Benjamin Moldenhauer

Tough Guys im Klub

Ali Abbasi hat mit seinem Film über die Geschichte des amerikanischen Präsidenten eines der filmisch interessantesten Biopics der Kinogeschichte geschaffen.

Sebastian Stan gelingt ihm auch, die, wenn man so will, Verwandlung Donald Trumps in Donald Trump Schritt für Schritt zu spielen.

Sebastian Stan gelingt ihm auch, die, wenn man so will, Verwandlung Donald Trumps in Donald Trump Schritt für Schritt zu spielen.

Bild: jay dixit/wikicommons

Wie wird jemand, wie er ist? Am Beispiel von Extrempersönlichkeiten kann man die Zurichtungen und anderweitige Trainings, bis ein Erfolgsmensch zum Vorschein kommt, schön nachvollziehen. Zum Beispiel am Orangenen, dem ehemaligen Immobilienunternehmer und Reality-TV-Star und aktuell wieder amtierenden Präsidenten der USA, Donald Trump.

Der iranische Regisseur Ali Abbasi hat mit seinem 2022 in Cannes gezeigten Film „Holy Spider“ gezeigt, dass er in der Lage ist, sich in toxische Männerfiguren einzufühlen und die Weise, wie männliche Gewalt der gesellschaftlichen Normalität nicht nur nicht widerspricht, sondern diese Normalität in gewisser Weise zur Bedingung hat.

In seinem neuen Film „The Apprentice“ geht es nun, wie gesagt, um die Genese eines Erfolgsmenschen, und das, was man hier erfährt, lässt sich ohne Weiteres anschließen an die These aus der „Dialektik der Aufklärung“ von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer: „Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war“.

Immer angreifen

Die Geschichte setzt 1973 ein, als ein Prozess gegen das Unternehmen Trump Management, dessen Geschäftsführung Donald Trump zwei Jahre zuvor von seinem Vater übernommen hatte, wegen Diskriminierung angestrengt wurde. Trump wendet sich an den berüchtigten Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong), der in den Fünfzigerjahren Prozesse für den paranoischen Kommunistenhasser McCarthy geführt hatte und zu einer in New York stadtweit bekannten Figur geworden war.

Wenn die Kamera zu Beginn des Films seinen Titelhelden in das Hinterzimmer eines Clubs begleitet, in dem Cohn residiert, meint man, man wohne einem Mafia-Treffen bei. - „Das Ideal menschlicher Beziehungen ist ihm der Klub, die Stätte eines auf rücksichtsvoller Rücksichtslosigkeit gegründeten Respekts.“ So heißt es nochmal bei Adorno und Horkheimer. Und die Assoziation ist vom Film ohne Frage gewollt. Cohn bläut dem bald von ihm quasi adoptierten Donald Trump prägnante Regeln für schnellen Erfolg ein, die wirken wie aus dem Katechismus eines kriminalitätsaffinen Soziopathen: immer angreifen, immer direkt auf den Mann, mit allen Mitteln, nie auf den Ball spielen, nie zugeben, dass man verloren hat. Und Donald Trump lernt schnell.

Die Zerstörung des anderen

Filmisch ist „The Apprentice“ auf mindestens zwei Ebenen faszinierend. Zum einen gelingt es Ali Abbasi, die Bildgestaltung seiner über zwei Jahrzehnte gehenden Geschichte der jeweiligen Dekade anzupassen. Die Siebzigerjahre werden immer wieder in 16mm-Bildern erfasst, die eine Stadt im Griff von Armut, Kriminalität und Repression zeigen. Und in einem glanzvolleren Bildformat den mit extremer Armut einhergehenden Prunk der reicheren Bevölkerung, irgendwo muss das ganze schöne Geld schließlich bleiben. Die Achtziger werden dann in hässlichen Videobildern erfasst, die die radikale Geschmacklosigkeit der Inneneinrichtungen der von Donald Trump verantworteten Gebäude zur Anschauung bringen.

Zum anderen aber, und damit kommen wir zurück zum Soziopathentum, gelingt es dem Schauspieler Sebastian Stan, der bislang vor allem durch Marvel-Filme bekannt geworden ist, sich dem Sprachgestus und der Mimik Trumps mimetisch nicht einfach nur anzuverwandeln. Es gelingt ihm auch, die, wenn man so will, Verwandlung Donald Trumps in Donald Trump Schritt für Schritt zu spielen. Der jungenhafte, ungelenke und zuerst gar nicht einmal durchweg unsympathische Mittzwanziger entfaltet mit den Jahren sein Potenzial und verwandelt sich unter der Ägide des mehr als semikriminellen Anwalts in den grotesken Machtmenschen und Pestcharakter, den man heute kennt.

