Luisa Mersmann

Von der Nachfrage überfordert

In Deutschland fehlen zahlreiche Kita-Plätze. Auch in der Region gibt es keinen Überfluss an Betreuungsplätzen.

Bild: Adobestock

Wohin mit den Kindern? Vor dieser Frage stehen jedes Jahr viele Eltern, wenn es um die Kinderbetreuung geht. Experten gehen davon aus, dass sich die Lage in einigen Regionen in den kommenden Jahren verschlechtern könnte und auch in unserer Region stehen die Kita-Träger vor Herausforderungen.

In Deutschland fehlen laut einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) etwa 306.000 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. Das entspricht einem nicht abgedeckten Bedarf von 13,6 Prozent.

Wie in den Vorjahren auch, gibt es auch in diesem Jahr ein Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland. Während die Versorgungslage im Osten mit lediglich knapp 28.200 fehlenden Plätzen am besten ist, fehlen Berechnungen zufolge in Westdeutschland 277.900 Plätze für unter Dreijährige.

In Bremen beispielsweise gibt es für jedes vierte Kind - das entspricht 23,9 Prozent - keinen Kitaplatz. In Niedersachsen fehlen aktuell Betreuungsplätze für 12,4 Prozent der Kinder unter drei Jahren, wie aus der Studie hervorgeht. Das bedeutet, etwa jedes achte Kind hat keinen Kitaplatz.

Ein Grund für den signifikanten Unterschied liege in der Geburtenrate. Laut Dr. Wido Geis-Thöne, Senior Economist für Familienpolitik und Migrationsfragen beim IW, könne es deshalb in den kommenden Jahren im Osten zu einem Überangebot kommen. Schon jetzt müsse die dortige Politik darüber nachdenken, das Betreuungsangebot zu reduzieren.

Im Westen hingegen könnte der Bedarf weiterhin hoch bleiben, weshalb der Ausbau von Plätzen vorangetrieben werden müsse. Bisher schreite der Betreuungsausbau laut der Studie nur schleppend voran. „Der Mangel an Kitaplätzen ist ein politisches Armutszeugnis. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer noch in weiten Teilen der Bundesrepublik stark eingeschränkt“, so Geis-Thöne.

 

Große Herausforderungen

Die Stadt Osterholz-Scharmbeck hat mit genau diesen Herausforderungen zu tun. „In Betracht der Kinderzahlen sind die Plätze aktuell grundsätzlich nicht auskömmlich, jedoch ist das Bestreben der Stadt sehr hoch, möglichst viele Kinder auf einen Betreuungsplatz zu vermitteln“, teilt Linda Gehrmann, Fachbereichsleitung Bildung und Erziehung, mit. Aktuell gebe es allerdings vereinzelt freie Plätze in den Einrichtungen, die von der Stadt geführt werden. Es werde zur Zeit geprüft, ob noch ein weiterer Ausbau der Kitaplätze nötig sei.

Beim Blick auf die Zukunft sei der Faktor der sinkenden Geburtenzahlen, wie auch Geis-Thönen berichtet, zu berücksichtigen. „Mit der aktuellen Ausbauplanung und den vorhandenen Plätzen ist prognostisch damit zu rechnen, dass eine Auskömmlichkeit erzielt werden kann“, so Gehrmann. Die Lage könnte sich also entspannen.

Auch die Kitas der Stadt Bremervörde seien derzeit ausgelastet, laut Rebecca Meyer vom Fachbereich Soziales gebe es einen geringen Anteil an Kindern, die auf einen Kitaplatz warten. Doch aktuell sei ein Kita-Neubau mit vier Gruppen geplant. „Bis zur Fertigstellung dieser Kita wird eine Übergangskita errichtet, in der voraussichtlich allen Kindern auf der Warteliste ein Betreuungsplatz angeboten werden kann“, erklärt Meyer.

 

Entspannung in Sicht

Das SOS-Kinderdorf ist Träger von sechs Kita-Standorten in Worpswede, Osterholz-Scharmbeck und Bremen-Nord. Insgesamt sei deren Platzangebot gut ausgelastet und eine leichte Entspannung sei spürbar, erklärt Sonja Oelfke vom SOS-Kinderdorf. Allerdings sei die Situation je nach Gemeinde und Stadt individuell zu betrachten. In Worpswede sei beispielsweise ein Wandel insofern spürbar, dass eher Elementarplätze als Krippenplätze gesucht würden. Eine Elementargruppe ist eine familienähnliche Gruppensituation, in der sowohl jüngere als auch ältere Kinder betreut werden. So werde diese Situation auch bei dem Kitaneubau berücksichtigt. Die Bauarbeiten dafür haben im Oktober begonnen und sollen voraussichtlich im Sommer 2026 abgeschlossen werden. Dann ziehen die Gruppen aus der Kita „Dat Butjerhus“ dort ein. Um den Bedarf zu decken sollen zwei Elementargruppen und zwei Krippengruppen entstehen.

Darüber hinaus hat das SOS-Kinderdorf, um aktiv gegen den Betreuungsmangel vorzugehen, bereits im vergangenen Sommer die Erweiterung der Kita Regenbogenland in Osterholz-Scharmbeck gefeiert. „Aufgrund der Bedarfe hatten wir eine weitere Elementar- und Krippengruppe eröffnet und damit die Kitagröße auf insgesamt 70 Plätze erweitert“, so Oelfke.

 

Personalmangel verschlimmert sich

Jutta Rühlemann vom Evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Osterholz-Scharmbeck berichtet, dass die acht Einrichtungen mit etwa 450 Betreuungsplätzen derzeit voll belegt seien. Ein Ausbau der Kitaplätze gestalte sich vor dem Hintergrund der wirtschaftlich angespannten Situation jedoch schwierig. Sowohl die Sanierungsnotwendigkeiten an den bereits bestehenden Gebäuden, als auch der akute Fachkräftemangel stellen Herausforderungen dar. „Wie in allen Arbeitsbereichen, geht die Schere der steigenden Bedarfe einerseits und der Rückgang von Personal andererseits immer weiter auseinander“, sagt die Superintendentin. Teilweise könne der Betrieb nur aufrecht gehalten werden, wenn Personal von Zeitarbeitsfirmen eingesetzt werde. Jedoch sei dies lediglich eine Übergangslösung und keinesfalls für die langfristige Betreuung von Kindern geeignet.

Der Personalmangel spiele auch in den Kitas der Stadt Bremervörde eine entscheidende Rolle. Denn obwohl ein Neubau geplant sei, der womöglich alle wartenden Kinder unterbringen könnte, stelle die Personalgewinnung weiterhin ein Problem dar. Und auch Linda Gehrmann aus Osterholz-Scharmbeck gibt an, dass die Personalsituation grundsätzlich als kritisch zu bewerten sei und ein Aus- bzw. Neubau nicht immer die erwünschte Lösung bringe.

„Es entwickelt sich eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nicht durch den Einsatz von Geld zu lösen ist. Eine gesicherte und qualitativ anspruchsvolle Kinderbetreuung ist nur sicherzustellen mit Manpower“, so Rühlemann abschließend.


UNTERNEHMEN DER REGION