Lena Stehr

Die Truppe schwächelt

Der Kreisschülerrat Rotenburg sieht die Pläne zum „Neuen Wehrdienst“ kritisch

 

Bild: Adobestock

Um die Personalstärke der Bundeswehr zu erhöhen, sollen junge Männer künftig alle einen Fragebogen ausfüllen und können daraufhin zur Musterung aufgefordert werden. Der Kreisschülerrat Rotenburg sieht die Pläne zum „Neuen Wehrdienst“ kritisch.

„Die Truppe altert und schrumpft immer weiter“, schrieb die Wehrbeauftragte Eva Högl kürzlich in ihrer jährlichen Bestandsaufnahme für den Bundestag und attestierte der Bundeswehr trotz 100 Milliarden Sondervermögen weiterhin Personal-, Material- und Finanzprobleme. Insgesamt sichern derzeit laut Bundeswehr mehr als 260.000 Menschen – 180.517 in Uniform und 80.713 in Zivil – die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, 24.290 von ihnen sind Frauen.

Zur Abschreckung fähig sein

Um dem Ziel, die Personalstärke bis 2031 auf mindestens 203.000 Soldatinnen und Soldaten in Uniform zu erhöhen, stellte Verteidigungsminister Boris Pistorius jetzt seine Idee zum „Neuen Wehrdienst“ vor und betonte in diesem Zusammenhang auch, dass Russland laut Militärexpertinnen und -experten in fünf bis acht Jahren in der Lage sein könnte, NATO-Territorium anzugreifen. Deutschland und seine Verbündeten müssten daher zur Abschreckung fähig sein.

Keine neue Wehrpflicht

Sein Konzept des „Neuen Wehrdienstes“ setze auf eine Auswahl nach Eignung und Motivation und vorwiegend auf Freiwilligkeit. Es gehe nicht um die Wiedereinführung der alten Wehrpflicht. Diese wurde Mitte der 1950er-Jahre eingeführt und sollte, in Zeiten des Kalten Krieges, sicherstellen, dass die Bundeswehr immer genügend Rekruten hat. Gemustert wurden alle jungen Männer ganzer Jahrgänge. Die Wehrpflicht galt ab 18 Jahren. Wer nicht zur Armee wollte, musste einen Ersatzdienst leisten, zum Beispiel in Form des sogenannten Zivildienstes.

Im Jahr 2011 wurde die Wehrpflicht auf den Spannungs- oder Verteidigungsfall beschränkt und hat damit grundsätzlich weiterhin Bestand, in Friedenszeiten bislang aber keine praktischen Konsequenzen. Artikel 12a des Grundgesetzes ermächtigt den Gesetzgeber, die verpflichtende Einberufung zum Wehrdienst durch ein einfaches Gesetz wieder einzuführen.

Männer müssen, Frauen nicht

Wenn es nach Pistorius geht, sollen ab 2025 18-jährige Männer und Frauen einen Fragebogen zugeschickt bekommen, in dem unter anderem die körperliche Fitness aber womöglich auch die grundsätzliche Bereitschaft zu einem Dienst an der Waffe abgefragt werden soll. Die Beantwortung ist für die Männer verpflichtend und für Frauen freiwillig. Ein Teil der jungen Männer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, wird aufgefordert, sich mustern zu lassen. Frauen können sich freiwillig einer Musterung unterziehen. Die Geeignetsten und Motiviertesten werden ausgewählt.

Die Wehrpflichtigen können sich entscheiden, ob sie einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder einen Wehrdienst leisten wollen, der auf bis zu 23 Monate verlängert werden kann.

Wer Wehrdienst geleistet hat, soll anschließend in die Reserve grundbeordert werden und die Möglichkeit erhalten, jährlich zu trainieren. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall steht dann die Reserve für die Gesamtverteidigung zur Verfügung.

Es wird damit gerechnet, dass etwa 400.000 Menschen die Fragebögen beantworten müssten. Etwa 40.000 würden dann zur Musterung einbestellt.

Kritik vom Kreisschülerrat

Und was sagen diejenigen, die von den Plänen direkt betroffen sein werden? Der Kreisschülerrat (KSR) Rotenburg (Wümme) kritisiert die Pflicht für Männer zum Ausfüllen des Fragebogens, spricht sich aber dafür aus, das Thema in den Schulen zu besprechen. „Wir bezweifeln, ob durch das Ausfüllen eines Fragebogens wirklich Interesse an einem Wehrdienst geweckt werden kann oder ob alternative Möglichkeiten nicht deutlich effektiver wären. Jedoch schließen wir nicht aus, dass sich einige junge Menschen so möglicherweise mehr mit der Frage des Wehrdienst beschäftigen“, teilt der KSR-Vorstand mit.

Grundsätzlich spricht sich der KSR gegen eine Wehr- bzw. Dienstpflicht aus, egal für welches Geschlecht. Jugendliche seien belastet durch Themen wie Klimawandel und würden unter Zukunftsängsten sowie unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Mögliche mentalen Probleme könnten sich durch eine Dienstpflicht weiter verstärken. Es sei nicht förderlich, Jugendliche, die vorher im „verbesserungswürdigen System Schule“ waren und durch eine sehr schwierige Zeit in ihrem Leben gegangen seien, direkt zur Bundeswehr oder in den Zivildienst zu schicken, da dies die Jugendlichen zusätzlich belasten und auch wertvolle Zeit für den Start in Studium oder Ausbildung rauben könnte. Der Staat sollte in Zeiten der freien Entfaltung nicht zu stark über das Leben Jugendlicher entscheiden.

Besonders störend sei zudem das Argument „jeder müsse seinen Beitrag leisten“. „Das impliziert, dass alle Jugendliche niemals jemals etwas getan haben oder auch scheinbar nicht vorhaben, etwas für die Gesellschaft zu tun. Diese Sichtweise verurteilen wir“, so der Vorstand des KSR.

Er plädiert dafür, die Freiwilligendienste, wie FSJ oder FÖJ, besser finanziell zu entlohnen.


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