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Menschen ermutigen, aktiv zu werden

Anne Deutsch möchte in Osterholz die Gruppe Omas for Future gründen, um sich für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft einzusetzen. Luisa Mersmann und Patrick Viol haben mit ihr über den Ausgang der Wahl gesprochen.

Anne Deutsch lädt am Dienstag, 11. März, um 17 Uhr ins Mehrgenerationenhaus zu einer Informationsveranstaltung zur Gründung Ortsgruppe der Omas for Future.

Anne Deutsch lädt am Dienstag, 11. März, um 17 Uhr ins Mehrgenerationenhaus zu einer Informationsveranstaltung zur Gründung Ortsgruppe der Omas for Future.

Bild: Deutsch

Freu Deutsch, wie haben Sie die Ergebnisse der Bundestagswahl persönlich aufgenommen?

Zum ersten Mal hatte ich Angst vor einer Bundestagswahl. Die politischen Entwicklungen waren absehbar, aber das Ergebnis ist ein böses Erwachen - außer für die Blauen. Dass die Linken ebenfalls Zugewinne verzeichnen konnten, setzt zumindest einen Gegenpol.

Haben Sie mit dem Ergebnis gerechnet?

Ja, aber nicht mit einem derart hohen Stimmenanteil für die AfD.

Welche gesellschaftlichen Entwicklungen haben Ihrer Meinung nach dazu beigetragen, dass die AfD einen solchen Erfolg verbuchen konnte?

Viele Menschen fühlen sich von der Ampel-Regierung im Stich gelassen. In Gesprächen höre ich immer wieder, dass sie nichts für die arbeitende Bevölkerung tut. Es gibt Sanierungsstaus, ein Bahnchaos, Probleme in der Bildung, der Wirtschaft und der Arbeitsmarktpolitik. Zukunftsperspektiven fehlen. Die AfD gibt darauf einfache, populistische Antworten: Grenzen schützen, keine Geldleistungen für Asylbewerber, Asylrecht verschärfen.

Gleichzeitig muss man betonen: Keine neue Regierung musste mit so vielen Krisen gleichzeitig starten. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Corona, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise waren eine immense Belastung. Hinzu kamen politische Fehlentscheidungen und mangelnde Kommunikation. All das führte zu wachsender Unzufriedenheit.

Sie sprachen von einfachen Antworten. Was wären denn bessere Antworten?

Es braucht es ein Einwanderungsgesetz, das klar regelt, was Neuankömmlinge erwartet, was sie leisten müssen und was von ihnen gewünscht ist. Und eine Arbeitsmarktöffnung. Geflüchtete sollten direkt arbeiten dürfen, wie es bei den Ukrainern funktioniert hat. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Einbürgerung müssen beschleunigt werden. Menschen, die hier arbeiten, integrieren sich schneller und finden ihren Platz in der Gesellschaft.

Sehen in dem Ergebnis der Wahl eine Gefahr für demokratische Grundwerte und den Zusammenhalt in Deutschland?

Ja. Natürlich gehört es zur Demokratie, unterschiedliche Meinungen zuzulassen. Wenn jedoch demokratische Grundrechte infrage gestellt werden - etwa durch Forderungen, das Asylrecht abzuschaffen -, überschreitet das die Grenze zur Hetze gegen Menschen.

Wie demokratisch ist eine moralische Verurteilung der Mehrheit der deutschen Wähler? Auf vielen Demos wurde Friedrich Merz in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt.

Das ist eine schwierige Frage. Moral definiert sich durch gesellschaftlich akzeptierte Werte und Normen. Diese können unterschiedlich interpretiert werden. Wer jedoch gegen Menschenrechte hetzt, verstößt klar gegen unsere demokratischen Grundwerte und Moralvorstellungen.

Die Demos gegen Rechts inszenieren sich als Ausdruck der Mehrheit, doch das Wahlergebnis spricht eine andere Sprache. Sehen Sie Anlass zur Selbstkritik auf Seiten der Demokratieschützer?

Ich persönlich bin bisher nicht auf Demos gegangen, sondern habe immer den direkten Dialog gesucht. Die Sorgen und Nöte der Menschen zu verstehen und Lösungen zu finden, dauert oft länger als ein lauter Protest. Veränderung braucht Geduld – ein Beispiel: Dass jede Schule einen Sozialarbeiter benötigt, war schon vor 50 Jahren Konsens. Doch erst 2021 wurde es in Niedersachsen gesetzlich verankert. Solche langen Prozesse führen verständlicherweise zu Politikverdrossenheit.

Welche Auswirkungen hat dieses Wahlergebnis auf Ihre zukünftige Arbeit als Oma for Future?

Ich werde mich noch stärker dafür einsetzen, Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden. Es bringt nichts, nur zu Hause zu schimpfen oder den Schuldigen anderswo zu suchen. Und ganz ehrlich: Sollten alle Menschen mit Migrationshintergrund aus diesem Land verschwinden, würde hier vieles zusammenbrechen - und ich wäre dann auch weg.

Wie bewerten Sie die kleine Anfrage der Union, die auf den Entzug der Steuerbefreiung bzw. der Gemeinnützigkeit von zi8vilgesellschaftlichen Organisationen hinauslaufen könnte?

Das ist völlig inakzeptabel. Ein ähnlicher Vorstoß wurde bereits im vergangenen Jahr von der AfD in Thüringen unternommen. Damals traf es vor allem politisch aktive Vereine und Verbände wie Campact. Natürlich ist es legitim, Vereine und Organisationen regelmäßig zu überprüfen - insbesondere, wenn es Hinweise auf rechtswidriges Handeln gibt. Doch hier geht es nicht um eine neutrale Prüfung, sondern um gezielte politische Einflussnahme auf Greenpeace oder die Omas gegen rechts. Das ist nicht hinnehmbar.

Wenn Friedrich Merz diesen Kurs fortsetzt, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Er entwickelt sich zum deutschen Trump. Das ist meine ganz persönliche Meinung.

Haben Sie vielen Dank.


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