Eine gute Zukunft braucht Zivilcourage
Osterholz-Scharmbeck. Am Montagabend begrüßte man im voll besetzten Rathaussaal einen besonderen Ehrengast - den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Unter dem Motto „Eine gute Zukunft braucht Zivilcourage“ referierte der CDUler vor rund 200 Besucher:innen und folgte damit der Einladung des Loccumer Kreises, der seit 1956 spannende Impulsvorträge in der Region Osterholz organisiert.
Besonders dankbar sei man für das jahrelange, tatkräftige Engagement des Verbandes, lobt Bürgermeister Torsten Rohde. „Ohne die ehrenamtliche Organisation dürften wir uns heute nicht über einen so hochkarätigen Gast freuen, der sich einem Thema widmet, das gerade vor der anstehenden Wahl wichtiger denn je scheint“, findet Rohde. Den Besuch des ehemaligen Bundespräsidenten betrachte man als große Ehre und Wertschätzung, betont auch der Vorstand des Loccumer Kreises. „Bis heute bleibt Christian Wulff nicht nur als ehemaliger Niedersächsischer Ministerpräsident und stellvertretender CDU-Vorsitzender geschätzt und anerkannt“, so die Organisatoren. Noch immer sei der Politiker ehrenamtlich tätig und vertrete gelegentlich sogar Präsident Frank-Walter Steinmeier.
Zivilcourage und Menschlichkeit
„In seiner zweijährigen Amtszeit als zehnter Bundespräsident hat Wulff die Republik besonders durch den Satz ‚Der Islam gehört zu Deutschland.‘ geprägt“, heißt es vom Vorstand. Ein politisches Statement, dass schon damals zum Umdenken motiviert habe und die Gesellschaft noch Jahre später begleite. Wulff selbst freute sich, nach längerer Zeit mal wieder im Landkreis Osterholz vorbeizuschauen. „In einer Welt, die durch globale Krisen, Pandemien und die fortschreitende Digitalisierung immer komplexer wird, ist es wichtig, den Blick für Zivilcourage und Menschlichkeit nicht zu verlieren“, betont er einleitend.
„Durch die schnelllebigen Massenmedien gehen immer mehr Zwischeninstanzen verloren, die uns das wahre Leben erklären“, mahnt Wulff. Ein Kuratieren der Informationen falle weg, während Kirche, Parteien und zwischenmenschliche Interaktion zunehmend an Bedeutung verlieren. „Tech-Milliardäre, die unsere Zivilgesellschaft zur Verfolgung eigener Ziele attackieren und Sorgen vor der Inflation bringen die Demokratie zunehmend in Gefahr“, erklärt der CDUler. Konjunktur hätten mittlerweile Hass und Hetze, die so einen Nährboden für rechte Politik schaffen. Wulff appelliert deswegen gesellschaftliche Krisen und soziale Veränderungen ernst zu nehmen.
Mutige Politik
„Der momentane Wohlfühl-Wahlkampf ist wohl kaum die richtige Antwort für die komplexen Probleme unserer Zeit“, urteilt der ehemalige Niedersächsische Ministerpräsident. Für die kommenden Jahre erhoffe er sich eine mutige Politik, die wirklich für das einstehe, was sie im Leben möchte, so Wulff. „Wir sind selbst für unser Land verantwortlich und dürfen Feindlichkeit und Diffamierung keine Plattform bieten“, sagt er und zeigt sich optimistisch, kommende Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. „Es geht vor allem darum, nicht feige und faul zu sein, sondern offen für die eigene Meinung und angestrebte Werte einzustehen“, so sein Fazit.
Den Frieden im inneren und äußeren Europa nehme man oft als selbstverständlich hin, findet Wulff. „Ohne die aktive Zivilcourage der Generationen vor uns, sehe die Welt heute jedoch ganz anders aus“, bemerkt er. „Künftig müssen wir deshalb unser Mindset ändern - weniger meckern und schwierige Situationen progressiv angehen“, fordert der ehemalige Bundespräsident. Die Umstellung müsse hier schon bei der Wertschätzung nationaler Leistungen und Erfolge - beispielsweise der Erfindung des Corona-Impfstoffes BioNTech - beginnen, die Wulff als Beweis der exzellenten, akademischen Basis in Deutschland betrachtet.
„Letzen Endes geht es darum, sich nicht ständig in Details zu verlieren, Verwaltungsaufgaben klar zu verteilen und Rahmengesetze zu schaffen“, appelliert der Bundespräsident a.D.. Ansonsten mache sich die drittstärkste Wirtschaftsmacht Deutschland immer mehr zum „globalen Gulliver“, der sich durch ständig neue Reglementierungen selbst an den Boden fessele, resümiert Wulff.