Patrick Viol

Dossier: Gemeinsame Agrarpolitik

Gespräch mit Dr. Uwe Huljus, Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes Osterholz.

Mit der GAP-Reform, welche die Staaten nun in nationale Strategiepläne umsetzen müssen, sollen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der europäischen Landwirtschaft in besseren Einklang gebracht werden und die Leistungen von Landwirt:innen bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz stärker honoriert werden. Das sei nicht wirklich gelungen kritisieren sowohl Grüne, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Klimaschutzverbände.
 
Herr Dr. Huljus, sind Sie zufrieden mit der Einigung zur gemeinsamen europäischen Agrarpolitik?
 
 
Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, auf welche sie ihren Betrieb einstellen können. Die Reform soll ab Januar 2023 gelten. Wir haben somit noch einen Vorlauf von etwa 18 Monaten. Es ist zu begrüßen, dass die Einigung nun zustande gekommen ist. Die Inhalte der Einigung sind vielfältig und vielschichtig. Viele der neuen Vorgaben tragen den Belangen von Umwelt- und Klimaschutz Rechnung sowie insbesondere dem Insekten- und Artenschutz. All diese Belange sind auch im Interesse der Landwirtsfamilien, welche zur Erzielung ihres Einkommens auf eine gesunde Umwelt und eine möglichst intakte Natur angewiesen sind. Den Landwirten wird allerdings erneut ein großer Beitrag zur Erreichung der angesprochenen Ziele im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse abverlangt, ohne dass sie für ihre höheren Kosten und die zwangsläufig geringeren Erträge einen angemessenen Ausgleich erhalten, erst recht keine wirkliche Vergütung. Das überrascht und befremdet, vor allem wenn man die Situation etwa mit den vielfältigen Hilfen für die betroffenen Betriebe beim Kohleausstieg und in der gesamten Energiewirtschaft vergleicht. Denken wir etwa an die Entschädigung für die Schließung von Kohlekraftwerken. Dort wird anerkannt, dass Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz nicht selbstverständlich zum Nulltarif verlangt werden können. Bei der Landwirtschaft sieht das offenbar ganz anders aus. Insoweit ist die Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik für uns enttäuschend ausgefallen.
 
Lässt sich für Sie Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz auf der Grundlage der GAP vereinen?
 
Die mit der GAP-Reform 2003 ab dem Jahr 2005 in Deutschland eingeführten Flächenprämien waren als Ausgleich dafür gedacht, dass die Flächenbewirtschaftung und die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland und Europa mit zahlreichen höheren Auflagen und damit Kosten verbunden ist als in vielen anderen Teilen der Welt. Diese höheren Anforderungen dienen dem Umwelt- und Naturschutz sowie insbesondere dem Tierschutz bzw. Tierwohl. Die Flächenprämie betrug in Niedersachsen damals etwa 300 Euro/ha. 2015 wurden die Regelungen angepasst. Es wurden zusätzliche Verpflichtungen aufgenommen, für deren Einhaltung es dann die sog. Greening-Prämie gab. Diese kam allerdings nicht oben drauf, sondern führte dazu, dass die eigentliche Grundprämie – Basisprämie – entsprechend verringert wurde. Basisprämie und Greeningprämie machen derzeit zusammen rund 270 Euro/ha aus. Mit der neuen Reform werden weitere Auflagen als sog. Konditionalität zur Voraussetzung der Flächenprämie gemacht. Die Flächenprämie wird für mittlere und größere Betriebe kontinuierlich weiter gesenkt auf verbleibende ca. 170 Euro/ha. Um in etwa gleiche Prämienzahlungen wie bisher zu erhalten, müssen die betroffenen Betriebe sich dann an zusätzlichen Maßnahmenprogrammen beteiligen, bisher Agrarumweltmaßnahmen genannt, zukünftig „Eco-Schemes“. Wenn ich hier zusätzliche Verpflichtungen als Landwirt eingehe, komme ich auf  diese Weise dann vielleicht wieder auf einen ähnlichen Förderbetrag wie bisher. Allerdings sind damit auch deutlich höhere Aufwendungen verbunden bzw. deutliche Mindererträge durch Extensivierung der Bewirtschaftung oder in vielen Fällen eben auch beides. Die zusätzliche Förderung, die ich aus diesen Maßnahmen erziele, ist so bemessen, dass sie lediglich meinen finanziellen Nachteil ausgleicht. Damit kann ich als Landwirt also kein Geld verdienen. Deswegen wird abzuwarten sein, wie die Aktzeptanz dieser neuen Förderprogramme überhaupt ausfällt. Möglich ist, dass diese „Eco-Schemes“ von den Landwirten gar nicht im gewünschten Umfang angenommen werden.
Unterm Strich verbleibt also eine deutlich geringere Förderung für die landwirtschaftlichen Betriebe bei angehobenen Anforderungen, vor allem Umweltauflagen. Das wird wohl eine Reihe von Betrieben, vor allem kleinere Betriebe, sehr hart treffen und den Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter befördern. Die Reform betreibt hier Umweltschutz auf Kosten der Wirtschaftlichkeit. Das verlangt den Landwirten viel ab. Insbesondere in unserer Grünlandregion ist im Augenblick schwer erkennbar, wie sich Wege und Möglichkeiten finden lassen, um dem befürchteten beschleunigten Strukturwandel entgegenzuwirken.
 
