Mit dem Feind alleingelassen - Der Antizionismus der UN

Patrick Viol 542

Die Vereinten Nationen gelten als moralische Autorität, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt. Davon ausgenommen ist immer wieder Israel.

Hier decken sich Autokratien und Diktaturen gegenseitig: im UN-Menschenrechtsrat, dem UNHRC.

Hier decken sich Autokratien und Diktaturen gegenseitig: im UN-Menschenrechtsrat, dem UNHRC.

Ein Kommandeur des israelischen Rettungsdienstes ZAKA schildert dem israelischen Parlament die Gräuel, die er als Ersthelfer am 7. Oktober entdecken musste. Er spricht langsam und ruhig. Von sexualisierter Gewalt, von einer toten nackten Frau mit einem scharfen Gegenstand in ihrem Intimbereich. Er spricht von kopflosen Leichen, von abgetrennten Kinderschädeln. Je länger er erzählt, desto brüchiger wird seine Stimme. Man sieht und hört ihm an, wie ihn die Bilder in seinem Kopf überwältigen.

Dr. Cochav Elkayam Levy von der Universität Pennsylvania und Mitglied der Zivilkommission zur Aufarbeitung der Verbrechen vom 7. Oktober berichtet in einem Interview von einem Video, das sie gesehen hat. Sie erzählt von einem Hamas-Terroristen, der eine schwangere Frau foltert, ihr den Fötus aus dem Bauch schneidet und ihr eine Brust abtrennt.

Das Video ist Teil einer verifizierten 45-minütigen Zusammenstellung von Videos, die bei den Massakern gedreht wurden und die bislang nur einigen Journalisten und Politikern gezeigt wurde.

Der Kommandeur und die Professorin geben nur einen kleinen Einblick in die unausdenklich grauenvolle Gewalt, die Hamas-Terroristen über Jüdinnen und Juden am 7. Oktober brachten. Die beiden Frauen sind zwei von vielen sadistisch vergewaltigten und getöteten Frauen. Das belegen Zeugenaussagen und DNA-Untersuchungen. Überlebende, aber auch gefangen genommene Terroristen berichteten von diesen Taten bereits unmittelbar nach dem 7. Oktober.

 

Das der Hamas dienende Schweigen

 

Die Frauenrechtsorganisation der UN hat lange zu den Gewalttaten der Hamas geschwiegen. Erst nach acht Wochen hat sie die „brutal attacks by Hamas“ verurteilt. Trotz der Augenzeugenberichte, die seit #Metoo gelten sollen, trotz der entführten Frauen und Kinder hat UN Woman den Opfern vom 7. Oktober, für die die Organisation ihrem Anspruch nach eintreten müsste, keine Stimme gegeben. Aufmerksam hat UN Women allein auf das Leid der Palästinenserinnen in den „besetzten Gebieten“ gemacht, dort, wo Israel die Hamas bekämpft; dort wo Israel 2005 abgezogen ist.

Dennoch: Eine eindeutige Verurteilung der Hamas wegen der von ihnen begangenen sexualisierten Gewalt stellt die Erklärung nicht dar. Man sei „alarmiert“ aufgrund der Berichte über sexualisierte Gewalt. Raum für Spekulation wird gelassen.

Und der fällt zugunsten der Lügen der Hamas aus - dazu muss man sich nur den propalästinensischen Instagramkanal Middle East Eye mit 1,2 Millionen Followern anschauen. Hier finden sich tausende Kommentare von Menschen aus aller Welt, die wie die Hamas behaupten, die Hamas wären die „good guys“ und die Massaker vom 7. Oktober hätten die Israelis selbst begangen. Unter Videos über die Freilassung der israelischen Geiseln finden sich unzählige Kommentare mit der Behauptung, die Hamas habe den entführten Kindern „Manieren“ beigebracht und die Frauen gut behandelt. Die Begründung: das schreibe der Islam so vor. Das Gegenteil ist der Fall. Es stimmt zwar, dass die Geiseln bei Ihrer Freilassung außergewöhnlich entspannt wirkten. Sie haben zuvor aber Beruhigungsmittel gegen Angststörungen vom Typ Rivotril verabreicht bekommen, so die Leiterin der allgemeinmedizinischen Abteilung im israelischen Gesundheitsministerium, Hagar Mizrachi nach den Untersuchungen der Geiseln. Und die „Times of Israel“ berichtet, dass Belege von Vergewaltigungen während der Gefangenschaft vorlägen.