Zu einer ordentlichen Soziopathenkarriere gehört auch der symbolische Vatermord an Roy Cohn, der 1986 ganz real an AIDS verstorben ist. Und noch einmal Adorno und Horkheimer: „Am Ende sind die tough guys die eigentlich Effeminierten, die der Weichlinge als ihrer Opfer bedürfen, um nicht zuzugestehen, daß sie ihnen gleichen.“ Bis dahin zeigen Abbasi und sein Hauptdarsteller die Stationen der Verhärtung, die hier absolviert werden mussten, damit am Ende so etwas wie der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten herauskommt. Sie lassen sich als exemplarische verstehen.

Um nur zwei zu nennen, die mit dem Verhältnis des zugerichteten Mannes zur Weiblichkeit zu tun haben: Trumps Bruder Freddy (Charlie Carrick) stirbt früh, mit 42, alkoholkrank, an einem Herzinfarkt. Und der Jüngere, Donald, der ihm nicht geholfen hat, sitzt weinend neben seiner Frau Invanka (Marija Bakalowa) im Bett, schwer atmend und leidend unter Gefühlen wie Scham und Trauer, die da spürbar werden, und die nicht passen zum Ideal des harten, erfolgsversessenen Mannes. Was innen aufsteigt, wird als bedrohlich erlebt und muss abgewehrt werden. Ventil dieser Abwehr ist die Frau, die versucht, ihren Mann zu trösten und dafür angeschrien wird: Sie solle ihn bloß nicht mehr berühren und auch nicht anschauen. Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen...

In einer weiteren Szene vergewaltigt Donald Trump seine Frau, nachdem die ihm an den Kopf geworfen hat, dass er wohl bald kahl werden würde. Jeder naturgemäß fragile, narzisstisch gestörte Soziopath hat mindestens eine Achillesverse, die ihn zum Überschnappen bringt. Bei Donald Trump ist es unter anderem der Gedanke an seine Haare und ans Älterwerden und generell jede Form der Kränkung, gerade aus dem Mund einer Frau. Die drastisch gefilmte Vergewaltigung macht noch einmal deutlich, dass es bei sexualisierten Übergriffen nicht um Lust geht. Drei Minuten vorher hat Trump seiner Frau noch aggressiv erklärt, dass er sie nicht mehr anziehend fände (sie hatte ihm einen Buch über den G-Punkt geschenkt, offenbar in der Hoffnung, ihr Mann hätte ebenfalls Interesse daran, zu so etwas wie einem einfühlsamen Liebhaber zu werden). Es geht um Machtdemonstration und die Gewalt an sich, also um die Zerstörung des anderen.

Komplexes Psychogramm

„The Apprentice“ schont seinen Titelhelden nicht. Wir sehen nicht nur, wie Donald Trump seine Frau vergewaltigt, sondern auch, wie er haltlos Aufputschmittel schluckt, furchtbar dummes Zeug daherredet, das jeden rationalen Gedanken in der direkten Umgebung zu unterbinden versucht, sich im Hotelzimmer von irgendeiner Frau einen blasen und sich in der Schönheitsklinik Fett absaugen lässt. Der Film ist unübersehbar von einer gesunden Aggression gegenüber seiner Hauptfigur getrieben. Trotzdem gelingt „The Apprentice“ ein komplexes Psychogramm, das diese Karriere nicht als Sonder- oder Extremfall fasst, sondern als Ausformung gesellschaftlicher Normalität im Allgemeinen und des zunehmend entfesselten Kapitalismus der Reagan-Jahre im Besonderen. „The Apprentice“ ist eines der filmisch interessantesten und prägnantesten Biopics in der Geschichte des amerikanischen Kinos, so viel lässt sich ohne Weiteres sagen.

 

„The Apprentice – The Trump Story“ läuft am Dienstag, den 11. Februar, um 20 Uhr im Filmpalast Schwanewede und am Dienstag den 25. und Mittwoch den 26. Februar um 20.15 Uhr in den Ritterhuder Lichtspielen. Er kann außerdem u.a. auf Amazon prime gestreamt werden.


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