Denken Sie, mit dem ausgehandelten Kompromiss lässt sich dem Artensterben und der Klimakrise effektiv begegnen?
 
Wir erkennen das Bemühen aller Beteiligten an, dem Artensterben zu begegnen und Lösungen für die Klimakrise zu finden. Die Vorgaben in diese Richtung, welche sich als Weiterentwicklung der Reform von 2015 darstellen, verlangen den Landwirten ab, Teile ihrer Flächen entweder völlig aus der Produktion herauszunehmen oder extensiver bzw. naturverträglicher zu bewirtschaften. Es sind hier Randstreifen an Gewässern, Pufferstreifen, Brachen und ähnliche Maßnahmen vorgesehen, welche Insekten und vielen anderen Tierarten wieder zusätzlichen Lebensraum bieten sollen.
Besser wäre es allerdings, wenn den Landwirten Maßnahmenpakete angeboten würden, mit denen sie aktiven Natur-, Umwelt- und Klimaschutz betreiben und damit auch noch Geld verdienen könnten. Damit meine ich, dass bei all den Maßnahmen nicht lediglich ein finanzieller Ausgleich für Nachteile geleistet werden sollte. Vielmehr brauchen wir eine echte Entlohnung für solche Maßnahmen im gesellschaftlichen Interesse, die auch einkommenswirksam ist. Landwirte können nicht freiwillig ohne angemessene Vergütung gesellschaftliche Ziele fördern, indem sie ihre Existenzgrundlage, nämlich die von ihnen bewirtschafteten Böden aus der Produktion herausnehmen. Täten sie das, könnten sie kein ausreichendes Einkommen mehr erwirtschaften für den Unterhalt ihrer Familien und der vielen Arbeitnehmer auf  unseren Höfen, welche ebenfalls eine ordentliche Entlohnung verdienen.
Kurz gesagt: Das alles ist sehr gut gemeint, aber nicht wirklich gut gemacht. Wenn hier nicht deutlich nachgebessert wird, dürften die Auswirkungen für Klima und Natur eher bescheiden ausfallen. Ohne angemessene Entlohnung der gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft können unsere Bauern sich nicht im gewünschten und erforderlichen Umfang hieran beteiligen.
 
Ist die Subventionspolitik, wonach 20 % der größten Betriebe 80 % aller EU-Fördermittel bekommen, Ihres Erachtens gerecht und klimapolitisch sinnvoll?
 
