PMBK: Jonas Höschl erhält Worpsweder Kunstpreis
Worpswede. Im Laufe der vergangenen Jahre etabliert sich der Paula Modersohn-Becker Kunstpreis zunehmend als bedeutende Auszeichnung der bundesweiten Kunst- und Kulturlandschaft. Nicht allein als Hommage an die jung verstorbene und beispiellose Worpsweder Künstlerin, sondern vor allem zur Betonung der identitätsstiftenden Bedeutung der bildenden Kunst der Region. Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr Wiebke Mertens, Ngozi Ajah Schommers und Jonas Höschl.
Wahrhaftige Augenblicke
Die 27-jährige Wiebke Mertens aus Suhl ist die Nachwuchspreisträgerin. Mittlerweile lebt die junge Künstlerin in Bremen, wo sie ihr Diplomstudium an der HFK erfolgreich absolviert. „Mertens‘ Bilder widmen sich vornehmlich der Darstellung des Menschen und der Frage danach, wie wir von außen gesehen werden oder vielmehr gesehen werden wollen“, betont Beate C. Arnold, Wissenschaftliche Leiterin des Worpsweder ‚Barkenhoff‘. Ihr Werk besteche durch eine fast bildhauerisch-fleischliche Materialität, die eine intime Polarität zwischen Betrachter:in und Bild erzeuge. „Indem die Künstlerin persönliche Momentaufnahmen unkaschiert in malerische Werke übersetzt, vermittelt Mertens eine Wahrhaftigkeit des Augenblicks“, lobt Arnold. Dotiert ist die Auszeichnung, welche sich an Künstler:innen bis 32 Jahre richtet, mit 2.500 Euro, die von der Sparkasse Rotenburg Osterholz gestiftet werden.
Weiblichkeit und Machtstrukturen
In der Kategorie Sonderpreis überzeugt die Kunst von Ngozi Ajah Schommers aus Nigeria. Die diplomierte Künstlerin arbeitet im Mixed-Media-Stil, mischt in ihren Installationen und Bildern Stoffe, Papier und Kunsthaare, die sie eigenhändig herstellt. „Durch den kreativen Einsatz der Materialien sorgt Schommers für wechselnde Oberflächenstrukturen, die sich mit Farbe und Papier allein nicht erschaffen lassen“, kommentiert Beate C. Arnold.. In ihrer Arbeit gehe die Künstlerin so der eigenen Herkunft auf den Grund und erforsche Weiblichkeit sowie Machtstrukturen in ihrer Heimat. Verliehen wird der Sonderpreis, der die Arbeit des Gewinners mit dem Ankauf einer oder mehrerer Arbeiten würdigt, exklusiv an Künstler:innen im Land Bremen und dem Landkreis Osterholz. Gezeigt werden die Arbeiten von Mertens und Schommers im Barkenhoff.
Ausstellung der Nominierten
Die Arbeiten der sieben Finalist:innen des Hauptpreises sind in der Großen Kunstschau zu sehen. „Den Positionen der Schaffenden ist jeweils ein Raum gewidmet, um allen Künstler:innen gleichermaßen einen Spot für ihr Werk zu bieten“, erzählt Kurator Dr. Stefan Borchardt. Zunächst trifft man dabei auf die Kunstwerke der Malerin Jeehye Song, die in ihren humorvollen Motiven die emotionale Niedergeschlagenheit der Gesellschaft verarbeitet. „Die Kunst hilft uns, uns von unseren Gefühlen zu erleichtern“, findet die Künstlerin und wagt damit den Versuch, der belastenden Welt zunehmend gerecht zu werden.
