Alle wollten mehr
Die vorgezogene Bundestagswahl brachte starke Verluste für die SPD, einen historischen Erfolg für die AfD und ein knappes Scheitern der FDP, während sich die Union als stärkste Kraft behauptete - lesen Sie hier die Reaktionen der Direktkandidaten vor Ort.
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl erzielte die CDU/CSU mit 28,52% der Zweitstimmen den größten Stimmenanteil und sicherte sich 208 der insgesamt 630 Sitze im Deutschen Bundestag. Die AfD erreichte mit 20,8% ihr bisher bestes Ergebnis und stellt nun 152 Abgeordnete. Die absolute Mehrheit liegt bei 316 Sitzen. Die SPD erlitt deutliche Verluste und kam auf 16,41% der Stimmen, was ihr 120 Sitze einbringt. Die Grünen folgen mit 11,61% und 85 Sitzen, während Die Linke 8,77% erzielte und 64 Mandate erhält. Die FDP verfehlte mit 4,33% den Einzug in den Bundestag. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scheiterte knapp an der Fünf-Prozent-Hürde mit 4,97% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 82,5%.
Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 verzeichnete die AfD den größten Stimmenzuwachs und konnte ihren Anteil mehr als verdoppeln. Die SPD hingegen musste signifikante Verluste hinnehmen und erzielte ihr bislang schlechtestes Ergebnis. Die Grünen verloren ebenfalls an Stimmen, während Die Linke ihren Anteil überraschend ausbauen konnte. Die FDP schied aus dem Parlament aus.
Wahlkreis 034 Osterholz - Verden
Das Direktmandat im Wahlkreis 34 hat zum fünften Mal in Folge Andreas Mattfeldt gewonnen. Der CDU-Kandidat bekam fast 36% der Erststimmen und darf seine politische Arbeit in Berlin fortsetzen. Sozialdemokratin Özge Kadah musste sich mit 24,8% geschlagen geben. Auf dem dritten Platz landet Susanne Rosilius (AfD) mit 17%. Lena Gumnior von den Grünen (11,2%) war zwar von einem Direktmandat erwartungsgemäß weit entfernt. Die Juristin wird dank eines aussichtsreichen Platzes auf der Landesliste ihrer Partei dennoch in den Bundestag einziehen.
Die Zweitstimmen in den Landkreisen Osterholz und Verden unterscheiden sich traditionell vom gesamten Ergebnis - so auch in diesem Jahr. Die SPD schneidet mit fast 23% der Zweitstimmen in der Region deutlich besser ab, als auf Bundesebene. Union (28,01%) und Grüne (12,36%) liegen im Bundestrend, die AfD fährt mit 17,64% ein etwas schlechteres Ergebnis ein als im bundesweiten Durchschnitt. Das gilt auch für Die Linke, die 7,29% der Zweitstimmen bekam.
Wahlkreis 030 Stade I - Rotenburg II
Vanessa Zobel von der CDU darf sich über den Sieg in ihrem Wahlkreis, in dem die Stadt Bremervörde liegt, freuen. Mit 36,35% hatte sie einen ähnlich starken Vorsprung vor der SPD-Kandidatin Frauke Lange (25,55%) wie ihr Parteikollege Mattfeldt. Auch im Wahlkreis 30 sicherte sich die Kandidatin der AfD, Marie-Thérèse Kaiser, den dritten Platz unter den Direktkandidaten. Rund 18% der Wähler gaben ihr die Erststimme.
Gewinne und Verluste bei den Zweitstimmen folgen dem bundesweiten Trend: Die CDU legt um mehr als 4% zu und erreicht im Wahlkreis 30 die Mehrheit der Zweitstimmen (30,69%). Die SPD landet nach einem massiven Verlust von über 10% mit insgesamt 21,99% der Stimmen auf dem zweiten Platz. Es folgt die AfD, die mit über 11% Zuwachs nun auf 18,33% kommt. Die Grünen liegen mit 10,94% etwas unter ihrem Gesamtergebnis, ebenso Die Linke mit 7,09%.
Die Wahlergebnisse sind vorläufig (Stand: 26. Februar, 15 Uhr).
„Wir werden Lösungen anbieten“
Andreas Mattfeldt (CDU) zeigte sich erfreut über die große Unterstützung in seinem Wahlkreis. „Das Delta zwischen Erst- und Zweitstimmen ist nirgends in Niedersachsen so groß wie bei uns. Das stärkt meine Arbeit in den nächsten vier Jahren in Berlin natürlich ungemein“, erklärte der CDU-Politiker. Er hätte sich allerdings ein besseres bundesweites Abschneiden seiner Partei gewünscht. Mit Blick auf die Regierungsbildung sieht er in einer schwarz-roten Koalition eine realistische Option, betonte jedoch, dass Gräben zwischen Union und SPD wieder überbrückt werden müssten. Dies sei herausfordernd, aber notwendig, um eine stabile Regierung zu gewährleisten. Prioritäten sieht Mattfeldt insbesondere in wirtschaftlicher Stabilität, der Finanzierung des Gesundheits- und Pflegewesens sowie der inneren und äußeren Sicherheit. Besonders wichtig sei es, die illegale Migration zu stoppen, um das Vertrauen der Bürger in die Politik zurückzugewinnen. „Die kommende Regierungsarbeit wird mit der Vielzahl der Prioritäten sicherlich herausfordernd, aber wir werden Lösungen anbieten“, so Mattfeldt.
