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Milliardäre im Bergdorf

Das 55. Weltwirtschaftsforum in Davos erntet Kritik aus verschiedenen Richtungen.

Davos. Das Weltwirtschaftsforum fand vergangene Woche zum 55. Mal im schweizerischen Davos statt. Kritik - am Format der Veranstaltung, ungleicher Verteilung von Reichtum und ökologischen Implikationen - wird aus verschiedenen Richtungen laut.

LobbyControl hat in einer Kurzstudie scharfe Kritik an der Rolle der weltweit größten Technologiekonzerne und ihren Eigentümern beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos geübt. Der gemeinnützige Verein sieht in dem jährlichen Treffen der Wirtschafts- und Politikeliten ein Sinnbild für die problematische Verflechtung von unternehmerischer Macht und politischem Einfluss.

Laut der Analyse finanzieren amerikanische Tech-Giganten wie Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple das Forum maßgeblich mit und nutzen ihren exklusiven Zugang, um eigene wirtschaftliche und politische Interessen durchzusetzen. Die fünf Unternehmen, die eine Marktkapitalisierung von fast 12 Billionen Euro auf sich vereinen, gehören zu den mächtigsten Akteuren der Weltwirtschaft. Ihre Geschäftsmodelle basierten laut LobbyControl auf monopolartigen Strukturen und sie nutzten ihre marktbeherrschende Position systematisch aus.

 

Big Tech ist auch Big Lobby

Besonders besorgniserregend ist nach Ansicht der Autoren der Einsatz dieser Marktmacht, um hohe Profite zu erzielen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Die LobbyControl-Studie zeigt auf, dass die fünf Unternehmen in den USA und Europa jährlich über 89 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgeben. Damit führen sie die Rangliste der Lobbyausgaben deutlich an - noch vor Branchen wie dem Finanzsektor oder der Automobilindustrie, die ebenfalls für ihre intensiven Bemühungen im Bereich Interessenvertretung bekannt sind.

Diese Mittel würden gezielt eingesetzt, um regulatorische Maßnahmen wie den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) in Europa zu beeinflussen. Beide Gesetze zielen darauf ab, die Macht von Tech-Konzernen einzuschränken und die Digitalisierung demokratisch zu gestalten. LobbyControl warnt, dass der Druck auf Europa, seine fortschrittlichen Regeln abzuschwächen, insbesondere durch die enge Verflechtung von Big Tech mit der US-Regierung weiter steigen dürfte.

 

Tech-Milliardäre: Laute Minderheit

Ein weiteres Problem, das die Studie benennt, ist die wachsende politische Einflussnahme einzelner Figuren wie Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos. Musk, dem unter anderem Tesla, SpaceX und die Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) gehören, wirft LobbyControl vor, direkt in politische Prozesse einzugreifen und die Infrastruktur seiner Unternehmen gezielt einzusetzen, um seine politischen Interessen zu verfolgen. So habe der Milliardär zuletzt öffentlichkeitswirksam für rechte Parteien in Europa geworben und über die von ihm kontrollierte Nachrichtenplattform politische Kampagnen beeinflusst. Durch hohe Wahlkampfspenden habe Musk im US-Wahlkampf erheblichen Einfluss auf die politische Agenda gewonnen.

Die Studie kritisiert darüber hinaus die intransparente Struktur des Weltwirtschaftsforums, das durch seine enge Zusammenarbeit mit Unternehmen und deren privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern zu einem Symbol für die problematische Verzahnung von Wirtschaft und Politik geworden sei. LobbyControl fordert eine grundlegende Reform des WEF und ein Ende einseitiger Lobbyforen. Zudem sei es dringend notwendig, die Monopolmacht der großen Tech-Konzerne einzuschränken, Abhängigkeiten von ihren Produkten und Dienstleistungen zu reduzieren und klare Regeln für Transparenz und demokratische Kontrolle einzuführen. Nur so könne noch verhindert werden, dass die Demokratie durch die Macht von Superreichen und Großkonzernen weiter ausgehöhlt werde.

 

Vermögen jenseits der Vorstellungskraft

Oxfam hat das diesjährige Weltwirtschaftsforum in der Schweiz ebenfalls zum Anlass genommen, Kritik zu äußern. Die internationale Organisation hat eine alarmierende Analyse vorgelegt, in der wachsende soziale Ungleichheit und ihre bedrohlichen Auswirkungen auf die Demokratie beleuchtet werden. Das Problem beginne bei der ungleichen Verteilung von Reichtum: Laut dem Bericht ist das Vermögen der weltweit knapp 2.800 Milliardäre im Jahr 2024 um zwei Billionen US-Dollar gestiegen - das entspricht einem Zuwachs von zwei Millionen US-Dollar pro Tag. Die zehn reichsten Menschen der Welt haben mit 100 Millionen Dollar am Tag sogar das fünfzigfache der „normalen“ Milliardäre dazuverdient. Gleichzeitig lebe fast die Hälfte der Weltbevölkerung - 3,6 Milliarden Menschen - weiterhin an oder unter der Armutsgrenze von 6,85 US-Dollar pro Tag, die von der Weltbank festgelegt wurde. Besonders betroffen seien laut Oxfam Frauen und marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die überproportional häufig unter Hunger, Armut und fehlenden sozialen Sicherungssystemen litten.