Fotograf Florian Glaubitz richtet seinen Blick mehr auf die Darstellung des Nebensächlichen, indem er - häufig biografisch unterlegt - kleine, unscheinbare Beobachtungen aus der Welt eindrucksvoll inszeniert. „Für Glaubitz spielt vor allem die Veränderbarkeit der Wahrnehmung des Betrachters eine große Rolle, weshalb er seine Bilder bewusst kleinformatig präsentiert“, bemerkt Borchardt. Anders als Nico Pachali, bei dem Zeichnen und Schreiben ineinander übergehen, indem der Künstler den Arbeitsprozess unmittelbar in seinen Werken reflektiert. Hierfür hat Pachali eine ganz eigene Schrift- sowie Bildwelt geschaffen und selbst einen transparenten Zeichenuntergrund produziert, in dem er die Potenzialität, deren Entfaltung und die Bewegung der Begutachtenden mitdenkt.
Eindrücklich wird es auch bei Saskia Senge, die mit ihren plastischen Installationen aus industriellen Werkstoffen die Merkwürdigkeit der Wirklichkeit befragt, indem sie alltägliche Gebrauchsgegenstände künstlerisch umdeutet. Architektonisch fragt sich ebenso Atsushi Mannami, wie gewöhnliche Baukunst den sozialen Raum gestaltet und den Ein- sowie Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen bedingt. „Hierzu verkreuzt der Künstler die Bestimmung der Materialien und sorgt so für eine Ambivalenz zwischen Stabilität und Vergänglichkeit“, sagt Dr. Stefan Borchardt.
Maria Sewcz zeigt in ihrer Bildreihe ‚inter esse‘, was es heißt, im Berlin der 80er-Jahre dabei und zeitgleich dazwischen zu sein. In insgesamt 35 Bildern reflektiert sie den inneren Kampf mit sich selbst und stellt den Fotos eine Bildstrecke gegenüber, in der sie die Zivilisation des heutigen Berlins spiegelt.
Politik, Medien, Propaganda
Gewinner des diesjährigen Paula Modersohn-Becker Kunstpreises, der sich gegen knapp 340 Bewerber:innen durchgesetzt hat und den Hauptpreis im Wert von 7.500 Euro erhält, ist der politische Konzeptkünstler Jonas Höschl aus Regensburg. Der Künstler hinterfragt in seinen Werken kritisch die historische Wirklichkeit, wobei er Betrachter:innen zur aktiven Erschließung seiner Installationen ermutigt. Eine besondere Rolle für Höschls Inszenierung in der Großen Kunstschau spielt die Wirkung der Medien, welche sein Werk über die Attentate der RAF inszenatorisch rahmt. Zu sehen ist eine rote Suzuki GS 750, vor einem roten Display wie bei der RAF Ausstellung im Stuttgarter Haus der Geschichte. Das Modell hat auch die RAF bei ihrem Buback-Attentat benutzt. Auf der Rückseite des Displays befindet sich eine Video-Collage u.a. aus Bildern von Bauteilen, Reparaturhandbuch, Bildern der Tat und des Tatorts.
„Jonas Höschl hat die Jury durch seinen souveränen Umgang mit dem fotografischen Diapositiv überzeugt, welches eine ästhetische Heranführung und kluge Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie ermöglicht“, heißt es im abschließenden Urteil der fachkundigen Jury. Seine Verarbeitung dokumentarischen Materials rege dabei zur eigenen Spurensuche an und schaffe Raum für politisches Bewusstsein, ohne dass Höschl selbst aktivistisch bewerte. Thematisch wird anhand Höschls Arbeit das Spannungsfeld von Politik, Medien und Propaganda. Und nicht zuletzt bricht in die Wahrnehmung des Relikts des RAF-Terrorismus die Gegenwart der Hamas-Terroristen, die bei ihrem Massaker am 7. Oktober 2023 auch auf Motorrädern unterwegs waren.
Wer sich selbst vom Werk des Gewinners und seiner Mitfinalist:innen überzeugen möchte, ist ab dem 17. November herzlich dazu eingeladen. Die begleitende Ausstellung des Preises sowie Bilder und Installationen der Sonder- und Nachwuchspreisträger:innen zeigt man im Worpsweder Barkenhoff und der Großen Kunstschau bis zum 9. März 2025.