Ralf G. Poppe

Vater zog für seine Tochter vor Gericht und stoppte den Torfabbau

Gnarrenburg/Klenkendorf. Die Geschichte von Helmut Wilshusen erinnert an David gegen Goliath. Der Redaktion erzählte der Vater einer schwerstbehinderten Tochter, warum er gegen den Landkreis und ein Torfabbau-Unternehmen vor Gericht zog.
Helmut Wilshusens Grundstück grenzt an ein Torfabbaugebiet. Der Familienvater fürchtet, dass der mit viel Schwerlastverkehr verbundene Torfabbau bald wieder starten könnte.

Helmut Wilshusens Grundstück grenzt an ein Torfabbaugebiet. Der Familienvater fürchtet, dass der mit viel Schwerlastverkehr verbundene Torfabbau bald wieder starten könnte.

Helmut Wilshusen war viele Jahre Vorsitzender des Behindertenbeirats für den Landkreis Rotenburg und setzte sich für Menschen mit Behinderung ein. In einem Rechtsstreit, den er in eigener Sache für seine schwerstbehinderte Tochter führte, erzielte er Ende 2020 einen juristischen Erfolg gegen den Landkreis und eine Torfabbau-Firma. Die Folge war der Stopp des Torfabbaus auf den anliegenden Torfabbauflächen. Eigentlich wollte Wilshusen seinerzeit nur erreichen, dass er und seine Familie gegen den durch den Schwerlastverkehr verursachten Lärm geschützt werden.
„Durch das Abfahren von Torf mit schweren Maschinen entsteht beträchtlicher Lärm. Dadurch wird meine Tochter großen Gefahren ausgesetzt, die nachweislich schwere epileptische Anfälle auslösen, die lebensbedrohend sein können“, sagt Wilshusen. Weil sein Anliegen vom Landkreis seinerzeit nur schleppend bearbeitet worden sei, ging der Familienvater vor Gericht.
 
„Absolute Verfahrensfehler“
 
Letztendlich wurde durch das Verwaltungsgericht Stade und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg per Beschluss der vom Landkreis Rotenburg angeordnete Sofortvollzug für die Torfabbaugenehmigung wegen eines sogenannten „absoluten Verfahrensfehlers“ gestoppt, weil die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung für den Torfabbau fehlte. Was im Rechtsstreit ans Tageslicht gekommen sei, bezeichnet Wilshusen als absolut nicht hinnehmbar.
„Für uns stellt sich nun die Frage, ob nicht die Torfwerke Gnarrenburg durch offenbar fehlende rechtssichere Genehmigungen selbst Arbeitsplätze leichtsinnig aufs Spiel gesetzt, Fristen nicht eingehalten bzw. die Notwendigkeit eines Umweltverträglichkeitsgutachtens einfach ignoriert haben.“ Ganz abgesehen davon, was der Torfabbau und das Torfabfahren für Natur und Moorschutz sowie für Dorf und Nachbarn bedeute, so Wilshusen.
Mit seiner noch beim Verwaltungsgericht Stade anhängigen Klage gegen die Torfabbaugenehmigung möchte Wilshusen nun erreichen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Überprüfung der Genehmigungsauflagen nachgeholt werden.
 
Rückblick
 
Präventiv hatte Wilshusen gleich zu Beginn der Torfabbau-Planungen des ehemaligen Familienbetriebes aus Gnarrenburg, der seit August 2021 einer britischen Firmengruppe angehört und zuvor einige Jahre unter chinesischer Führung Teil der Compo AG war, einen Lärmschutzwall ins Gespräch gebracht. Mit Fachleuten einer renommierten Firma für Lärmschutzwälle habe es auf seine Initiative hin bereits am 14. April 2016 direkt vor Ort einen ersten Besprechungstermin gegeben. Der Anschlusstermin im Hause der Gnarrenburger Torfwerke, ebenfalls unter Anwesenheit eines Sachverständigen, habe jedoch bis zum 21. August 2018 auf sich warten lassen.
 
Situation heute
 
Durch offenbar mangelhafte Arbeit der zuständigen Genehmigungsbehörden bzw. der Torfwerke würden derzeit keine ausnutzbaren Abbaugenehmigungen vorliegen, so Wilshusen. Denn weil seit vielen Jahren im betreffenden Abbaugebiet keine Arbeiten mehr durchgeführt wurden, waren alte Genehmigungen erloschen, sodass die vom Landkreis Rotenburg erteilte „Verlängerung“ dieser Genehmigungen ins Leere ging.
 
Geht der Torfabbau weiter?
 
Die Torfwerke bemühen sich aber offenbar um eine neue Genehmigung. Und so soll auf Teilen der Moorflächen, die direkt an Wilshusens Anwesen grenzen und die den Gnarrenburger Torfwerken vor über 30 Jahren zu einer Zeit überlassen wurden, als Gesetzgebung, Forschungsergebnisse sowie Klimaziele der zuständigen Behörden eher noch fossilen Idealen entsprachen, trotz aller neuen Erkenntnisse, und obwohl die Regierung fast 50 Millionen Euro zum Schutz der Moore zur Verfügung stellt, doch noch Torf abgebaut werden.
Dabei ließ sich Christoph Kundler, Leiter des Amtes für Naturschutz und Landschaftspflege, kürzlich offiziell in einer Pressemitteilung des NABU wie folgt zitieren: „Durch Torfabbau wurde nicht nur der regenmooreigene Wasserkörper zerstört, sondern auch die typische Moor-Vegetation stark verändert.“
Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel stellte zudem kürzlich fest, dass auf entwässerten Moorböden circa 30-40 Tonnen CO2 pro Jahr pro Hektar in die Atmosphäre entweichen. Feuchte Moorböden dagegen können sogar bis zu 4 Tonnen CO2 speichern. Moore sind ideale CO2-Speicher, wenn sie nicht trockengelegt werden.
Und selbst in der Landwirtschaft vor Ort wird mittlerweile umgedacht. Wie berichtet nimmt z.B. der Gnarrenburger Landwirt Bernd Kück an einem Moorschutz-Pilot-Projekt teil. Wilshusen hat sein Moorgrundstück übrigens individuell bewässert und sogar ein Biotop angelegt.
Dass eine Korrektur in der Region möglich ist, zeigt u.a. die Zurücknahme von Stallbauten in Freyersen, die der BUND mit seinem Widerspruch jüngst durchgesetzt hatte.
In Gnarrenburg bleibt derzeit jedoch eine alternative Trassenführung für den Torfabtransport ebenso offen wie eine rechtsgültige Genehmigung für den auf dem Nachbargrundstück zum Zwecke des Torfabtransportes eigens erbauten Zufahrtsweg.
 
Enttäuscht von den Verantwortlichen
 
Familie Wilshusen ist sehr enttäuscht. Sowohl von den Behörden als auch von den zuständigen Verantwortlichen in den Torfwerken: „Wir haben uns sehr stark engagiert, weder Zeit noch Kosten gescheut, um eine für beide Seiten befriedigende Lösung herbeizuführen. Dieses Engagement konnten wir leider seitens der Torfwerke nicht feststellen“, sagen Herma und Helmut Wilshusen unisono.


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