Schnelltestqualität: Negativ oder falsch-negativ?
„Das beste Testregime bringt nichts, wenn die Tests nichts taugen“, sagt der Bremervörder Grünen-Sprecher Rolf Hüchting.
Anlass seiner Aussage ist der Schnelltest der Firma VivaChek Biotech mit dem Namen „Sars-CoV-2Ag Rapid“, der laut Paul Ehrlich Institut (PEI) nur eine Gesamtsensitivität von 18 Prozent aufweist, trotzdem aber am Bremervörder Gymnasium ausgegeben worden sei, so Hüchting, dessen Frau am Gymnasium unterrichtet.
Passieren dürfen hätte das eigentlich nicht, da laut Innenministerium des Landes nur jene Tests von der zentralen Beschaffungsstelle de Landes, dem LZN, ausgegeben werden sollen, die „auf der vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geprüften und vom zuständigen Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichten Liste aufgeführt“ sind, wie Pressesprecherin Svenja Mischel mitteilt. Der am Gymnasium verteilte Test befindet sich aber weder auf der Liste der vom PEI als ausreichend sensitiv beurteilten Schnelltests noch auf der vom BfArm geführten Liste von Schnelltests zur Eigenanwendung. Aufgeführt ist er hingegen auf der BfArM-Liste der Schnelltests zur professionellen Anwendung, was Holger Petruschke, Schulischer Dezernent vom Landesamt für Schule und Bildung, auch als Grund für dessen Besorgung anführt. Fraglich bleibt aber, warum Schüler:innen ein Test zur professionellen Anwendung ausgehändigt wird. Immerhin führt falsche Anwendung zu falsch-negativen Tests. Ebenso unklar bleibt, warum der Vermerk in der BfArM-Liste zum Test, dass vom PEI keine Evaluation vorliegt, während die aber laut Innenministerium vorliegen soll, kein Grund war, den Test von VivaChek nicht zu besorgen.
Klammheimliche Durchseuchung
Nun können Fehler passieren und die Auflistung scheint in der Tat etwas verwirrend. Doch solche Nachlässigkeit bei der Beschaffung von Tests - selbst in versehentlichen Einzelfällen - verstärkt die sowieso bei Eltern, Schüler:innen und Lehrpersonal bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Selbsttestung. Denn auch bei Tests mit hoher Sensitivität besteht stets die Möglichkeit, dass negativ getestete Schüler:innen infektiös sind. (Mehr dazu auf Seite 3).
Dass vor diesem Hintergrund und den hohen Inzidenzen unter Schüler:innen die geplante Priorisierung von PCR-Tests, die weder Schüler:innen noch Lehrkräfte berücksichtigen soll, von Lehrerverbänden und dem VdK Kritik erfährt, ist nachvollziehbar. Die Politik ließe in Schulen „klammheimlich“ eine „Durchseuchung“ zu, wie der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, die derzeitige Strategie bezeichnet. Und der VdK-Landesvorsitzende Friedrich Stubbe sagt, er könne bei Aussagen wie der des Bundesgesundheitsministers, dass zwei Antigentests hintereinander fast so sicher wie ein PCR-Test seien, nur mit dem Kopf schütteln.
Aber die Politik bleibt dabei: Getestet wird selbst und in Testzentren - mit Schnelltests unterschiedlicher Qualität.
Die Testzentren vor Ort
In den knapp 60 Teststellen im Landkreis Osterholz und 35 Teststellen im Landkreis Rotenburg kann jeder Anbieter grundsätzlich selbst entschieden, welche BfArM-gelisteten Tests verwendet werden.
Roman Hermann von Schnelltest Buschhausen führt rund 600 Tests pro Woche durch und benutzt dafür den Wondfo 2019-nCoV Antigen Test der Guangzhou Wondfo Biotech Co., Ltd. Die Gesamtsensitivität gibt das PEI mit 30 Prozent an. Er wolle aber voraussichtlich in der kommenden Woche zu den „Green Spring“-Tests des Herstellers Shenzhen Lvshiyuan Biotechnology Co., Ltd. übergehen, da diese mit einer Gesamtsensitivität von 86 Prozent zu den Gewinnern der Evaluierung des PEI gehören. Frank Grotheer, Betreiber von „Schnelltest Drive In Nord“ beim Autocenter Schmolke in Osterholz-Scharmbeck verwendet derzeit Tests von Joinstar Biomedical Technology Co., Ltd mit der Gesamtsensitivität von 64 Prozent, möchte aber auch demnächst ein Produkt aus dem oberen Segment bestellen.
Bei Cord Blumensaat, Inhaber des Fitnessstudios „gym ohz“, der in einem der Kursräume ein Testzentrum betreibt und ungefähr 50 Tests am Tag durchführt (am Wochenende auch mal mehr), kommen Schnelltests von Wuhan Easy Diagnosis mit einer Gesamtsensitivität von 68 Prozent zur Anwendung.
Der DRK-Kreisverband Bremervörde e. V. betreibt bzw. unterstützt fünf Testzentren im Landkreis Rotenburg. Die beschafften Tests seien vom Bundesverband mit Blick auf deren Qualität/Zuverlässigkeit empfohlen und dieses vom Betriebsarzt auch so bestätigt worden.
Die Corona-Testzentren des DLRG Bezirks Cuxhaven-Osterholz nutzen unterschiedliche Antigen-Schnelltests, da diese nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch kurzfristig lieferbar sein müssen, sagt Nele Woehlert. Es werde stets auf die Sensitivität der Antigen-Schnelltests anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse des Paul-Ehrlich-Instituts geachtet. Björn Otte, Geschäftsführer der Lennartz GmbH für Medizintechnik, betreibt drei Testzentren in Lamstedt, Hechthausen und Hemmoor (Landkreis Cuxhaven) und verwendet ausschließlich den „Green Spring“-Test. Er würde auch gerne PCR-Tests anbieten, doch bereits vor drei Monaten sei kein Labor zu finden gewesen, das die nötigen Kapazitäten freigehabt hätte. Es gebe zwar auch die Möglichkeit, PCR-Tests selbst auszuwerten, allerdings könne das derzeit noch nicht über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet werden. Unnötige Hürden in einer Pandemie, die man mit Tests zu kontrollieren versucht.
Was heißt Sensitivität?
Bei der Zuverlässigkeit von Corona-Tests sind zwei Werte wichtig: Die Sensitivität zeigt an, wie zuverlässig ein Test eine Infektion erkennt. Die Spezifität gibt an, wie viele Gesunde auch als Gesunde erkannt werden. Die Gesamtsensitivität (GS) gibt den Durschnitt der Test-Sensitivität von sehr hoher, hoher und geringer Viruslast an. Ist die Sensitivität im ersten Fall 100 %, im zweiten 48% und im dritten 0%, dann ergibt das eine GS von 56%. Unter www.schnelltesttest.de kann jeder seinen Schnelltest auf die GS überprüfen.