Sarahs Nachtgeschichten: Mehr allein ist man eher beisammen
Freitag 21:39 in ganz Deutschland sitzen Millionen von Menschen allein in ihren Wohnräumen. Vor dem Fernseher, Tablet, PC. Manche vielleicht mit Buch auf dem Sofa. Seit Jahren wird über die weitergehende Vereinzelung der Menschen gesprochen. Die alten, festen Gefüge sind aus der Form geraten. Die Menschen vereinzeln in ihrem viel zu teuren Wohnraum und kennen die Nachbarn nicht mehr. Ich will mich da gar nicht drüber lustig machen; Statistiken belegen seit Jahren, dass die Menschen sich immer einsamer fühlen.
Ich sehe nur kein Problem darin. Beziehungsweise das Problem an einer ganz anderen Stelle liegen. Es ist eigentlich nicht eine immer stärker vereinzelnde Gesellschaft. Sondern dass die Leute nie gelernt haben, mit sich selbst allein zu sein.
Ihnen fällt nix ein, was sie mit sich selbst anfangen könnten, deshalb suchen sie die Gesellschaft anderer. Um langweilige Gespräche über das Wetter, den Sommerurlaub und die Erfolge der Kinder zu führen. Die sie eigentlich auch gar nicht so richtig interessieren. Aber alles ist besser, als allein zu sein. Warum eigentlich? Ich habe das nie verstanden. Es ist so viel besser, allein zu sein, als sich mit Menschen zu umgeben, zu denen eigentlich keinerlei Verbindung besteht. Das ist nicht nur langweilig, wie eingangs behauptet, sondern fühlt sich für mich viel einsamer an. Und ich bin überzeugt davon, dass es allen anderen da eigentlich nicht anders geht. Sie übertönen dieses Gefühl nur mit möglichst vielen Worthülsen. Ständiges Geplapper, um ja nicht einmal in sich hineinfühlen zu müssen.
In der schlecht gealterten, aber trotzdem ins popkulturelle Gedächtnis eingegangenen Serie How I met your Mother gibt es eine Folge über Whooo-Girls. Das sind Frauen, die sich witzige Partyhütchen aufsetzen, in sexy Outfits ausgehen und trinken, und eben dabei laut whooo rufen. Wir lernen, dass sie dies tun, weil sie eigentlich einsam sind.
Ähnlich verhält es sich mit den typischen Wochenendaktivitäten: Grillen mit den Nachbarn, seltsame Stadtfeste besuchen und Bratwurst essen, sonntags Spazierengehen und die Speisekarten von geschlossenen Restaurants studieren. Gespräche führen, die einen an der grundlegenden Intelligenz der eigenen Spezies zweifeln lassen: „Da drüben steht eine Kastanie‘, „früher war hier ein Bäcker“, „das Haus ist ja grün“. Stating the obvious. Was antwortet man darauf? Ich weiß es bis heute nicht.
Wie viel angenehmer ist es da, nicht sonntägliche Spaziergänge durch geschlossene Fußgängerzonen mittelgroßer deutscher Städte machen zu müssen. Sondern gemütlich im geblümten Bademantel auf dem Balkon einen Kaffee zu viel zu trinken, den Vögelchen beim Singen zuzuhören und sich selbst etwas Schönes zu Essen zu kochen. Oder sich sonst etwas Gutes tut. Gedichte auswendig lernen, Twerking von TicToc lernen, oder einfach mal hinsetzen und über sich selbst und das eigene Leben nachdenken. In aller Ruhe, nur für sich. Grüblerische Zurückgezogenheit könnte vielen Menschen gut tun.