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Pleiten in der Pflege

Mehrere Pflegeeinrichtungen in der Region haben finanzielle Schwierigkeiten - teilweise mit schwerwiegenden Folgen für Bewohner:innen und Angestellte.

Foto: freepik/macrovector

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Immer mehr Pflegeeinrichtungen rutschen in die Zahlungsunfähigkeit. In einigen Fällen - wie der Convivo Gruppe aus Bremen - können Schließungen vermieden werden. Andernorts müssen Bewohner:innen spontan umziehen und Mitarbeiter:innen sind plötzlich arbeitslos.

Die Pleite der Convivo Gruppe aus Bremen macht seit Wochen Schlagzeilen. Am 1. April wurde das Insolvenzverfahren, das 58 Gesellschaften der Unternehmensgruppe umfasst, offiziell eröffnet. Mehr als 100 Pflegeeinrichtungen und rund 4.800 Mitarbeitende zählte Convivo zu Beginn des Jahres.

 

Betrieb geht vorerst weiter

 

Die Pflegeheim-Gruppe betreibt auch mehrere Häuser in der Region, dazu zählen der Convivo Park in Schwanewede sowie zwei Seniorenhäuser und eine Tagespflege in Rotenburg. Für die Bewohner:innen und Patientinnen konnten die vorläufigen Insolvenzverwalter Ende März vorerst Entwarnung geben: Der Betrieb sei auch über den Beginn des Insolvenzverfahrens gesichert, teilten die Anwälte Dr. Malte Köster und Dr. Christoph Morgen mit. Sie führen derzeit nach eigenen Angaben Gespräche mit Interessenten, die einzelne Einrichtungen übernehmen könnten. Eine Übernahme der gesamten Gruppe zeichne sich allerdings nicht ab.

„Für erste Einrichtungen gibt es bereits finale Einigungen mit neuen Betreibern, bei anderen befinden wir uns in fortgeschrittenen Verhandlungen zu Detailfragen oder stehen kurz davor“, teilen Köster und Morgen mit. Sie seien zuversichtlich, „für nahezu alle Einrichtungen mit laufendem Wohn- und Pflegebetrieb Zukunftsperspektiven aufzeigen zu können“. Zu Details oder Zeitplänen könne man sich noch nicht äußern, da die Rahmenbedingungen der einzelnen Standorte sehr unterschiedlich seien, heißt es in der Stellungnahme der beiden Kanzleien.

 

Investoren planen ohne Convivo weiter

 

Convivo war auch als Betreiber für zukünftige Einrichtungen im Landkreis Osterholz angedacht: In Lilienthal will die Firma M-Projekt - die gemeinsam mit Convivo auch den Seniorenpark in Schwanewede gebaut hat - in der Straße Am Holze eine große Wohnanlage errichten. Dieser Plan soll nun mit einem anderen Betreiber umgesetzt werden. In Grasberg liegt bereits seit zwei Jahren die Baugenehmigung für eine Einrichtung mit 107 Plätzen an der Speckmannstraße vor. Das Projekt liegt wegen gestiegener Baukosten auf Eis, die Investoren sind aber bereits auf der Suche nach anderen Betreibern.

 

„Zwei Eichen“ lässt Belegschaft im Regen stehen

 

Weniger Glück hatten Bewohner:innen und Angestellte des Pflegeheims „Zwei Eichen“ in Selsingen. Der Betreiber kündigte überraschend - und viel zu spät - an, dass der Betrieb zum 31. März eingestellt wird. Dass für die 16 Bewohner:innen kurzfristig neue Plätze gefunden werden konnten, grenzt an ein Wunder und kostete Angehörige, Betreuende und Mitarbeitende schlaflose Nächte. Viele Pflegeheime kämpfen mit Personalmangel und können deshalb keine weitere Patientinnen aufnehmen.

Betreiber von Pflegeheimen sind gesetzlich verpflichtet, mindestens drei Monate im Voraus darüber zu informieren, wenn die Versorgung in ihrer Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann. Sie sind in diesem Fall auch dafür zuständig, neue Plätze für die Bewohner:innen zu suchen. Dieser Pflicht kam der Betreiber von „Zwei Eichen“ nicht nach. Die Kreisverwaltung in Rotenburg kündigte an, die Situation nun aufarbeiten und auch ordnungs- oder strafrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen prüfen zu wollen.

Ehemalige Mitarbeiter:innen des Pflegeheims in Selsingen erfahren laut Berichten der Bremervörder Zeitung ebenfalls keine Unterstützung von ihrem Ex-Arbeitgeber. Das Gehalt für den Monat März sei nicht gezahlt worden, eine schriftliche Kündigung liege ebenfalls nicht vor. Informiert worden seien sie einen Tag vor der Schließung telefonisch, berichten Mitarbeiter:innen gegenüber der Bremervörder Zeitung. Seitdem seien die Verantwortlichen der Betreibergesellschaft nicht mehr zu erreichen.

 

Bleiben Plätze leer, fließt kein Geld

 

Auf einen neuen Job werden sie vermutlich nicht lange warten müssen: Die Branche leidet extrem unter Fachkräftemangel. Darin liegt auch einer der Gründe, warum Pflegeeinrichtungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Es gibt gesetzlich festgelegte Personalschlüssel, die eingehalten werden müssen, um einen Pflegeplatz belegen zu dürfen. Fehlt das Personal, bleiben Plätze leer und es fließt kein Geld. Die Pflegesätze und Zusatzkosten werden zwischen Betreibern und Kostenträgern - Pflegekassen und Sozialhilfeträger - für zwölf Monate im Voraus ausgehandelt. Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass 90 bis 95 Prozent der vorhandenen Plätze belegt werden können. Convivo etwa hatte eine geringe Auslastung von 70 Prozent als Grund für die Insolvenz genannt.

Die Kostenerstattung durch die Kassen sowie individuelle Zuzahlungen der Bewohner:innen sind die einzigen Einnahmequellen für Betreiber von Pflegeheimen. Neben freibleibenden Plätzen stellen unerwartete Kostensteigerungen, wie sie seit Beginn des Ukraine-Krieges an der Tagesordnung sind, ein weiteres unternehmerisches Risiko in der Branche dar. Geht die Kalkulation nicht auf, können Betreiber Nachverhandlungen fordern - dieser Wunsch wird aber in der Praxis nicht immer erfüllt.


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