Kommentar: Element des Antisemitismus

Maximilian Klotz-Bockhorn 238

Der Berichterstattung zu Israels Krieg gegen die Hamas liegt vielfach ein antisemitisches Israelbild zu Grunde, kommentiert Maximilian Klotz-Bockhorn.

Bild: Bringthemhomenow.net

Am 7. Oktober 2023 verübten palästinensische Terroristen in Israel das größte antisemitische Massaker seit dem Holocaust. Mehr als 1.200 Menschen wurden grausam ermordet, 247 weitere nach Gaza verschleppt. Wie viele der noch 101 verbleibenden Geiseln am Leben sind, ist ungewiss. All dies stößt hierzulande jedoch kaum auf Anteilnahme. Nach nur kurzem Entsetzen über die palästinensischen Gräueltaten schlug die Stimmung mit Beginn der israelischen Gegenwehr vielmehr rasch ins Gegenteil um. Eigentlich Opfer, gilt nun Israel als Täter. Das Leid seiner Bevölkerung und die Taten der Palästinenser scheinen vergessen. Die israelische Selbstverteidigung gewinnt so den Anschein eines ungerechtfertigten, bösen Gewaltakts. Doch warum? Ein Blick in die mediale Berichterstattung, in der sich diese Stimmung widerspiegelt, hilft weiter.

Die Bilder darin sprechen meist eine klare Sprache: hier waffenstarrende israelische Soldaten, begleitet von unerbittlich rollendem und am Himmel kreisendem Kriegsgerät; dort Ruinen und Krankenhäuser, weinende palästinensische Kinder, wehklagende Mütter, Verletzte, Tote. Während also die Palästinenser mit aller menschlichstem Antlitz, als hilflose, leidende Opfer auftreten und das Mitgefühl des Betrachters erheischen, wird Israel zur anonymen und unbarmherzig Leid bringenden Übermacht stilisiert, kurzum: zum Täter erklärt. Diese Rollenzuweisung ist jedoch falsch. Denn ihr entgeht, dass Israel faktisch gar nicht der Angreifer ist, sondern andersherum seit seiner Gründung sich ständig gegen Angriffe - aus deren antisemitischen Motivation etwa Hamas und Hisbollah keinen Hehl machen - verteidigen muss. Als schuldig und böse dargestellt wird Israel also allein deshalb, weil es dem Israelbild der Autoren entspricht. In Verleugnung und Verdrehung historischer Tatsachen halten sie den jüdischen Staat für eine kriegstreibende, mörderische Besetzermacht und zeichnen ihn dementsprechend. Das haben sie mit der Hamas gemein. Doch warum? Die Antwort ist klar: Weil es ihnen ein Bedürfnis ist. Das projektive Verdrehen von Sachverhalten, die Täter-Opfer-Umkehr etwa im falschen Vorwurf, Israel betreibe einen Genozid in Gaza, während tatsächlich die Hamas einen Genozid an den Juden beabsichtigt, ist ein wesentliches Element des Antisemitismus. Der Antisemit unterstellt ‚dem Juden‘, was er insgeheim selbst ersehnt. So fabulierten etwa die Nazis von einer ‚jüdischen Weltverschwörung‘ und davon, dass ‚der Jude‘ das deutsche Volk ausrotten wolle, während eigentlich sie auf Weltherrschaft und Vernichtung aus waren.

Seit dem Holocaust tabuisiert, drückt Antisemitismus sich heute zumeist über den ‚Umweg‘ Israel aus. Auf den Judenstaat wird projiziert, was man sich über ‚den Juden‘ nicht mehr zu denken traut. Galten früher die Juden als Übel, tut es heute ihr Staat. Wurden sie im Neuen Testament beschuldigt, Christus, das Kind Gottes, ans Kreuz gebracht zu haben und in der mittelalterlichen Ritualmordlegende, nach dem Blut christlicher Kinder zu dürsten, wird heute Israel des Kindsmords geziehen - mediales Sinnbild hierfür: das blutende, gar tote palästinensische Kind.

Die antisemitische Projektion ist pathisch, der Erfahrung nicht zugänglich: Jeder Widerspruch wird in das über die Welt gelegte antisemitische Deutungsraster integriert. Das erklärt, warum jenes Israelbild so immun gegen Kritik ist: Es hat keinen rationalen Grund und kann daher auch nicht entkräftet werden. Aus diesem Kreis führt kein Weg hinaus - es sei denn, er zerbricht.