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Eine Studie des DGB, die am 12. Februar veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass jede zweite erwerbstätige Frau ihre eigene Existenz nicht sichern kann. Bei Männern betrifft das etwa ein Viertel. Kommt mindestens ein Kind dazu, liegt der Verdienst bei 70 % der erwerbstätigen Frauen und bei 47 % der erwerbstätigen Männer langfristig unterhalb der Existenzsicherung.
Der Grund für diese Armut trotz Arbeit ist der Niedriglohnsektor, der 2005 mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II, auch Hartz IV genannt, durch die rot-grüne Bundesregierung in großem Maßstab geschaffen wurde. Alle folgenden Bundesregierungen unter Beteiligung von CDU, SPD, FDP und Grünen haben dieses System weiter ausgebaut und sind politisch dafür verantwortlich. Der zentrale Hebel, um den Niedriglohnsektor zu schaffen und aufrechtzuerhalten, sind die Sanktionen, die bei der Ablehnung zumutbarer Arbeit drohen. Dadurch ist es nicht möglich, Niedriglohnarbeit abzulehnen.
Mindestlohn reicht nicht
Frauen sind davon besonders betroffen, weil sie häufiger in Teilzeit und in Berufen mit niedriger Entlohnung arbeiten. Darin zeigt sich eine immer noch weit verbreitete Verteilung sozialer Rollen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung: Frauen übernehmen den größten Teil der unbezahlten Hausarbeit und arbeiten, wenn sie beschäftigt sind, zu 47 % in Teilzeit, während erwerbstätige Männer zu 90 % Vollzeit arbeiten. Als Mittel dagegen, auf den Mindestlohn zu setzen, ist unzureichend, wie die DGB-Studie zeigt. In Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2015 ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, der seit 1. Januar 2025 12,82 € beträgt. Um auch für den Fall von Arbeitslosigkeit, Elternzeit oder Erwerbsunfähigkeit und für das Alter zumindest in Höhe des Existenzminimums abgesichert zu sein, wäre aber der Studie zufolge ein deutlich höherer Mindestlohn nötig. So waren für die langfristige Existenzsicherung über den Lebensverlauf bei einer Vollzeitbeschäftigung von 38 Stunden pro Woche im Jahr 2023 für eine erwachsene Person ein Mindestlohn von 18,89 € und für eine Person mit einem Kind unter 6 Jahren von 23,81 € erforderlich.
Für Teilzeitarbeit, der Frauen überdurchschnittlich nachgehen, müsste der Mindestlohn noch einmal erheblich höher liegen. Bei 25 Stunden wären das beispielsweise für 2023 gerechnet 28,73 € und 36,19 € mit Kind. Die 15 € Mindestlohn, die von SPD, den Grünen, dem BSW und der Linken in ihren Wahlprogrammen für die Bundestagswahl versprochen werden, reichen dafür bei weitem nicht aus. Der Mindestlohn hilft nicht gegen Niedriglohn unterhalb der Existenzsicherung und schützt nicht vor Armut.
Sanktionen müssen weg
Das Problem ist aber viel grundsätzlicher, weil es aus dem Vorhandensein des Niedriglohnsektors resultiert. Die DGB-Studie fordert daher auch, den Niedriglohnsektor zurückzudrängen. Der Mindestlohn steht aber in Zusammenhang mit dem Niedriglohnsektor und überwindet ihn nicht. Dazu müssten die Sanktionen bei der Grundsicherung abgeschafft werden, durch die der Zwang erzeugt wird, Niedriglohnarbeit aufzunehmen. Für die anstehende Bundestagswahl hat das von den relevanten Parteien nur die Linke in ihrem Wahlprogramm. Die Wahlprogramme von SPD, Grünen und BSW wollen die Sanktionen beibehalten; diejenigen von CDU, FDP und AfD sehen eine Verschärfung vor.
Die Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung ist insofern die Folge struktureller Rahmenbedingungen, die Frauen in wirtschaftliche Abhängigkeit drängen, als sie existenzsichernde Löhne und familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter ermöglichen würden, kaum ermöglichen.