Patrick Viol

Die Utopie des Schnees

(pvio). Wir warten auf den Schnee - dieses Kinderbuch, geschrieben von Anna Lina von Geuns und illustriert von Anna Zörner, erinnert an das Glück der Ruhe und ist eine schöne Geschenkidee zu Weihnachten für klein und groß.
In den Bann gezogen. Patrick Viol liest: Wir warten auf den Schnee.

In den Bann gezogen. Patrick Viol liest: Wir warten auf den Schnee.

Die Geschichte dieses Kinderbuches ist schnell erzählt. Eine Mutter wartet mit ihrem Sohn Emil auf der Fensterbank ihres kleinen Hauses sitzend und hinaus auf die Wolken schauend auf den Schnee.
Und gerade darin, dass in der Geschichte so wenig passiert, liegt ihre ganze Kraft, die es vermag, auch und gerade Erwachsene in ihren Bann zu ziehen. Denn während dem Kind, dem die Geschichte vorgelesen wird, die ambivalente Freude auf den Schnee gegenwärtig sein wird, lässt die Geschichte den vorlesenden Erwachsenen an ein Glück erinnern, das zu vergessen leider zum Erwachsenwerden dazuzugehören scheint.
Dieses Glück, das einst der unverstellten Beziehung zum die Welt verwandelnden Schnee entstammte, schafft es nicht nur, sich durch die Geschichte von Anna Lina van Geuns der Vergessenheit zu entwinden, sondern es zeigt - als Erinnertes - zugleich auf, was wir auf dem Weg aus der Kindheit heraus verloren haben: die Fähigkeit zu glücklicher Ruhe. Das Buch erinnert daran, dass Ruhe mehr sein kann als notwendige Erholung zwischen Job und Kater. Ruhe kann - wie in dem Lied „Leise rieselt der Schnee“ - ein Zustand sein, in dem es in den Herzen warm ist, Kummer und Harm schweigen und „die Sorge des Lebens verhallt“. Und eben nicht verdrängt wird, wie im zwangsauferlegten Kurzwellnesstrip.
Wie der Schnee die Konturen sanfter, die Welt leiser, die Tage kürzer und die Menschen freundlicher werden lässt, weil die sie anpeitschende Welt ihnen etwas entrückt, so entdeckt man in dem Buch von Anna Lina van Geuns die Idee eines guten Lebens. Van Geuns gelingt es durch eine Geschichte über die kindliche Freude und Begeisterung an einem Naturereignis für ein Leben einzutreten, das sich seiner schlechten Naturhaftigkeit: des Jeder-gegen-Jeden entwunden hat; ihre Geschichte vermittelt eine zwischenmenschliche Zartheit, derer ein gesellschaftlicher Zusammenhang bedarf, damit sein Nachwuchs keine lauten Barbaren, sondern kleine Schneekristalle, d. h. individuierte, freundliche und verzaubernde Einzelne werden, wie es kein Demokratiekindergarten hinbekommen wird.
Das Buch ist im Windy Verlag erschienen und überall im Buchhandel für 16 Euro erhältlich und für Kinder ab 4 Jahren geeignet.


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