Patrick Viol

Jonas Höschl: Hinterfragung visueller Strategien

Jonas Höschl hat den Paula- Modersohn-Becker-Kunstpreis 2024 gewonnen - Der „politisch gelesene“ Konzeptkünstler und Fotograf beantwortet Patrick Viol Fragen zu seinem Werk und seiner Arbeitsweise.

Jonas Höschl kommt gebürtig aus der Oberpfalz. Er ist Teil des Künstler*innenkollektivs „Tannhäuser Kreis“.

Jonas Höschl kommt gebürtig aus der Oberpfalz. Er ist Teil des Künstler*innenkollektivs „Tannhäuser Kreis“.

Bild: C. Werner

Du hast den Paula Modersohn-Becker Kunstpreis gewonnen. Du kommst gebürtig aus Franken, hast du persönlich einen Bezug zu Worpswede?

 

Ich komme gebürtig aus Regensburg in der Oberpfalz. Einen persönlichen Bezug zu Worpswede habe ich nicht.

 

Was hat dich dazu bewogen, dich für diesen Preis speziell zu bewerben?

 

Vor allem das hohe Niveau der vergangenen Preisausstellungen und die Tatsache, dass ich einige der bereits nominierten Künstler*innen, wie z. B. Jody Korbach, schon lange verfolge und schätze. Ich freue mich sehr, auch in diesem Jahr mit Künstler*innen ausstellen zu dürfen, von denen ich selbst Fan bin. Es ist eine wirklich hervorragende und sehr gegenwärtige Gruppenausstellung geworden.

 

Was treibt Dich außerhalb der Kunst bei Deiner künstlerischen Arbeit an?

 

Das Leben und die Menschen treiben mich an. Die Suche nach Verbindendem und das Schmieden von Bündnissen – sei es auf sozialer, privater oder politischer Ebene.

 

Was zeigt Deine Arbeit, mit der du den Preis gewonnen hast?

 

Ich zeige drei Arbeiten. Die erste, mit dem Titel „There’s history all around us“, beschäftigt sich mit der künstlerischen und politischen Karriere von Leni Riefenstahl. Im Fokus steht der Umstand, dass sie als einzige Fotografin beide deutschen Olympiaden dokumentiert hat: die Olympischen Spiele 1936 in Berlin als NS-Propagandistin und die Olympischen Spiele 1972 in München für das Sunday Times Magazine, die durch das PLO-Attentat auf die israelische Delegation überschattet wurden.

Eine zweite Arbeit, „80 Portraits: 73 Männer, 7 Frauen“, untersucht die politische Gebrauchsfotografie antifaschistischer Recherchenetzwerke, die rechtsextreme Aufmärsche, Kundgebungen und Parteitage dokumentieren.

Die umfangreichste Arbeit, „SSSSSSuzuki“, die in der Ausstellung zu sehen ist, geht von dem unaufgeklärten RAF-Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter aus. Diese wurden bei einem Drive-By-Shooting von einer Suzuki GS 750 aus erschossen. Kurz danach schaltete Suzuki Deutschland eine Werbeanzeige mit dem Slogan „Suzuki GS 750 – Die Sportskanone für Scharfschützen!“, was einen großen Medienskandal auslöste. Ausgehend von diesem Skandal nähere ich mich dem Attentat und beleuchte die Perspektiven von Tätern und Opfern, die Pressearbeit sowie die Versuche der Sicherheitsbehörden, die erhöhte Gefährdungslage einzudämmen.

 

Warum hast Du dich speziell mit dieser Arbeit für diesen Preis beworben?

 

Ich habe die Arbeit „SSSSSSuzuki“ bereits vor über einem Jahr entwickelt und konnte damals nicht absehen, dass das Bild von auf Motorrädern fahrenden Terroristen durch den 7. Oktober wieder schrecklich aktuell werden würde. Die Arbeit thematisiert im Subtext auch die Kontinuität antizionistischer Bestrebungen in der radikalen Linken – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die RAF von der PLO in Jordanien im terroristischen Kampf ausgebildet wurde.

Auch beim Attentat auf die israelische Olympiadelegation 1972 in München zeigte sich eine absurde Querfront. Die Waffen für dieses PLO-Attentat wurden von einem Rechtsextremisten beschafft, während unter den Gefangenen, die freigepresst werden sollten, auch RAF-Mitglieder waren. Antisemitismus ist ein verbindendes Element extremistischer Gruppen – und das erleben wir heute leider erneut auf schmerzhafte Weise. Daher habe ich mich für genau diese Arbeiten entschieden.

 

Wie würdest Du Deine Arbeitsweise charakterisieren?

 

Am Anfang steht meist eine umfassende Recherche zu einem tagespolitischen oder historischen Ereignis. Diese dient mir als Grundlage, um medientheoretische Versuchsanordnungen zu entwickeln. Je nach Projekt kann das Ergebnis in Form eines Fotobuchs, einer Sound- und Videoarbeit oder einer Installation vorliegen. Meine Arbeiten sind oft sperrig und verlangen den Besucher*innen einiges ab. Sie müssen sich aktiv auf die Suche begeben und den Spuren folgen, die ich im Ausstellungsraum lege.

 

Deine künstlerische Arbeit hat unverkennbar ein gesellschaftspolitisches Anliegen und thematisiert den Rahmen bzw. die gesellschaftlichen Bedingungen von Bildern. Dieses Spannungsfeld von Gesellschaft, Politik und Bild könnte man aber auch einfach in einem Text darlegen, der auf die Konklusion hinausläuft, dass gesellschaftspolitisch gesättigte Medienkompetenz gesellschaftlich wichtig ist. Warum braucht es also eine künstlerische Verarbeitung der für jeden offensichtlichen problematischen Vermittlung von Bildern?

 

Es geht mir darum, visuelle Strategien zur Disposition zu stellen – das kollektive Gedächtnis und die historischen Dokumente, auf denen es basiert, zu hinterfragen. Natürlich gibt es dazu viele hervorragende Texte und wissenschaftliche Abhandlungen. Die Freiheit, die ich als Künstler habe, besteht darin, eben nicht wissenschaftlich arbeiten zu müssen. Ich kann mich auf Dokumente beziehen, Teile davon weglassen, sie in andere Medien übertragen und überzeichnen. Vielleicht gelingt es mir auf diesen künstlerischen Abwegen, der Wirklichkeit sogar näher zu kommen, als es eine wissenschaftliche Abhandlung vermag.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 


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