Patrick Viol

Die Quellen des Hochwassers

Landkreis. Sind Katastrophenfluten auch im Weser-Ems-Raum möglich?

Eine durch den Klimawandel erwärmte Atmosphäre und versiegelte Böden - diese Kombination kann zu Starkregen und Überschwemmungen führen. Wir haben nachgefragt, inwieweit das auch in unseren Regionen möglich ist.
Nach den katastrophalen und erschreckenden Hochwasserfluten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fragen sich auch Menschen in Niedersachsen, ob sich ein solches Extremwetter auch in ihrer Region ereignen kann. Denn zum einen ist nicht nur Expert:innen und Klimaschützer:innen, sondern bisweilen allen Menschen klar, dass die Folgen des Klimawandels sich überall abzeichnen. Zum anderen ist im Norden der Regen ein ständiger Begleiter. Und „Starkregen kann überall und jederzeit auftreten“, wie Uwe Petry von der Hochwasservorhersagezentrale des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwortschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gegenüber dem Kreisblatt mitteilt. Das Prinzip dabei ist einfach: Wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Entsprechend geht Petry davon aus, dass im Zuge des wandelnden Klimas extreme Ereignisse in Niedersachsen wie z. B. das Hochwasser im Harz 2017, aber auch Trockenheit intensiver und häufiger auftreten können. Starkniederschläge können pro Grad globaler Erwärmung um 7 bis 14 Prozent intensiver werden.
 
Landkreise haben Möglichkeit im Blick
 
Diese Entwicklung in Betracht ziehen auch die Landkreise Rotenburg und Osterholz. „Es ist davon auszugehen, dass die Herausforderungen durch Hochwasser in der Zukunft aufgrund von vermehrt vorkommenden Extremwettereignissen steigen werden“, so Gerd Hachmöller, Leiter der Stabsstelle Kreisentwicklung des Landkreis Rotenburg Wümme. Deswegen sei es eine Aufgabe für Landkreis und Gemeinden, aber auch für alle Einwohner:innen, sich besser auf die häufigeren Starkregenereignisse vorzubereiten, wie Jana Lindemann vom Landkreis Osterholz ausführt.
 
So wenig Pflaster wie möglich
 
Vorbereitungen habe der Landkreis Osterholz bereits vor Jahren begonnen und beispielsweise mit der Metropolregion Nordwest unter Mitarbeit des NLWKN ein Starkregen-Nachschlagewerk für Kommunen und einen Leitfaden für Bürger:innen herausgegeben.
In beiden Leitfäden nimmt der Punkt „Bodenversiegelung“ eine zentrale Stellung ein. Denn der Klimawandel lässt die Wassermassen nur entstehen. Damit sie wie in NRW ungebremst in die Ortschaften fließen und dort ungemeinen Schaden anrichten und Menschen in Todesgefahr bringen können, brauchen sie einen festen Grund, der das Wasser nicht aufnimmt.
Das heißt zum einen - im Kleinen - für Bürger:innen: Wer sein Wohnhaus vor Wasser besser schützen will, sollte bei Auffahrt und Garten auf so viel Pflasterstein wie möglich verzichten. Ebenso sollten Kommunen bei der Stadtplanung darauf achten, Böden so weit wie möglich „offen“ zu halten. Wie ebenso darauf, dass in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten nicht gebaut wird. Wer Industrieunternehmen an Flüsse baut, so die Warnung des NABU-Präsidenten Jörg-Andreas Krüger, riskiert nicht nur hohe Sach-, sondern auch schwerwiegende Umweltschäden durch austretende Giftstoffe.
Darüber hinaus sollten mehr Überflutungsflächen angelegt und Flüsse und Bäche renaturiert werden.
 
Ausreichend Platz für Wasser
 
So stellt sich vor dem Hintergrund, dass die Landkreise Osterholz und Rotenburg Wümme nicht nur ländlich geprägt sind, sondern die ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete ausreichend Platz für Wasser bieten, wie Lindemann und Hachmöller mitteilen, die Gefahr von Überflutungen geringer dar als in niedersächsischen Ballungszentren. Dennoch kann es vorkommen, dass Überschwemmungen außerhalb der Überschwemmungsgebiete auftreten. Und ebenso gibt es vereinzelte bauliche Anlagen in Überschwemmungsgebieten. Doch die Gefährdung sei überschaubar, so Hachmüller. Sollten aber auftretende Strakregenereignisse die Kapazität der bisherigen Flächen infrage stellen, müssten sie durch NLWKN neu berechnet und durch den Landkreis neu festgesetzt werden.
 
Comeback der Sirene
 
Zur abschließenden Betrachtung der Überflutungsgefahr vor Ort ist noch eine Frage wichtig: Funktionieren die Warnsysteme? Grundsätzlich stehen allen Bürger:innen elektronische Warnsysteme in Form von Apps zur Verfügung. Doch wie die Diskussionen um eine mangelhafte Vorwarnung zeigen, scheint deren Effizienz für den Fall der Fälle fraglich, weshalb wieder mehr Gewicht auf analoge Warnsysteme wie die klassische Sirene gelegt werden soll. Da bleibt nur zu fragen: Funktionieren die denn auch?
Im Landkreis Osterholz seien die 93 Sirenen und deren Alarmierung durch die Leitstelle intakt, so Lindemann. Im Landkreis Rotenburg hingegen gibt es derzeit ein paar Probleme. Die Sirenen können aktuell „nicht den Warnton für die Warnung der Bevölkerung aussenden“, so Hachmöller. Nur Probe- und Feueralarm funktionierten. Bei einer Katastrophenwarnung des Landkreises erfolgt die Auslösung eines Alarmes über das Modulare Warnsystem des Bundes (MoWaS). Würde aber eine Evakuierung der Bevölkerung in bestimmten Gebieten notwendig, würden zudem Einsatzkräfte von Tür zu Tür gehen, um sicherzustellen, dass sämtliche Bewohner:innen erreicht werden.


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