Boiogasanlage-Branche tauscht sich in Verden bei Biogastagung aus
„Der Patient Biogas - so muss man ihn seit einiger Zeit wohl nennen - fängt langsam wieder an zu atmen“, betonte Hermann Hermeling, stellvertretender Kammerpräsident, bei seiner Begrüßung im Haag‘s Hotel Niedersachsenhof. Habe man bisher nur eine starke Rolle für Biogas im Strommarkt gesehen, mutierten derzeit viele Anlagen ganz langsam zu Nährstoffdrehscheiben.
Impulse
Eines sei aber klar: Die Impulse kämen nicht mehr nur aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinem Bonus- und Prämiensystem, sondern speisten sich zunehmend aus den Bedürfnissen der Landwirtschaft und den Parallelentwicklungen in einer gekoppelten Energiewirtschaft. „Nährstoffüberschüsse in der Landwirtschaft und eine aufkeimende Wasserstoffwirtschaft ebnen den Weg für vollkommen neue Anlagenkonstellationen“, so Hermeling. Der Weg in die Zukunft sei dabei aber nicht so klar wie in Blütezeiten des EEG.
Im Spannungsfeld
Über Biogas im Spannungsfeld unterschiedlicher Gesetze und Verordnungen referierte zunächst Dr. Gerd Reinhold vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum in Jena. Er gehört seit langem zu den erfahrensten Biogasberatern Deutschlands. Er ging nicht nur auf die aktuellen Herausforderungen für Biogasanlagenbetreiber ein, die sich aus der Fortentwicklung des EEG ergeben, sondern auch auf die Querverbindung zur Landwirtschaft mit der Düngeverordnung sowie auf das Wasserrecht und die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft.
Aktuelle Änderungen
Holger Oest, Berater für Pflanzenbau an der Bezirksstelle Bremervörde der LWK Niedersachsen, klärte über die aktuellen Änderungen auf Bundes- und Landesebene auf. Vor dem Hintergrund der Roten Gebiete sowie der Landesdüngeverordnung riet er den Biogasanlagenbetreibern, den Meldezeitraum von Nährstoffvergleich und Düngebedarf einzuhalten und aktuelle Maßnahmen zu beachten. Im Mai gäbe es wahrscheinlich eine Novellierung der Bundesdüngeverordnung, wovon vermutlich die Herbstdüngung betroffen sei. Als Anpassungsstrategien empfahl er, Nährstoffe über den Winter zu binden, die Effizienz organischer Düngung zu steigern und den Mineraldüngereinsatz zu reduzieren.
Erfolgreiche Umstellung
Im Anschluss berichtete zunächst Praktiker Uwe Ringen aus Breddorf (Hanstedt) von der Drewes & Ringen GmbH & Co. KG über die erfolgreiche Umstellung auf einen erhöhten Mistanteil in der Gesamtration. Zum Umbau der Anlage waren umfangreiche Investitionen erforderlich. Des Weiteren plant das Unternehmen die baldige Inbetriebnahme eines Vakuumverdampfers. Damit wäre die Biogasanlage in der Lage, durch die Trennung der Nährstoffinhalte vom organischen Gärstoffrest mehr Nährstoffe in der Ration einzusetzen und sie als Nährstoffdrehscheibe wieder abzugeben.
Wirtschaftsdünger
Als Theoretiker erläuterte dann Peter Schünemann-Plag, Energie- und Unternehmensberater an der Bezirksstelle Bremervörde der LWK Niedersachsen, die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Miteinander aller Beteiligten an der Nährstoffdrehscheibe. Sein Fazit: Ohne Nährstoffmanagement geht es in Zukunft nicht mehr. Er nahm Bezug auf reale Nährstoffsenken (rNS), die sowohl Gas und Nährstoffe aus Wirtschaftsdünger nutzen und den importierten Dünger in der Biogasanlage veredeln, Nullsenken (ØNS), die den Gasinhalt zur Finanzierung der Logistik- und Anlagenkosten nutzen, und virtuelle Nährstoffsenken (vNS), die als Nährstoffdrehscheibe Nährstoffentsorgung in Nährstoffüberschussregionen bieten.
Wettbewerb
Dass Biogas und Biogasstrom am Markt außerhalb des EEGs in der Regel am zu hohen Preis scheitern und somit im Wettbewerb nicht standhalten können, thematisierte Prof. Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Die ökonomische Idee bestehe nun darin, den Umweltschaden fossiler Brennstoffe in Preisaufschlägen auszudrücken und damit Biogas marktfähiger zu machen. Der Wirtschaftsexperte merkte außerdem an, dass die Wettbewerbssituation von Biogas im Stromsektor zwar beispielsweise durch steigende CO2-Preise verbessert würde; allerdings erbringe die Biogaserzeugung neben der Treibhausgas-Einsparung weitere Ökosystemleistungen, die bei der Beurteilung ihrer Vorteilhaftigkeit berücksichtigt werden müssten.
„Gas als Teibstoff“
Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin vom Institut für Biogas Kreislaufwirtschaft & Energie in Weimar beleuchtete Ergebnisse eines eigenen „Gas als Treibstoff“-Projektes. Das Projekt habe einen guten Start gehabt und verfüge derzeit über ein Tankstellennetz von rund 900 Standorten in Deutschland. Doch dann habe der „Batterie-Run“ diesen Pfad in seiner weiteren Entwicklung blockiert. Neuere Entwicklungen sähen allerdings wieder positiver aus. Vorteile, die Scholwin in der „Ab Hof“-Vermarktung von Biomethan sieht, sind unter anderen die lokalen Kreisläufe, der erzielbare Preis und dass es keine Netzanschlusskosten und Abhängigkeiten gibt. Im Gegensatz zur Biogaseinspeisung bemängelt er allerdings unter anderem den unsicheren Absatz sowie den Aufwand für Nachweisführung und Abrechnungen. Weiterhin sieht er einen Nachteil darin, dass es keine finanzielle Förderung für die Tankstelle gibt wie bei der Biogaseinspeisung nach der Gasnetzzugangsverordnung.
Welche Rolle soll Biogas spielen?
Strom, Wärme und Verkehr: Welche Rolle kann Biogas in diesem Konzert spielen? In welcher Rolle sieht die Politik Biogas? Mit einheitlicher Stimme will der Landesverband Erneuerbarer Energien (LEE) gegenüber der Politik auftreten. LEE-Geschäftsführerin Silke Weyberg, die besonders für die Anliegen des Fachverbands Biogas einsteht, widmete ihren Vortrag dem Thema „Sektorkopplung: Perspektiven für Biogas entwickeln“.