

Jeder Laternenmast am Bürgersteig, jede zentrale Grünfläche verrät es: Der Wahlkampf ist auf vollen Touren. Plakate und Banner bestimmen derzeit das Stadt- oder Dorfbild. Und seit die ersten Plakate hängen, fühlen sich viele von jenen gestört, die mit den Plakaten angesprochen werden sollen: die Wähler:innen. Einige von ihnen wandten sich sogar mit einem Leserbrief an die Redaktion. Joachim Katzur aus Osterholz-Scharmbeck ist einer von ihnen. Er findet die Wahlplakatwälder weder zeitgemäß noch sinnvoll. Vor allem: Der anfallende Müll passe nicht zu den umweltschützenden Slogans der Parteien.
Eine belästigende Umweltverschmutzung
Wir wollten wissen: Sehen das noch mehr Wähler:innen so und haben bei unseren Leser:inen nachgefragt, wie sie die Wahlwerbung mit Plakaten bewerten. Und tatsächlich: Keine der Antworten fällt positiv aus. Ulrike Lindner aus Worpswede findet „Wahlplakate total unnötig“, Renate Buescher sieht darin eine „Umweltverschmutzung“, Christa von Bebern meint, sie seien „reine Verschwendung“ von Geld, Sandra Puckhaber erfährt die Plakate als „Belästigung“ und Katja Poppe aus Bremervörde fordert gar einen generellen Verzicht auf Wahlplakate. Kritisiert werden von den meisten zudem die „inhaltlosen Parolen“. Zusammengefasst: Wahlplakate sind für einige potenzielle Wähler:innen eine so belästigende wie inhaltslose Verschwendung von Geld, die zudem zuungunsten der Umwelt ausfällt.
Oder gleich Müll?
Für andere hingegen reichen kritische Worte nicht aus. Weil sie wohl davon überzeugt sind, dass es sich bei den Plakaten um Müll handelt, führen sie sie der Deponie selbstständig zu, indem sie die Plakate zerstören. Davon berichten Jochen Hake und Arnold Neugeborn, der die Liste der Linken für den Schwaneweder Gemeinderat anführt.
Beide sehen darin eine willentliche Beeinträchtigung der demokratischen Meinungsäußerung und des demokratischen Wettbewerbs und machen deutlich, dass es zu einer Demokratie dazugehöre, auch Meinungen auszuhalten, die man selbst nicht vertritt.
Plakate erreichen alle
Warum aber halten die Parteien oder parteilosen Kandidat:innen weiter an dieser Form der Wahlwerbung fest? Und was sagen ihre Vertreter:innen zu den vorgebrachten Vorwürfen?
Jochen Hake, Bürgermeisterkandidat für die Grünen in Bremervörde, hat eine einfache Antwort:
Man hält an den Plakaten fest, weil „Wahlforscher immer wieder feststellen, dass Wahlplakate entscheidend sind, um die eigenen Wähler mobilisieren.“ Damit macht er einen entscheidenden Punkt klar, worum es bei der Plakatierung gehe: um die Mobilisierung der „eigenen“ Wähler:innen. Ein weiterer Punkt sei, so die die Osterholzer Bürgermeisterkandidatin der CDU Marie Jordan, dass die Plakate auf die Kandidat:innen aufmerksam machen. Hinzukomme, darauf machen neben Hake und Jordan auch der amtierende Bürgermeister Torsten Rohde und Doris Brandt, die die SPD-Liste für den Bremervörder Stadtrat anführt, unisono aufmerksam, dass einfach noch nicht alle Menschen „digital unterwegs“ seien. Und bei der Wahl gehe es schließlich darum, dass alle ihre Stimme abgeben.
Man hält also an der Plakatwerbung fest, weil man mit ihr prinzipiell alle erreicht, sie der Mobilisierung der eigenen Wähler:innen dient und manche Gesichter manche Wähler:innen neugierig machen können. Um den Transport von Inhalten oder gar darum, Menschen mit Plakaten zu überzeugen, geht es weniger. So schießt die Kritik an der Inhaltsleere etwas am Gegenstand vorbei.
Zu 100 Prozent recycelbar
Ähnlich, darauf weisen ebenso alle Kandidat:innen hin, verhalte es sich mit dem Vorwurf der Umweltverschmutzung. „Eine Umweltverschmutzung könnte man annehmen, wenn man keine Folgenutzung hätte“, so Brandt. Entsprechend setzen die Bremervörder Sozialdemokrat:innen vor allem auf Bauzaunbanner, aus denen man im Anschluss, auch schon 2014, Einkaufstaschen, Sonnensegel oder Abdeckplanen anfertigen lasse. Auf diese Weiterverwendung setze auch Reinhard Lindenberg aus Ohrel von der Wählergemeinschaft, dessen Banner aus Lkw-Plane gefertigt worden seien.
Hake und Jordan, die auch auf Laternenplakate setzen, erklären, dass ihre Plakate recycelbar seien. „Unsere Hohlkammerplakate sind zu 100 % recycelbar. Das Granulat aus den recycelten Platten kann vielfältig wieder verarbeitet werden, z. B. zu neuen Hohlkammerplatten, Verpackungsmaterial und vielen Dingen mehr bis hin zum T-Shirt oder Fleece-Pullover“, so Jordan. Auch Hake macht klar, dass alle Bestandteile der Plakate dem Recycling, auch die Kabelbinder, zugeführt würden.
Lebendige Demokratie
Dass in diesem Jahr so viele Plakate aufgestellt werden, liegt nicht zuletzt daran, wie Bürgermeister Rohde erklärt, dass „mit der Bundestagswahl zeitgleich fünf verschiedene Wahlen beworben werden.“ Dennoch würde er sich für die nächsten Wahlen „mit den Fraktionen gerne darauf verständigen, dass die möglichen Standorte für Wahlwerbung deutlich reduziert werden.“
Zugleich, so Jordans Hinweis, bewiese die Menge an unterschiedlichen Plakaten aber auch die Lebendigkeit unserer Demokratie und das Engagement der Menschen vor Ort.