürzen, der auf die Vernichtung aller Juden auf der Welt abzielt, nicht auf ungebrochenen Widerstand trifft. Dabei ziele ich nicht auf Rechtsradikale ab. Deren Haltung ist nicht erschreckend.

Erschreckend ist, dass der Widerstand gegen etwas Ähnliches wie Auschwitz von jenen gebrochen wird, die sich dem Imperativ verpflichtet fühlen. Zum einen von der Bundesregierung. Sie findet zwar, wie Habeck mit seiner Online-Rede, starke Worte. Doch die wichtigen Taten bleiben aus. Sie hätte nicht nur bei den Vereinten antisemitischen Nationen (deren Menschenrechtsforum (!) gerade der Iran vorsitzt) gegen die Resolution stimmen müssen, die weder die Hamas als eindeutigen Aggressor verurteilt, noch deren Geiseln als solche bezeichnet und zu Israels Recht, sich zu verteidigen, schweigt. Sie hätte schon längst ihre Partnerschaft mit dem Iran, dem Finanzier und Partner der Hamas, beenden müssen. Stattdessen ist Deutschland nach wie vor dessen wichtigster Handelspartner - das Irans Waffenarsenal aufstockende Handelsvolumen ist im letzten Jahr gar gestiegen.

Zum anderen wird der Widerstand gegen Antisemitismus von jungen, an Unis und Kunsthochschulen eingeschriebenen, kultursensiblen, postkolonialen, (queer-)feministischen linken Menschen gebrochen. Nicht nur an amerikanischen, auch an deutschen Unis formiert sich ein jüdische Studierende bedrohender antisemitischer Mob, der - dumm, realitätsverzerrend und dem Ziel der Hamas dienlich - Israel vorwirft, etwas Ähnliches wie Auschwitz, einen „Genozid“ an den Palästinensern zu verüben. Dieser Mob besucht einerseits Seminare zu „struktureller Gewalt des Patriarchats“ und geht andrerseits mit offenkundigen muslimischen und islamistischen Antisemiten demonstrieren, reißt Plakate der Hamas-Geisel von Wänden, skandiert „Kindermörder Israel“ und - die Auflösung Israels fordernde Parole - „From the River to the Sea“.

Für diesen Wahnsinn trägt in Deutschland aber nicht nur die postkoloniale Theorie, deren immanenten Israelhass ich an anderer Stelle bereits dargestellt habe, die Verantwortung. Anteil an dieser linksantisemitschen Zusammenrottung hat auch die auf allgemeine Menschenwohlgefühligkeit heruntergekommene Gedenkkultur. Deren jedes Jahr wiedergekäuter gefühlsschwerer Appell an abstrakte Menschlichkeit, daran dass wir alle gleich und alle Gewalt und Kriege schlecht seien, hat dem Kampf gegen Israel hassende Antisemiten einen Bärendienst erwiesen. Auf dieser undifferenzierten, die Realität der Welt verdrängenden und den Blick der Linksantisemiten auszeichnenden Grundlage erscheint Israel immer als der Böse. Wenn alle Menschen gleich sind und alle Gewalt schlecht, ist der Böse, wer mehr Menschen tötet. Das weiß auch die Hamas und setzt es in Szene und die Welt fällt drauf rein.

Zugleich ist es moralisch wahr, dass wir alle gleich sind und Gewalt schlecht ist. Aber im „Stande der Unfreiheit“ sind wir ideologisch und politisch ungleich - manche lieben das Leben, andere den Tod - und Gewalt ist qualitativ verschieden - die eine - Israels- verteidigt ein freies Leben, die andere - die der Hamas - ist genozidal. Das heißt, ein Gedenken, das Ähnliches wie Auschwitz verhindern will, sollte aufhören, gefühlig zu menscheln, und stattdessen auf die Einrichtung eines Denkens zielen, das nicht nur die Toten zählt, sondern Handlungsmotive qualitativ zu differenzieren weiß und den Widerspruch aushält, dass die Verteidigung realer Freiheit und Gleichheit im Stande der Unfreiheit manchmal ein Handeln verlangt, das Gewalt einsetzen muss.