
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Die Ermittlungen müssten fortgesetzt werden, fordern sowohl die BI als auch der Flüchtlingsrat und zweifeln damit offenbar an der Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass es sich bei dem Vorfall in der Flüchtlingsunterkunft, bei dem ein psychisch kranker 19-Jähriger ums Leben kam, um Notwehr gehandelt habe. Es werde begrüßt, dass der Anwalt des Bruders erneut Einspruch erhoben habe.
In einer gemeinsamen Presseerklärung berufen sich beide unter anderem auf einen Artikel aus dem Stader Tageblatt, in dem sich nach der Aussage des Schützen, der sich erst im Zuge der erneuten Ermittlungen geäußert habe, neue Erkenntnisse ergeben hätten. Der Berichterstattung sei aber nicht zu entnehmen, um welche Erkenntnisse es sich genau handele.
Kein Interesse an gründlicher Aufklärung?
„Es ist empörend, dass die Staatsanwaltschaft Stade offenbar kein Interesse an einer gründlichen Aufklärung der Umstände hat, durch die ein geflüchteter Jugendlicher bei einem Polizeieinsatz getötet wurde“, sagt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat.
So bleibe weiter offen, warum der Polizist die Tür zum verschlossen Raum aufgetreten habe, obwohl Aman Alizada allein im Raum gewesen sei und weder sich noch andere gefährdet habe. Das offenbar bewusste Herbeiführen einer Eskalation durch den Polizisten, welches erst die unterstellte Notwehrsituation erzeugt habe, kommentiere die Staatsanwaltschaft zwar mit den Worten, dass die taktische Rechtfertigung bzw. Klugheit des Handelns hinterfragbar sein könnte, dass dieses aber nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Damit stelle sie einen Freibrief für polizeiliches Handeln aus und sende ein fatales Signal an die Bevölkerung.
Es überrasche, dass sich im Einstellungsbescheid erneut kein Wort zum Schusswinkelgutachten befinde, so Walbrecht weiter. Dieses ließe nämlich nur den Schluss zu, dass sich Aman Alizada zum Zeitpunkt seines „Angriffes“ auf dem Boden liegend oder hockend befand.
Deeskalierendes Handeln fördern
Wissend, dass Polizeiarbeit häufig in nicht eindeutigen und schwierigen Situationen stattfinde, erwarte man von den zuständigen Stellen eine solide Aus- und Weiterbildung, die die Beamt:innen genau für solche komplexen Lagen qualifiziere und auch, dass die Polizeiführung und die Staatsanwaltschaft besonnenes und deeskalierendes Handeln fördern und falschen Zusammenhalt (Korpsgeist) nicht mittragen, sondern unterbinden sollten.
Unabhängige Ermittlungsstelle
Dafür brauche es auch eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle. „Gerade, weil wir als demokratische Gesellschaft eine gut funktionierende Polizei brauchen, brauchen wir die Sicherheit, dass dieses Gewaltmonopol keinesfalls missbräuchlich genutzt wird“, unterstreicht Barbara Erhardt-Gessenharter von der BI Menschenwürde.