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Monika Hahn

Diskussion über Katastrophen- und Zivilschutz an Schulen

Bundeswehrsoldaten im Klassenzimmer? Lokale Bildungsexperten stehen dem kritisch gegenüber.

Ob künftig Zivilschutzübungen von Bundeswehrsoldaten an Schulen durchgeführt werden, ist umstritten.

Ob künftig Zivilschutzübungen von Bundeswehrsoldaten an Schulen durchgeführt werden, ist umstritten.

Bild: Joerg Huettenhoelscher

„Zivilschutz ist immens wichtig, er gehört auch in die Schulen“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in einem Interview der Berliner Morgenpost Mitte März. Lokale Bildungsexperten stehen dem kritisch gegenüber.

Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, traumatisier, aus der Ukraine geflüchteter Kinder in unseren Schulklassen und nicht zuletzt zunehmender Bedrohung durch Naturkatastrophen rückt das Thema Zivil- und Katastrophenschutz auf die Agenda der Politik.

Zivilschutz ist dabei laut Bundesinnenministerium definiert als Maßnahme zum Schutz vor kriegsbedingten Gefahren. Die Bundesbildungsministerin schätzt das Gefahrenpotenzial kriegerischer Auseinandersetzungen hierzulande als groß ein. Demzufolge zeigte sich die Ministerin offen für Besuche von Jugendoffizieren in Schulen.

Mit diesen Äußerungen hat die Ministerin nun eine Debatte über durchzuführende Zivilschutzübungen an Schulen angestoßen. Unerwähnt ließ sie, wer genau für die Schulungen in Sachen Zivilschutz zuständig sein sollte. Nicht zuletzt deshalb kam schnell die Bundeswehr als durchführender Partner ins Gespräch, auch wenn die Ministerin das so nicht gesagt hatte.

Weitere Bedrohungsszenarien können von Naturkatastrophen oder Seuchen ausgehen, die angesichts von Klimawandel mindestens genauso realistisch erscheinen. Was halten regionale Bildungsexperten von der Diskussion?

 

Bundeswehr gehört nicht an die Schule

 

„Die Bundeswehr gehört nicht in dieser ritualisierten Form in die Schule. Wir sollten uns davor hüten. Viele totalitären Systeme haben die Anwesenheit von Streitkräften im Klassenzimmer von 12-jährigen implementiert. Was die Bundeswehr sucht, ist Nachwuchs“, sagt Michael Guder vom Landeselternrat und selbst Ex-Soldat. Der Ehrenamtliche, der jede Woche rund 40 Stunden für seine Tätigkeit im Landeselternrat aufbringt, bezweifelt zudem die Durchführbarkeit. Es gäbe nicht ausreichend im Zivil- und Katastrophenschutz ausgebildete Bundeswehrangehörige mit pädagogischer Eignung, die Übungen in dieser Quantität durchführen könnten. Das Thema Katastrophenschutz hält auch er für bedeutsam, sehe allerdings die Kompetenz zur Durchführung von Übungen bei den örtlichen Behörden für Katastrophenschutz, begleitet von den Fachkräften aus der Feuerwehr dem Rettungswesen und dem Technischen Hilfswerk.

 

Nicht unnötig Ängste schüren

 

Ganz ähnlich äußert sich Dr. Ugurcu, Schulleiter des Gymnasiums in Lilienthal. „Wir sollten vermeiden, unnötig Ängste bei den Schülerinnen und Schülern zu schüren. Pädagogisch ist das nicht sinnvoll. Ich sehe derzeit keine Notwendigkeit auf dieser breiten Ebene für solche Zivilschutzmaßnahmen“. Das Thema Katastrophenschutz hingegen sei an seinem Gymnasium bereits den Unterricht ergänzender Inhalt. „Wir führen beispielsweise Brandschutzübungen durch und arbeiten dabei gut mit der Feuerwehr zusammen.“ Generell ließen sich in dem Bereich viele Maßnahmen mit Unterstützung der Feuerwehren, des Technischen Hilfswerkes oder des Deutschen Roten Kreuzes durchführen.

 

Gegen Wehr- und Kriegsertüchtigung

 

Die Gewerkschaft für Bildung und Wissenschaft sieht das Thema auch in Hinblick auf die Problematik der Gewalt an Schulen äußerst kritisch. Das Thema sei durch die Geflüchteten ukrainischen Kinder mit Kriegserfahrungen bereits länger in den Schulen präsent. Die GEW Niedersachsen spreche sich massiv gegen Wehr- und Kriegsertüchtigung in den Schulen aus. Es bedürfe keiner Einübung konkreter Verhaltensmaßnahmen im Konfliktfall. „Wir haben die Pflicht, die Kinder darauf vorzubereiten, sich mit Konflikten auseinanderzusetzen“, sagt der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer. „Das geht aber auch wunderbar im Rahmen des normalen Unterrichts oder innerhalb von Projektwochen. Gegen eine kritische Auseinandersetzung mit der Bundeswehr in den niedersächsischen Schulen ist grundsätzlich nichts einzuwenden.“ Die Bildungsgewerkschaft lehne strikt ab, dass diese Besuche institutionalisiert werden, indem die Bundeswehr Klasse für Klasse „durchkämme“.

 

Zeitgleiche Umsetzung an allen Schulen

 

Demgegenüber spricht sich Stefan Dilbat von der IGS Osterholz-Scharmbeck vorsichtig für eine institutionalisierte Durchführung solcher Maßnahmen aus. „In Bezug auf die Durchführung von Zivilschutzübungen an Schulen sehen wir eine potenzielle Relevanz, jedoch sollte eine solche Maßnahme von staatlicher Seite verordnet und von allen Schulen zeitgleich umgesetzt werden, um einen maximalen Effekt zu erzielen. Es ist wichtig, dass alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen auf mögliche Notsituationen vorbereitet sind“, so Dilbat.


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