Steine statt Stauden
„Garten des Grauens“ oder modern-elegante Grundstücksgestaltung? An den sogenannten Schottergärten, die großflächig mit Steinen bedeckt sind, scheiden sich die Geister. Unstrittig ist allerdings, dass die „Steinwüsten“ schlecht für Natur und Klima und zudem laut Niedersächsischer Bauordnung unzulässig sind.
Dort heißt es in Paragraf 9, Absatz 2: „Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“
Kommunen setzen auf Freiwilligkeit
Die meisten Städte und Kommunen gehen aber bisher nicht gegen Bauherren vor, die beim Neu- oder Umbau ihres Hauses einen Schottergarten anlegen. Jens Wendelken vom Bauamt der Stadt Osterholz-Scharmbeck begründet das unter anderem so: „Wir wollen nicht in die persönliche Kreativität und Freiheit bei der Gartengestaltung eingreifen und setzen lieber auf Freiwilligkeit und Aufklärung.“ So sei zum Beispiel ein Flyer für Häuslebauer in Planung, in dem auf die Nachteile eines Schottergartens hingewiesen wird.
Die Kontrolle und mögliche Aufforderung zum Rückbau eines Schottergartens sei zudem immer auch mit großem Aufwand verbunden, so Wendelken weiter. Und es sei unklar, ob ein von der Stadt geforderter Rückbau überhaupt vor Gericht Bestand hätte. Solange es keinen Präzedenzfall mit einem entsprechenden Urteil gebe, werde die Stadtverwaltung jedenfalls nicht tätig werden.
Auch der Landkreis Osterholz setzt laut Sprecher Malte Wintjen darauf, dass Gartenbesitzer sich über eine ökologische Gartengestaltung informieren und diese auch umsetzen. Bisher seien der Bauaufsichtsbehörde keine Schottergärten bekannt. Würden aber Schottergärten angezeigt, die in extremer Weise einen Großteil des Grundstücks ausnutzen, werde geprüft, ob die Behörde einschreiten müsse. Wie ein solches Einschreiten aussehen könnte, bleibt dabei allerdings offen.
Die Erfahrung zeige, dass viele Eigentümer*innen oft einfach nicht wüssten, dass sie Freiflächen begrünen müssen, teilt Christine Huchzermeier, Sprecherin des Landkreises Rotenburg, auf Anfrage des Anzeigers mit. Es bestehe noch Aufklärungsbedarf. Gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde werde zurzeit geprüft, wie man Eigentümer*innen besser informieren und für eine ökologisch ausgerichtete Gestaltung der Freiflächen sensibilisieren könne. Systematische Kontrollen führe der Landkreis aber nicht durch.
NABU Umweltpyramide klärt auf
Auf Information und Aufklärung setzt auch das hauptamtlich organisierte Umweltbildungs- und Naturschutzzentrum NABU Umweltpyramide in Bremervörde. Zusammen mit dem ehrenamtlichen NABU Bremervörde/Zeven sei ein Projekt zum Thema Schottergärten in Planung, das derzeit aber durch Corona bedingt auf Eis liege, sagt Dr. Maren Meyer-Grünefeldt. Die Leiterin der NABU Umweltpyramide hält nichts davon, Eigentümer*innen mit dem erhobenen Zeigefinger zu mehr Umweltbewusstsein zu ermahnen. Ihr und ihrem Team liege mehr an der Aufklärung darüber, dass Schottergärten weder günstiger noch pflegeleichter als natürlich gestaltete Gartenflächen sind.
Schottergärten sind weder günstig noch pflegeleicht
„Viele wissen gar nicht, dass sie sich mit einem Schottergarten einen riesigen Wärmespeicher schaffen, der schlecht für das Kleinklima rund ums Haus ist“, sagt Maren Meyer-Grünefeldt. Auch die vermeintliche Pflegeleichtigkeit sei ein Irrglaube, denn mit der Zeit setzen sich unter anderem Algen, Moose und Flechten zwischen den Steinen fest, denen kaum Herr zu werden sei. Und auch das Absammeln von verwelkten Blättern im Herbst komme im Schottergarten einer Sisyphosarbeit gleich.
Zu den ökologischen Nachteilen eines Schottergartens zählt zudem die Verwendung nicht nachwachsender Rohstoffe (Steine aus Steinbrüchen) sowie die Tatsache, dass Vögel und Insekten – abgesehen von Mauerasseln - in den Steinwüsten weder Unterschlupf noch Nahrung finden.
Alternativen zum Schottergarten
Maren Meyer-Grünefeldt weist darauf hin, dass es durchaus umweltfreundliche Alternativen zum schlichten Schottergarten gibt. So erteilt die NABU-Umweltpyramide Auskunft darüber, welche Pflanzen sich zum Beispiel zur Gestaltung eines nach alpinem Vorbild angelegten Kiesgartens eignen oder welche pflegeleichten und anspruchslosen Stauden- und Polsterpflanzen rund ums Haus verwendet werden können.
Voraussichtlich ab Frühjahr 2021 stehen für eine solche Beratung ehrenamtliche „naturnahe Gartenbotschafter“ bereit. Ein entsprechendes Projekt wird derzeit bei der NABU Umweltpyramide vorbereitet. Weitere Informationen unter www.nabu-umweltpyramide.de.
Übrigens: Auf dem Blog „Gärten des Grauens“ sowie in den sozialen Netzwerken postet der Botaniker und Biologe Ulf Soltau regelmäßig Bilder zur Kiesgartenkultur in Deutschland und macht sich darüber lustig. Der selbst ernannte Gartensatiriker freut sich auch immer über neue Einsendungen.