 

Oxfam fordert Steuer für Superreiche

Die Steuerpolitik vieler Staaten trage maßgeblich dazu bei, dass die Ungleichheit sich verschärfe: Während Superreiche von Steuervergünstigungen und Schlupflöchern profitierten, würden Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuer weltweit erhöht. Unter der Mehrbelastung litten insbesondere einkommensschwache Haushalte.

In Deutschland zahlen Milliardäre laut der Analyse effektiv niedrigere Steuerquoten als die Mittelschicht. Eine globale Vermögenssteuer von zwei Prozent könne nach Rechnungen von Oxfam allein in Deutschland bis zu 28 Milliarden Euro pro Jahr einbringen und weltweit bis zu 377 Milliarden US-Dollar generieren. Nach Ansicht der Hilfsorganisation sollten auf diese Weise dringend benötigte Investitionen in Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit finanziert werden.

 

Unverhältnismäßiger Einfluss gefährdet Demokratie

Der Bericht kritisiert zudem - ähnlich wie LobbyControl - die wachsende Konzentration wirtschaftlicher Macht. Immer weniger Konzerne dominierten ganze Branchen und nutzten ihre Marktmacht, um Preise ungehindert zu erhöhen und Gewinne zu maximieren. Allein in den Jahren 2021 und 2022 stiegen die Gewinne der größten Unternehmen weltweit um 89 Prozent. Davon profitierten vor allem Aktionäre und Eigentümer der Konzerne, während die Reallöhne vieler Beschäftigter inflationsbereinigt gesunken seien. In Deutschland etwa seien die Dividenden großer Unternehmen im gleichen Zeitraum zwölfmal schneller gestiegen als die Löhne.

Oxfam sieht durch die wachsende soziale Ungleichheit nicht zuletzt auch die Demokratie gefährdet: Extreme Vermögenskonzentrationen führten unweigerlich zu einer unverhältnismäßigen politischen Einflussnahme durch Superreiche und ihre Unternehmen. Dies zeige sich etwa in Form von Lobbyarbeit, der Finanzierung politischer Kampagnen oder dem Besitz von Medien. Gleichzeitig sinke das Vertrauen in politische Institutionen, insbesondere bei einkommensschwachen Gruppen. Eine demokratische Gesellschaft, so Oxfam, könne nur funktionieren, wenn soziale Gerechtigkeit hergestellt und wirtschaftliche Macht begrenzt werde.

Ohne entschlossene politische Maßnahmen werde die Ungleichheit weiter wachsen - mit gravierenden Folgen für soziale Stabilität. Das Papier von Oxfam fordert deshalb umfassende Reformen. Neben einer Vermögenssteuer und stärkerer Progressivität im Steuersystem plädieren die Verfasser:innen für höhere Investitionen in den Klimaschutz sowie in öffentliche Infrastruktur. Gleichzeitig müsse die Marktmacht von Konzernen durch strengere Kartellgesetze begrenzt werden.

 

Die Hardware kommt an ihre Grenzen

Vor dem Hintergrund der Veranstaltung in Davos werden auch ökologische Fragen gestellt - mitunter vom Weltwirtschaftsforum selbst. Der Global Risks Report, der jedes Jahr vom WEF veröffentlicht wird, benennt die größten Herausforderungen, die die Weltgemeinschaft im kommenden Jahr und innerhalb des nächsten Jahrzehnts bewältigen muss. In einer Umfrage unter mehr als 900 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik werden insbesondere klimabedingte extreme Wetterereignisse als eines der drängendsten kurzfristigen Risiken hervorgehoben.

Dieser Einschätzung schließt der NABU sich an: „Steigende Temperaturen, schwindende Wälder, verschmutzte Meere und ein alarmierender Verlust an biologischer Vielfalt zeigen: Die planetaren Belastungsgrenzen sind erreicht, vielerorts bereits überschritten. Die Natur sendet unmissverständliche Warnsignale“, sagt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Er zieht einen Vergleich mit dem Computer: Unsere Art zu wirtschaften - die „Software“ - passe nicht zur „Hardware“ unseres Planeten. Da ein Hardware-Upgrade in diesem Fall wohl schwer möglich sei, müsse eine passende Software entwickelt werden: „Das Weltwirtschaftsforum kann die Weichen für eine nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft stellen. Ohne entschlossenes Handeln wird die ökologische Krise zur ökonomischen Katastrophe. Ohne intakte Ökosysteme und eine gesunde Umwelt gibt es keine langfristige wirtschaftliche Sicherheit“, so Krüger.


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