Es ist keine Besonderheit der Agrarpolitik, dass viele Fördermaßnahmen vor allem den großen Betrieben zugute kommen. Das sehen wir in allen Wirtschaftsbereichen in ähnlicher Weise. Das ist auch nicht per se schlecht. Tatsächlich ist es eher eine Folge des Strukturwandels in den letzten Jahrzehnten in sehr vielen Wirtschaftsbereichen, etwa im Lebensmittel-Einzelhandel oder im produzierenden Gewerbe. „Tante-Emma-Läden“ gibt es kaum noch und auch Schuhe und Textilien werden nicht mehr in Handwerksbetrieben oder kleinen Produktionsstätten hergestellt. Wirtschaftsförderung in allen Wirtschaftsbereichen wird daher von denjenigen abgerufen, welche im jeweiligen Segment am stärksten vertreten sind, weil auch diese Betriebe in der Regel diejenigen sind, welche investieren und vielen Beschäftigten Lohn und Brot geben.
In der Landwirtschaft ist das vergleichbar. In den ostdeutschen Bundesländern haben wir schon lange große Betriebe, welche eine Fläche von mehreren 1.000 Hektaren, und in manchen Fällen auch im 5-stelligen Hektarbereich bewirtschaften. Solche Größenordnungen sind hier bei uns noch unbekannt. In unserer Region gilt ein Betrieb schon als groß, wenn 400 oder 500 ha Fläche bewirtschaftet werden. Und tatsächlich haben viele Höfe in unserer Region nur zwischen 50 und 200 ha in Bewirtschaftung. Das sind ganz normale Familienbetriebe, auf denen zur Versorgung des Viehbestandes und zur Erledigung aller Außenarbeiten in der Regel auch schon Mitarbeiter regulär angestellt sind.
In den großen Betrieben in Ostdeutschland sind natürlich deutlich mehr Arbeitskräfte beschäftigt. Die absoluten Förder-Summen sind natürlich deutlich höher als bei den in unserer Region vorherrschenden Familien-Betrieben und insbesondere bei den kleinen Betrieben, welche vielleicht nur 20 oder 30 ha bewirtschaften. Aber letztlich ist das eine Folge der einheitlichen Flächenprämie, welche politisch gewollt und zudem erforderlich ist, um den bei größeren Betrieben zwangsläufig höheren Mitarbeiterbestand bezahlen zu können. Darin liegt meines Erachtens keine Ungerechtigkeit. Hinzu kommt noch, dass es bereits seit 2015 eine sogenannte Umverteilungsprämie gibt, wonach die ersten 45 ha, welche ein Betrieb in der Bewirtschaftung hat, mit einem Prämienaufschlag versehen werden. Diese Umverteilungsprämie soll noch aufgestockt werden. Das hat zur Folge, dass – je Hektar bewirtschaftete Fläche – kleine Betriebe eine höhere Förderung erhalten als die Hektarprämie bei größeren Betrieben.
Diese Art der Förderung steht auch nicht im Widerspruch mit den klimapolitischen Zielen, da limaschutz schließlich nur auf den Flächen und über die Flächen umzusetzen ist. Der Großbetrieb muss also für klimapolitische Zwecke mehr Fläche zur Verfügung stellen als der Kleinbtrieb. Insoweit ist das System nicht kontraproduktiv, sondern in sich schlüssig. Allerdings bleiben die Zweifel daran, ob die gesetzten Ziele erreicht werden können. Dazu habe ich vorhin schon einiges ausgeführt. Insoweit erscheint es mir überaus wichtig, dass Gesellschaft und insbesondere die Klima- und Umweltpolitik unserer Volksvertreter und Regierungen sich nicht in eine Konfrontation mit der Landwirtschaft drängen lassen, sondern sich weiter auf einander zu bewegen. Die Landwirtsfamilien brauchen faire Preise für ihre Erzeugnisse und Anerkennung dafür, dass sie die Ernährung unserer Bevölkerung sicherstellen. Die Landwirte tun schon viel für Natur-, mwelt- und Klimaschutz und sind auch bereit, dafür noch mehr zu tun. Das muss jedoch angemessenen honoriert werden. Andernfalls ginge das zu Lasten der Wirtschaftlichkeit der andwirtschaftlichen Betriebe und würde die Existenz vieler Bauernfamilien gefährden.
 
Das Gespräch führte Patrick Viol
 
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