Damit zeigt sich: Das Schweigen von UN Women unterminiert nicht nur die Glaubwürdigkeit ihres Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen. Ihr Schweigen dient auch der Propaganda der Hamas. Damit fällt sie aber nicht aus dem generellen Verhalten der UN heraus. Sie ist damit vielmehr auf deren Linie: Auch die Generalversammlung wie der Menschenrechtsrat kommen nicht dazu, die Hamas als solche zu verurteilen. Das heißt: Dass die Hamas von Tausenden auch im Westen als Befreiungsorganisation und nicht als genozidale Vorhut des Irans gesehen wird, dazu trägt auch bei, dass sie auf wichtigen Ebenen der UN nicht eindeutig als antisemitische Terrororganisation verurteilt wird. Denn für viele Menschen, auch das zeigt sich in den Untiefen der linken und Sozialen Medien, ist die UN eine Institution von moralischer Autorität, da sie sich für Frieden und Menschenrechte einsetze. Das steht ja auch so in ihrer Charta. Wer von ihr verurteilt wird, ist böse, wer nicht, kann zumindest nicht ganz böse sein.

 

Mehrheit der Autokratien

 

Dabei ist das ein absoluter Trugschluss. An der Praxis der UN konnte man sich aus einer an Menschenrechten und Frieden orientierten Perspektive vielleicht bis Anfang der 1950er Jahre orientieren. Damals nämlich, als die UN den Teilungsplan für die Verwirklichung des Staates Israel beschlossen, waren die Demokratien noch in der Mehrheit. Heute aber ist das nicht der Fall. Die Mehrheit haben seit der Auflösung der Kolonien autokratische Staaten inne. Und so verhält es sich z. B. auch im Menschenrechtsrat der UN, im UNHRC. Hier sitzen u. a. China, Kuba, Pakistan, Katar, Vietnam, der Sudan und Eritrea.

Dass diese Staaten, die ihrerseits gegen Menschenrechte verstoßen und ihre eigenen Bevölkerungen malträtieren, auf der Ebene internationaler Konflikte zu Urteilen gelangen, die dem Weltfrieden dienen sollen, ist mehr als fraglich. Nur stellen viele vermeintlich kritische und um das Wohl der Menschheit fürchtenden Menschen die Frage nicht. Täten sie es, würden sie erkennen, dass der UNHRC eine Farce ist: Hier decken autoritäre Staaten und Diktaturen „ihre eigenen Menschrechtsverletzungen gegenseitig und sorgen dafür, dass selbst schlimmste Verbrechen unerwähnt bleiben“, so Florian Markl, Politikwissenschaftler und Verfasser des Buches „Vereinte Nationen gegen Israel“.„Statt einer Institution zum Schutz der Menschenrechte ist der UNHRC eine Bühne für die Simulation von Menschenrechtsengagement von Diktaturen aller Art, die den Westen an den Pranger stellen“, so Markl in der Wochenzeitung „Jungle World“.

Entsprechend ist es zum einen kein Wunder, dass auch der UNHRC bis heute keine Erklärung verfasst hat, die das Verbrechen Hamas - ihr antisemitisches Blutbad - als einen Terrorakt verurteilt. Zum anderen wundert es nicht, dass es nicht wenige friedensbewegte Antirassiten gibt, die sich mit der Hamas verbunden fühlen, bzw. ihre Wut und Trauer über den Krieg nicht an die Terrororganisation richten - mit der Absegnung der internationalen Gemeinschaft. In der von arabischen Staaten eingebrachten Resolution nach dem 7. Oktober zum Krieg gegen die Hamas wird die Hamas oder ihre Verantwortung für den Großangriff auf Israel am 7. Oktober mit keinem Wort erwähnt, auch die Geiseln werden nicht als solche bezeichnet.

