Liebevolle Zerlegung der Idylle
Die Weihnachtszeit gilt als eine besonders besinnliche, und wie vieles, was in der Konsumgesellschaft erfunden wurde, ist auch dieser Zusammenhang geflunkert. Wenn nicht gleich dreist erlogen. Tatsächlich zeichnet sich die Zeit vor dem Fest gerade durch erhöhte Geschwindigkeit in Beruf und im Privaten aus. Jahresendspurt in den Büros, Geschenke kaufen wie besengt, die Anspannung in vielen Familien steigt, wenn Verwandte sich ankündigen und längere Zeit mit einem auf engstem Raum verbringen sollen.
Die meisten Filme, die um das Fest kreisen, werden spätestens am Ende sehr versöhnlich und verkünden eine frohe, meist auch nicht gerade mehrdimensionale Botschaft. Das gilt für Klassiker wie „It‘s A Wonderful Life“ genau so wie für modernere All-Time-Faves wie „Kevin allein zu Haus“. Am Ende finden alle in trauter Eintracht wieder zusammen.
Zerlegung der Idylle
Sehr zu empfehlen, auch weil er in dieser Hinsicht anders verfährt, ist der Film „Gremlins“. Der in seinem Gesamtwerk durchweg mehr oder weniger anarchisch agierende Filmemacher Joe Dante brachte die Horrorkomödie 1984 in die Kinos. Der Plot ist simpel: Ein skurriler Erfinder bringt seinem Sohn ein putziges Haustier mit, das er in einem dunklen Asia Shop gekauft hat. Der Mogwai, so der Name, braucht besondere Betreuung: Nach Mitternacht darf er nichts zu essen kriegen, und mit Wasser darf er nicht in Berührung kommen.
Daraus wird natürlich nichts, der Mogwai, an sich herzensgut, isst zur falschen Zeit und wird nass und gebiert in der Folge fiese grüne Schleimmonster aus seinem Rücken. Die zerlegen dann für den Rest dieses auch dreißig Jahre nach seinem Erscheinen noch sehr komischen Films die idealtypische amerikanische Suburb, in der „Gremlins“ spielt. Das Chaos aber, das die Titelhelden anrichten, ist weniger bedrohlich, sondern lustvoll und als Spektakel inszeniert: die Zerlegung einer Idylle.
Harmonische Monster
Diese Idylle wirkt noch idyllischer, weil sie in warmen Farben inszeniert und mit Jingle-Bells-artiger Musik unterlegt ist. Aber sie ist von Anfang an brüchig. Joe Dante zeigt, wie dann auch in dem fünf Jahre später entstandenen „Meine teuflischen Nachbarn“, den spießigen Vorort als brüchige Fassade, hinter der sich im besten Fall Wunderliches, im ungünstigsten Fall Bösartigkeit verbindet.
Die Gremlins sind Poltergeister, die wie sadistisch gewordene Kinder agieren. Sie wirken aber auch lustiger, spektakulärer und damit schlicht lebendiger als die Suburb-Bewohnerinnen und -Bewohner, die ihr Dasein eher fristen, als dass sie ein Leben leben würden.
Diese im subversiven Radaukino eigentlich recht klassische Konstruktion wirkt vor der ironisch überzogenen weihnachtlichen Kulisse des Films noch schärfer. Und das alles in Kombination dann allerdings auch wieder recht anheimelnd, denn: „Gremlins“ ist paradoxerweise ein Film, der die Normalität genauso schätzt wie das Monströse. Und sie zugleich veralbert. In diesem Sinne hat Joe Dante keinen Anti-Weihnachtsfilm gedreht, sondern einen, der seine Monster liebt, die Menschen, die von ihnen traktiert werden aber auch. Und der Letztere in ihrem Wunsch nach Gemütlichkeit und Harmonie ernst nimmt, schon weil dieses Ernstnehmen die beste Voraussetzung für die monströse Disruption ist.
Der Film kann bei Amazon und WOW gestreamt werden. Am 24. 12. läuft er um 5.40 Uhr auf Kabel 1.