Wer soll das bezahlen?
Niedersachsen. Die angespannte Haushaltslage war das bestimmende Thema der Landrätekonferenz Lüneburg - Stade, die zu ihrer jüngsten Sitzung in Harsefeld zusammenkam. Die Verwaltungschefs der Landkreise im Nordosten Niedersachsens waren sich einig, dass die steigenden Kosten die Kommunen und Kreise über ihre Leistungs- und Belastungsgrenze hinaus strapazieren werden. Die Kommunen steuern auf eine große Finanzkrise zu, so der Konsens auf der Konferenz.
Ausgaben explodieren
Die Landrätin und Landräte der Landkreise Celle, Cuxhaven, Harburg, Heidekreis, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Stade, Uelzen und Verden sehen die Landesregierung nun in der Verantwortung, die Kommunen endlich ausreichend zu finanzieren. Ihre Forderung untermauern sie mit bedenklichen Zahlen: Bis 2028 werde sich die Verschuldung der elf Landkreise auf 2,36 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Im letzten Jahr hatten die Kreise insgesamt 1,13 Milliarden Euro an Verpflichtungen vorzuweisen.
Stades Landrat Kai Seefried hatte konkrete Zahlen aus seinem Haushalt parat, die das Ausmaß der erwarteten Mehrbelastung illustrieren: So erhöht sich beispielsweise der Gesamtaufwand im Bereich Jugend und Familie im Haushalt 2025 um 16,6 Millionen Euro auf rund 87 Millionen Euro. Beim Landkreis Stade verblieben davon Kosten in Höhe von rund 72 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahr müsse die Verwaltung allein in diesem Bereich in Summe 20 Millionen Euro mehr aufbringen. Ähnlich sei die Situation in anderen Landkreisen.
Notwendige Investitionen stehen hinten an
Die enormen Kostensteigerungen bringen die Hauptverwaltungsbeamten, ihre Mitarbeiter:innen und die Politik auf Kreisebene in Bedrängnis: „Statt notwendige Investitionen für Schulen, Straßen und energetische Sanierung zu finanzieren, müssen Kommunen jetzt absehbar Konzepte zur Haushaltssicherung erarbeiten. Wir baden politische Versprechungen von Bund und Land aus, die nicht ausfinanziert sind“, beschreibt Rainer Rempe, Landrat des Landkreises Harburg und Vorsitzender der Landrätekonferenz Lüneburg - Stade die Situation.
Der Schuh drückt an vielen Stellen, Rempe und seine Kollegen sprechen von einer „unkontrollierten Ausgabenentwicklung“. Hervorzuheben seien etwa gestiegene Transferleistungen im Sozialbereich und Aufwendungen der Eingliederungshilfe. Einzelne Kommunen müssten hier mit einer Mehrbelastung von bis zu 30 Prozent rechnen. Weitere Beispiele von Leistungen, die durch das Land Niedersachsen nicht ausreichend finanziert würden, seien Kindertagesbetreuung, Jugendhilfe, das Wohngeld Plus oder die staatliche Aufgabenwahrnehmung für Lebensmittel- und Veterinärverwaltung. Die Kosten für Flüchtlingsunterbringung und Einbürgerungsverfahren seien hier noch gar nicht aufgeführt.
Schlusslicht beim Finanzausgleich
In diesem Zusammenhang weisen die Teilnehmer der Konferenz auch darauf hin, dass das Land Niedersachsen seit Jahrzehnten Schlusslicht bei den Pro-Kopf-Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs sei. Im Vergleich zwischen allen 13 Flächenländern der Bundesrepublik werde hier am wenigsten gezahlt - fast 300 Euro weniger pro Einwohner als im bundesweiten Durchschnitt.
Zusätzliche Aufgaben und damit verbundene finanzielle Aufwendungen sind nur eine Seite der Gleichung. Allgemeine Kostensteigerungen - beispielsweise für Personal und Energie - betreffen die Verwaltungen natürlich ebenso wie Privatleute und die Wirtschaft. In Summe ergebe sich ein Kostendruck, der die Verwaltungsspitzen um ihre Handlungsfähigkeit fürchten lässt.
Über den Punkt, an dem sich die Haushalte ausgleichen ließen, indem Kommunen ihre freiwilligen Angebote einschränken, sei man längst hinaus. Zu klein sei ihr Anteil an den Haushalten. Inzwischen hätten die Landkreise ernsthafte Bedenken, ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen zu können, heißt es von der Landrätekonferenz. „Das Zusammenstreichen von freiwilligen Leistungen, die der Unterstützung von Vereinen oder gesundheitlichen Beratungsangeboten dienen, wird die Millionendefizite in keiner Weise auffangen“ - und dürfe auch seitens des Landes auf dem Weg zu einer gerechteren Mittelverteilung nicht zur Bedingung gemacht werden.
Schieflage zwischen Land und Kommunen
Die Teilnehmer der Konferenz in Harsefeld unterstützen eine Forderung des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), die dessen Präsident Marco Prietz bereits im Dezember geäußert hatte. Er ruft das Land Niedersachsen dazu auf, den erwarteten Überschuss im Jahresabschluss 2024 nicht in Rücklagen zu investieren, sondern in „nennenswerter Höhe“ zum Ausgleich der kommunalen Defizite einzusetzen. „Das Land lässt die Kommunen mit ihren finanziellen Sorgen im Regen stehen“, äußerte Prietz anlässlich der Haushaltsberatungen des niedersächsischen Landtags. Er sei enttäuscht über die Haltung der Landespolitik zur finanziellen Not in den Kommunen. „Rücklagen von über zwei Milliarden Euro, Einhaltung der Schuldenbremse und Jahresüberschuss 2023 von 1,6 Milliarden sind die Eckdaten für die Haushaltsplanung des Landes. Die Kommunen stehen hingegen bereits für das vergangene Jahr mit 1,4 Milliarden in den roten Zahlen, weisen in den Haushaltsplanungen 2025 auf Kreisebene flächendeckend Defizite im zweistelligen Millionenbereich aus und erhalten von der Innenministerin lediglich einen Freibrief für weitere Verschuldung“, kritisiert Prietz.