

Die Branchenkonferenz des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen (BZNB) mit Sitz in Osterholz-Scharmbeck geht normalerweise jährlich in der Stadthalle über die Bühne. Wegen der Corona-Pandemie musste dieses Jahr zum zweiten Mal recht kurzfristig auf ein Online-Format umgesattelt werden. Damit hätte er vor einem Jahr „im Leben nicht gerechnet“, sagte Landrat Bernd Lütjen zur Eröffnung der Veranstaltung. Der Termin am 8. Dezember sei ein „historischer Moment“, so Lütjen, schließlich wurde zeitgleich in Berlin Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler gewählt. „Die Digitalisierung zieht sich durch alle Ressorts, dieser Schwerpunkt wird im Koalitionsvertrag besonders betont, ich bin gespannt“, kommentierte Landrat Lütjen die Ereignisse in Berlin.
Gigapakt sorgt für Fortschritt
Zunächst sollte es aber um den Stand der Dinge in Niedersachsen gehen. Stefan Muhle, Staatssekretär unter Wirtschafts- und auch Digitalisierungsminister Dr. Bernd Althusmann, erläuterte die Entwicklung der vergangenen Jahre: „Wir haben uns in Niedersachsen 2018 mit einer sehr engagierten Strategie auf den Weg gemacht und wollten Ziele zu bestimmten Zeiten erreichen“, so Muhle. Gemeint ist der sogenannte „Gigapakt Niedersachsen“, der Zielvereinbarungen zwischen Wirtschaftsministerium, Kommunen, Verbänden und Telekommunikationsanbietern beinhaltet und wenige Tage vor dem Breitbandgipfel erneuert wurde.
Muhle hatte auch konkrete Zahlen parat: 96 Prozent der förderfähigen Schulen seien aktuell bereits gigabitfähig oder befänden sich in Ausbaumaßnahmen, nach deren Abschluss eine Download-Geschwindigkeit von 1000 Mbit/s möglich sei. Gleiches gelte für 92 Prozent der Krankenhäuser. Damit sind die öffentlichen Einrichtungen dem Gesamtfortschritt des Ausbaus zukunftsfähiger Internetverbindungen weit voraus. Derzeit verfügen 86 Prozent der Adressen in Niedersachsen über einen Anschluss mit mindestens 30 Mbit/s im Download - die übrigen 14 Prozent zählen zu den sogenannten weißen Flecken. „Diese Zahlen sind den Kommunen zu verdanken, die Geld in die Hand nehmen, um die Lücken zu schließen, die der Markt hinterlässt“, sagte Staatssekretär Muhle.
Auch auf das Thema Mobilfunk kamen die Teilnehmer:innen zu sprechen. Hier verfolgt die Landesregierung das Ziel, eine flächendeckende LTE-Versorgung anbieten zu können. Die fehlt nach Angaben der Bundesnetzagentur noch auf rund 2,4 Prozent der Landesfläche - einem Gebiet, das insgesamt größer ist als der Landkreis Osterholz. „Damit sind wir unserem Ausbauziel beim Mobilfunk für 2021 so nah wie möglich gekommen“, resümierte Wirtschaftsminister Althusmann und betonte, dass Niedersachsen als erstes Bundesland seine Kommunen mit einer Förderung von bis zu 90 Prozent bei der Realisierung von Mobilfunkmasten unterstütze.
„Alle Zeitziele wurden gerissen“
Weniger optimistisch betrachteten die Experten den neuen Koalitionsvertrag und das bisherige Handeln der alten Bundesregierung. Staatssekretär Muhle vermisste konkrete Ziele in dem Papier, wie sie etwa Niedersachsen im Gigapakt formuliert habe. Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, ging sowohl mit der alten als auch der neuen Bundesregierung hart ins Gericht: „Der Koalitionsvertrag enthält keine Zeitziele. Das ist kein Wunder, da alle bisherigen Zeitziele gerissen worden.“ Das sei ebenso bedauerlich, wie der Bürokratieaufwand, der den Breitbandausbau bremse. „Im internationalen Vergleich wundert man sich, wie sehr wir uns mit komplizierten Förderungen aufhalten“, sagte Dr. Trips. Er fordere seit mehr als zehn Jahren, es müsse bei der Glasfaser eine „Universalversorgung wie mit Strom und Wasser geben“. Angesichts der Pläne zu einem sogenannten „Gigabit-Grundbuch“ befürchte er ein neues „Bürokratiemonster“, sagte Trips. Immerhin: ein digitales Grundbuch habe Niedersachsen bereits, wusste BZNB-Geschäftsführer Peer Beyersdorff zu berichten.