Julian Kuppe

Kommentar: Der Druck soll erhöht werden

Die im Sondierungspapier geplanten Maßnahmen werden weder die Sicherheit verbessern noch die soziale Polarisierung abbauen, kommentiert Julian Kuppe.

Zu Beginn des von CDU/CSU und SPD vereinbarten Sondierungspapiers heißt es, die soziale Sicherheit und die Demokratie sollten gestärkt werden. Ein lobenswertes Ziel - doch wie soll das nach Vorstellung dieser Parteien geschehen?

Als Ursachen für die „Polarisierung in unserem Land“ werden „irreguläre Migration“ und ein angeblich „groß angelegter Sozialleistungsmissbrauch“ genannt, die angeblich die öffentliche Infrastruktur belasten. Tatsächlich resultiert die soziale Polarisierung jedoch aus einem Wirtschaftssystem, das den von allen erarbeiteten Reichtum in den Händen einer kleinen Klasse konzentriert, die die Unternehmen besitzt. Die übermäßige Belastung der Infrastruktur ergibt sich daraus, dass zu wenig von diesem gesellschaftlichen Reichtum in deren Erneuerung und Ausbau fließt, da er stattdessen an die besitzende Klasse weitergeleitet wird. Die soziale Polarisierung hat also nichts mit „irregulärer Migration“ oder „großangelegtem Sozialleistungsmissbrauch“ zu tun – und kann folglich auch nicht durch deren Reduzierung gelöst werden.

Einige zentrale Maßnahmen zur Migrations-, Arbeits- und Sozialpolitik, die im Sondierungspapier skizziert werden, sind bereits europarechts- und grundgesetzwidrig. So verstößt die geplante „Zurückweisung an den Staatsgrenzen“ gegen europäisches Recht. Und mit der geplanten Ersetzung des „Amtsermittlungsgrundsatz“ im Asylrecht durch den „Beibringungsgrundsatz“ würde ein fundamentaler rechtsstaatlicher Grundsatz außer Kraft gesetzt.

Mit der Einführung des „Vermittlungsvorrangs“ und der Möglichkeit des „vollständigen Leistungsentzugs“ bei wiederholter Verweigerung „zumutbarer Arbeit“ wird aus dem Bürgergeld wieder Hartz IV. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2019 entschieden, dass Sanktionen von mehr als 30 % des Existenzminimums verfassungswidrig sind. Die im Sondierungspapier geplanten Verschärfungen der Sanktionen sind also mit der „Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ nicht vereinbar. Wie schon bei der Einführung von Hartz IV sollen Menschen durch Sanktionen in jede noch so unzumutbare Arbeit gezwungen werden. Der damit verbundene Druck erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Erwerbslose in schlecht bezahlte Jobs gedrängt werden und schnell wieder arbeitslos werden. Diese politische Herstellung des Niedriglohnsektors geht zunächst vor allem zu Lasten von Frauen, Migranten und anderen, die sich in einer stärker abhängigen Lage befinden. Letztlich aber wirkt sie sich nachteilig auf die Position aller Lohnabhängigen aus. Zu diesen Angriffen auf den demokratischen Rechts- und Sozialstaat soll eine steuerliche Entlastung kommen, die zu einer weiteren Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von der arbeitenden Bevölkerung zur besitzenden Klasse führen wird.

Die im Sondierungspapier geplanten Maßnahmen im Bereich Migration, Arbeit und Soziales können das erklärte Ziel der Stärkung von sozialer Sicherheit und Demokratie nicht nur nicht erreichen - sie führen vielmehr zu verstärkter sozialer Polarisierung, weniger sozialer Sicherheit und einer Schwächung der Demokratie.


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