„Schönreden wäre fatal“
Özge Kadah (SPD) bewertete das Wahlergebnis kritisch und sprach von einem „Weckruf“ für ihre Partei - auch wenn die SPD in ihrem Wahlkreis deutlich besser abgeschnitten habe, als auf Bundesebene. Sie zeigte sich besorgt über den starken Stimmenzuwachs für eine Partei, die „offen menschenverachtende Inhalte teilt“. Die SPD habe ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt, was sie als deutlichen Ausdruck des Unmuts über die Ampel-Regierung wertete. „Etwas daran schönzureden wäre fatal.“
Nun müsse die Partei sich personell und inhaltlich neu aufstellen, um wieder als glaubwürdige Kraft für soziale Gerechtigkeit wahrgenommen zu werden. „Die Erneuerung wird nicht über Nacht passieren, aber es kommt darauf an, den Prozess entschlossen anzugehen“, betonte Kadah. Eine Große Koalition sei politisch realistisch, allerdings kein Automatismus. Entscheidend sei, dass eine Regierungsbeteiligung der SPD über ein reines Zweckbündnis hinausgehe und sozialdemokratische Politik erkennbar bleibe.
„Die Groko kontrollieren“
Auch Lena Gumnior (Grüne) äußerte sich enttäuscht zum Wahlausgang. „Mit dem Wahlergebnis können wir als Partei insgesamt nicht zufrieden sein, das liegt auf der Hand“, erklärte sie. Besonders beunruhige sie, dass ein Teil der Wähler den Grünen das Vertrauen entzogen habe. Dennoch hob sie hervor, dass ihre Partei innerhalb der Ampelkoalition noch am wenigsten Stimmen verloren habe. Nun gehe es darum, aus der Opposition heraus für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen. Gumnior sieht in der Oppositionsrolle eine Chance, die neue Regierung scharf zu kontrollieren. „Wir haben die alte GroKo schon einmal hart kontrolliert und ihre Fehler aufgezeigt. Damit darf die Union jetzt wieder rechnen“, kündigte sie an. Die Klimakrise werde durch den Regierungswechsel nicht verschwinden, betonte sie. Sie zweifelt jedoch daran, dass CDU-Chef Friedrich Merz die Dringlichkeit dieser Herausforderung erkenne. Eine Koalition zwischen CDU/CSU und SPD hält sie für wenig zukunftsorientiert, betonte aber die Notwendigkeit demokratischer Zusammenarbeit, um politische Spaltungen zu vermeiden.
„Wir haben uns mehr erhofft“
Auch Joachim Fuchs (Die Grünen, Wahlkreis 30) äußerte sich zum Wahlergebnis. Er verwies auf die große Mobilisierung während des Wahlkampfs, an dem sich langjährige Mitglieder, Sympathisanten sowie zahlreiche Neumitglieder beteiligt hätten. „Wir – auch ich persönlich – haben uns mehr von diesem Wahlkampf erhofft“, räumte er ein. Mit knapp 10 Prozent der Erststimmen und rund 11 Prozent der Zweitstimmen habe seine Partei jedoch ein beachtliches Ergebnis erzielt, insbesondere in einem ländlichen Wahlkreis. Besonders beeindruckt zeigte er sich von der hohen Beteiligung der Wahlkämpfer: Über 23.000 Flyer wurden verteilt, mehr als 9.000 Haustüren besucht, und der Kreisverband Stade verzeichnete einen Mitgliederzuwachs von über 20 Prozent. Dies gebe ihm Mut für die kommende politische Arbeit.
Besorgt zeigte sich Fuchs über den Wahlerfolg der AfD und forderte alle demokratischen Parteien auf, trotz politischer Differenzen gemeinsame Lösungen auf Basis des Grundgesetzes zu finden. „Investitionen in unsere Infrastruktur, in Bildung und unsere Verteidigungsfähigkeit, ein Zusammenhalten in Europa und der Schutz unserer Lebensgrundlage sind und bleiben die zentralen Herausforderungen“, betonte er.
„Der Bruch kam zu spät“
Dr. Gero Hocker (FDP) sprach von einer enttäuschenden Bilanz für seine Partei sowohl auf Bundesebene als auch im Wahlkreis. Er verliert sein Mandat im deutschen Bundestag. Die FDP sei 2021 in „das damals einzig denkbare Regierungsbündnis mit zwei linken Parteien“ gewählt worden, mit dem sie sich nie habe anfreunden können. „Der Bruch der Ampel kam zu spät“, erklärte Hocker und verwies darauf, dass der Ausstieg spätestens im Sommer 2024 hätte erfolgen müssen. Die Verzögerung habe nicht nur wertvolle Zeit für notwendige Reformen in Wirtschaft, Migration und Bürokratieabbau gekostet, sondern auch die Glaubwürdigkeit der FDP im Wahlkampf geschwächt. Angesichts des Erstarkens der politischen Ränder sieht Hocker eine größere Bedeutung für eine starke politische Mitte. „Außerdem wird der Staat viele der an ihn herangetragenen Aufgaben künftig nicht mehr erfüllen können“, schätzt Hocker - was eine Partei, die auf Eigenverantwortung statt Umverteilung setzt, umso wichtiger mache. „Ob und wenn ja, welche Rolle ich persönlich dabei spielen werde, werden die Diskussionen der kommenden Wochen ergeben“, so Hocker. Beruflich habe er keinen „Plan B“, sei als promovierter Wirtschaftswissenschaftler und gelernter Bankkaufmann aber offen für neue Herausforderungen.
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