Ralf G. Poppe

Ende mit Nadel und Faden

Nach 76 Jahren schließt die traditionsreiche Schneiderei Rosanowitsch in Kuhstedt – ein Rückblick auf Handwerkskunst, Familiengeschichte und gelebte Dankbarkeit.

Kuhstedt.

Familienbetrieb mit Geschichte

Vater Stefan Rosanowitsch gründete 1949 in Kuhstedt eine Schneiderei für Maßkonfektionen, Änderungen und Reparaturen – auch für Leder- und Pelzwaren. Sein Sohn Ulli führte den Betrieb ab 1979 gemeinsam mit Ehefrau Rita fort, stets mit neuen Ideen und stetiger Weiterentwicklung. Zum 31. März schließt die Schneiderei Rosanowitsch nun endgültig ihre Türen.

 

Der Weg ins Handwerk

Mit bald 74 Jahren möchte Ulli Rosanowitsch kürzertreten. Seine Ausbildung zum Herrenschneider absolvierte er in den frühen 1970er Jahren in Sittensen. Es folgte der Meisterbrief als Bekleidungstechniker, erworben von 1975 bis 1977 in Aschaffenburg. 1977 heiratete er Rita, die als Näherin im Betrieb mitarbeitete.

 

Arbeitsklima und Loyalität

„Es hat die ganzen Jahre sehr viel Spaß gemacht. Es war zwar anstrengend, manchmal auch stressig, aber wir hatten immer sehr liebe Mitarbeiter“, erzählt Rita. Zu Spitzenzeiten arbeiteten fast zehn Personen im Betrieb, inklusive Familie. Eine Mitarbeiterin war ganze 50 Jahre dabei – sie begann noch bei Stefan Rosanowitsch. Viele blieben über Jahrzehnte: eine 40 Jahre, andere mindestens 30. „Wir hatten mit allen ein gutes Verhältnis“, so Rita.

Ulli ergänzt: „Mein Großvater war ebenfalls Schneider, allerdings in Jugoslawien.“ Sein Vater Stefan kam nach dem 2. Weltkrieg als Sanitäter nach Deutschland. Eine von ihm gepflegte Person lud ihn nach Kuhstedt ein, wo er zunächst in der Landwirtschaft arbeitete – dort lernte er seine spätere Frau Wilma Baack kennen. Später legte er in Neumünster seine Meisterprüfung als Schneider ab.

 

Kunden aus ganz Norddeutschland

Mitte der 1960er eröffnete Stefan Rosanowitsch eine Filiale in Osterholz. In den 1990ern folgte eine weitere in Zeven, geführt von Ulli. Die Hauptarbeit erfolgte stets in Kuhstedt. „Früher fertigten wir viele Maßkonfektionen – auch für große Firmen“, erinnert sich Ulli. Darunter die Jeansmarke Paddocks aus Bremen. Genäht wurde in Kuhstedt, gewaschen in Hamburg, zurück nach Bremen, dann zu den Vertretern. Auftraggeber waren auch Karstadt, Firmen aus Hamburg oder Steilmann Damenbekleidung aus Wattenscheid.

Ein Auftrag des Modehauses Boecker in Essen führte Ulli wöchentlich nach Münster und Essen: „Dienstags früh los, 9 Uhr in Münster, dann nach Essen, und nachmittags wieder zurück, um gleich mit der Arbeit zu beginnen.“ Nach Boeckers Schließung kam Dodenhof – über 40 Jahre lang. Dreimal pro Woche wurden 100 bis 200 Kleidungsstücke angeliefert. Weitere Kunden: Stackmann (Buxtehude) und Mohr (Dollern). Auch viele Bräute kamen mit ihren Kleidern nach Kuhstedt.

Zuletzt führten Rita und Ulli den Betrieb allein – für Motorradfahrer, mit Lederreparaturen, Reißverschlüssen und sogar Zeltarbeiten. Kundschaft kam aus Cuxhaven, Syke und Rotenburg. Am Montag, 31. März, ist endgültig Schluss. Der Gewerbeschein wird abgegeben, Stoffreste ausgeräumt.

 

Dank und Rückblick

„Wir möchten uns herzlich bei allen Kunden, Freunden und unserer Familie bedanken“, sagen Rita und Ulli. Besonders stolz sind sie auf ihre Töchter Verena (*1980, Apothekeri, mit Filialleitung der Paulus Apotheke in Gnarrenburg) und Myriam (*1990, Physiotherapeutin mit eigener Praxis). Beide wählten eigene Wege, worüber die Eltern froh sind: „Heute ist es schwer, vom Schneiderhandwerk zu leben.“

Doch das Leben bestand nicht nur aus Arbeit: Ulli war von 1981 bis 2022 Vize-Präsident im Augustendorfer Karnevalsverein, seine Frau und Töchter tanzten im Verein. Die Schneiderei fertigte die Kostüme. Zudem war Ulli 37 Jahre im Präsidium des Karnevalsverbands Niedersachsen – heute ist er Ehrenmitglied. Seine Karnevalsuniformen? Natürlich selbst geschneidert.


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