In der Heimat Till Eulenspiegels
Im Braunschweigischen, in der Heimat Till Eulenspiegels, nehmen sie den Kohl durchaus wichtig, nicht ganz so wichtig wie im Bremischen und im Oldenburgischen – aber dazu gehört sowieso eine besondere Mentalität.
Es ist jedenfalls überraschend, dass die Braunschweiger offenbar eine sehr enge geistige Verbindung zu den Bremern haben, wobei ich nicht auf Till Eulenspiegel schiele, der sich zeitweilig in Bremen recht wohl gefühlt hat, sondern auf den Kohl. Die Braunschweiger nämlich sprechen von Braunkohl. Das allerdings ist die einzige Kohl-Verwandtschaft mit den Bremern. Schon bei der Zubereitung eines Kohlessens trennen Bremen und Braunschweig Welten.
Die Braunschweiger setzen ein Stück Schweinefleisch, das gut durchwachsen sein muss, zusammen mit dem Braunkohl zum Kochen auf, wobei sie – und das haben sie mit den Oldenburgern und Bremern gemeinsam – sehr penibel darauf achten, dass der Kohl Frost bekommen hat.
Zu einem Braunkohlessen gibt es im Braunschweigischen Salzkartoffeln und Brägenwurst, die aus Brägen und heutzutage auch aus Schweinefleisch besteht, außerdem aus Zwiebeln und allerlei Gewürzen. Kurz vor dem Essen wird das Stück Schweinefleisch aufgeschnitten.
Im Raum Helmstedt, was auch zum Braunschweigischen gehört, isst man zum Braunkohl Bratkartoffeln, weil dort Bratkartoffeln zu fast allen Gerichten serviert werden. Außerdem heben sich die Helmstedter von den Braunschweigern ab, indem sie als Fleischbeilagen neben der Brägenwurst Kasseler und Bauchfleisch reichen, was die Helmstedter mit den Hannoveranern gemeinsam haben. Auch in Hannover, das – wie wir wissen – nicht zum Braunschweigischen gehört, isst man zum Kohl Kasseler und Bauchfleisch. Pinkel kennt man in Hannover nicht, will es vielleicht auch gar nicht kennen lernen. In Hannover ist man ein bisschen etepetete.
Übrigens gibt es im Helmstedter Raum und auch in Halberstadt, was ja nach der Wende nicht mehr weit vom Braunschweiger Raum entfernt liegt, noch eine andere Zubereitungsart für den Braunkohl. Er wird dort gelegentlich mit Birnen gekocht, was sehr an das schleswig-holsteinische Nationalgericht Bohnen, Birnen und Speck erinnert. Till Eulenspiegel, der ja auch in Schleswig-Holstein war, lässt grüßen.
Der Text stammt aus dem Buch „Kohl- und Pinkelgeschichten“ des unvergessenen Bremer Kolumnisten Hermann Guttmann, erschienen in der Edition Temmen. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.