 

Dämonisierung Israels

 

Aber nicht nur die Generalversammlung auch der Generalsekretär Antonio Gueterres hält sich mit klaren Worten gegenüber der Hamas zurück. Dabei hatte Israel ihn bei seiner Ernennung 2017 noch als faire Stimme gehandelt. Aber wie die UN, die in den 1970er Jahren unter den leidenden Ethnien der Welt nur für das „palästinensische Volk“ einen internationalen Tag der Solidarität am 29. November ausgerufen haben, während z.B. an den Rohingya in Myanmar, den Uiguren im Nordwesten Chinas oder den Yeziden im Irak ein Völkermord begangen wurde bzw. wird, verspürt auch ihr Generalsekretär eine antizionistische Sympathie für die Palästinenser, die ihn zur Hamas schweigen lässt, wenn es darauf ankäme, sie zu verurteilen. In seiner Rede zum Pali-Solidaritätstag 2022 z. B. benennt er mit keinem Wort die Terrororganisation als Grund des Leids der Palästinenser. Er kritisiert weder, dass sie die soziale Infrastruktur für ihren antisemitischen Krieg missbraucht, noch dass sie in Schulen der UNRWA, der Flüchtlingsorganisation allein für Palästinenser, Kinder zu Terroristen erzieht und ebenso wenig, dass sie „ihrem Volk“ nichts von der internationalen Unterstützung angedeihen lässt. Als Quelle palästinensischen Leids sieht Gueterres allein Israel.

Diese Einseitigkeit der negativen Haltung gegenüber Israel erweist sich praktisch als Antisemitismus, wenn Gueterres jetzt mit einer Ausnahmeklausel den Sicherheitsrat damit beauftragen will, Druck auf Isreal auszuüben, seinen Krieg gegen die Hamas zu beenden, während der Sicherheitsrat gegen die Stimmen der USA im Oktober das Raketenembargo gegen den Iran hat auslaufen lassen, wovon der von Hamas ausgerufene „Vernichtungskrieg gegen Israel“ wiederum profitieren wird. Gueterres Manöver ist zwar nur symbolisch. Aber das Symbol ist, da „es nicht in einem Vakuum“ erzeugt wurde: Israel ist gefährlicher als der Iran, obwohl dieser Israel vernichten will und seine Bevölkerung mit islamistischem Tugendterror unterdrückt - das Symbol ist eine Dämonisierung Israels.

 

Der Jude unter den Staaten

 

Diese Dämonisierung geht auch vom UNHRC aus, vom Menschenrechtsrat der UN. Schenkt man dieser Institution unkritischen Glauben, dann ist Israel das schlimmste Land auf der Welt. Von ihrer Gründung 2006 bis heute richten sich 104 Resolutionen gegen Israel. Nimmt man die Verurteilungen der Generalversammlung hinzu, sind es 244. Demnach begehe die einzige Demokratie im Nahen Osten mehr Menschenrechtsverletzungen als der Rest der Welt zusammen. Mehr als Syrien (43 Verurteilungen) oder der Iran (14 Verurteilungen). Mehr als China (keine).

Diese Einseitigkeit zeigt sich auch an den Untersuchungskommissionen des UNHRC. Während alle anderen anlassbezogen und zeitlich begrenzt arbeiten, gibt es eine ständige „Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete“.

Dass sich vor diesem Hintergrund eine Woche vor dem 9. November der israelische Botschafter Gilad Erdan vor dem UN-Weltsicherheitsrat einen gelben Stern, angelehnt an den „Judenstern“ in Nazideutschland, angesteckt hat, ist nachvollziehbar: Israel wird von der internationalen Gemeinschaft wie der böse Jude behandelt und mit seinen antisemitischen Feinden alleingelassen. Wie die Deutschen sich durch ihren Antisemitismus zum Volk vereinten, so scheint die Gemeinschaft der Vereinten Nationen des Antizionismus zu bedürfen. Bei allen Konflikten zerstritten, ist sie sich bei Israel mehrheitlich einig.

Das „Never again“ im Stern signalisierte aber: dieses Mal kann und wird man sich verteidigen.