Gemischte Gefühle bei Kandidaten
Mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“ blickt Axel Miesner auf die Wahl zurück. Der CDU-Politiker ist seit 2003 Mitglied des Landtags und konnte zum fünften Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis 60 gewinnen. „Meine Arbeit vor Ort wird geschätzt“, freut sich der 57-Jährige. Seine Beliebtheit im Landkreis Osterholz führt Miesner auf Beständigkeit und Verlässlichkeit zurück. „Das ist das Feedback, das ich auch bereits vor der Wahl bekommen habe.“ Demgegenüber steht das schlechteste Wahlergebnis der CDU in Niedersachsen seit 1955. „Das muss analysiert werden“, sagt Miesner, er wolle an dieser Stelle nichts vorwegnehmen.
In einer ähnlichen Position befindet sich Dr. Marco Mohrmann, der den Wahlkreis Bremervörde für die CDU mit über 46 Prozent der Stimmen souverän gewonnen hat. Er freue sich sehr über die Anerkennung seiner Arbeit im Wahlkreis und wolle weiterhin Verantwortung übernehmen, denn seine Wiederwahl sei „natürlich auch ein Auftrag“.
Die CDU müsse nun „noch genauer hinschauen, wo der Schuh drückt“ und „noch näher an die Leute“, meint Mohrmann. Man habe ein gutes Wahlprogramm gehabt, doch Landesthemen seien bei dieser Wahl letztendlich nicht entscheidend gewesen. In der aktuellen Krise hätten sich mehr Wahlberechtigte für den „vermeintlich sicheren Hafen Stephan Weil“ entschieden. „Der Slogan der SPD war ‚Das Land in guten Händen‘, Bernd Althusmann war da etwas forscher unterwegs. Das war rückblickend wohl nicht die richtige Strategie“, so Mohrmanns Analyse.
SPD hat ihr Ziel erreicht
Die SPD hat unterdessen ihr Ziel, Stephan Weil in eine weitere Amtszeit als Ministerpräsident zu schicken, erreicht. Einen Achtungserfolg verzeichnen die Sozialdemokratinnen auch im Wahlkreis Osterholz. Der junge Direktkandidat Frederik Burdorf erzielte das beste Erststimmenergebnis seit zwölf Jahren und lag knapp hinter Axel Miesner - in seiner Heimatstadt Osterholz-Scharmbeck bekam Burdorf sogar die Mehrheit der Stimmen. „Bei den Zweitstimmen lagen wir auch über dem Landestrend“, freut sich Burdorf über ein „gutes Signal“ der Wählerinnen und Wähler.
Eine rot-grüne Koalition auf Landesebene hält Burdorf für eine gute Idee. „Wir haben auch in der großen Koalition gute Erfolge erzielt. Aber ich glaube in der Energiekrise, in der wir investieren müssen, sollte die Regierung nicht auf eine Schuldenbremse setzen, wie die CDU es tut.“ Ob er noch einmal kandidieren werde, ließ Burdorf im Gespräch noch offen. „Das Ergebnis hat mir Rückenwind gegeben“, sagt er. Doch was in fünf Jahren ist, könne er noch nicht sagen.
Eindeutig unzufrieden ist SPD-Direktkandidat Bernd Wölbern aus dem Wahlkreis Bremervörde. Der Abgeordnete des Rotenburger Kreistags, der in der vergangenen Legislatuperiode in den Landtag nachgerückt war, hat die Direktwahl zum vierten Mal verloren und wird nicht länger Mitglied des Parlaments sein. „Das ist enttäuschend“, sagt Wölbern, der eine weitere Kandidatur für den Landtag inzwischen ausschließt. „Es ist schade, ich hätte dort gerne noch einige Projekte begleitet.“
Die rot-grüne Koalition habe er sich gewünscht, das landesweite Ergebnis der SPD solle man aber nicht zu sehr „schönreden“, meint Wölbern. Schließlich habe die Partei Stimmen verloren. „Ich habe hohe Erwartungen an Rot-Grün. Jetzt muss was passieren und es darf nicht alles in Kompormissen zerredet werden“, so Wölbern.
FDP scheitert knapp
Bis zuletzt war es knapp für die FDP, letztlich gehörte die liberale Partei zu den Verlierern der Wahl und verpasste den Wiedereinzug ins Landesparlament. „Wir haben für unseren Landkreis das Beste gegeben“, resümiert Direktkandidat Henry Balzer aus dem Wahlkreis 60. Die Bundespolitik habe bei dieser Landtagwahl eine große Rolle gespielt, „das wurde uns als FDP krumm genommen“, sagt Balzer. Die Liberalen müssten nun „viel ehrgeiziger auftreten und mehr hervorstechen“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass „die FPD nach der Pfeife anderer tanzt“, so Balzer. Er wolle sich zunächst auf die Kommunalpolitik konzentrieren und verfolge das Ziel, in den Lilienthaler Gemeinderat einzuziehen, sagt Balzer über seine Zukunftspläne.
Zukunftsideen der Linken kamen nicht an
Ebenfalls ohne Sitze im Landtag geht Die Linke aus der jüngsten Wahl hervor. „Ich bin natürlich nicht zufrieden, weil ich zwischendurch die Hoffnung hatte, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde noch schaffen“, kommentiert Direktkandidat Eckhard Schlöbcke das schlechte Ergebnis seiner Partei. „Ängste wirken offenbar stärker als Zukunftsideen“, sagt Schlöbcke. Für ihn persönlich gehe es jetzt „weiter wie bisher“, sagt der ehemalige Lehrer, der ohnehin großen Wert auf die außerparlamentarische Arbeit legt. Aufgabe der Linken sei es nun, das Regierungshandeln - insbesondere die bevorstehenden Entlastungspakete, bei denen nicht viel Fairness zu erwarten sei - kritisch zu begleiten, damit beim nächsten Mal „nicht Ängste das Wahlverhalten bestimmen“.
AFD sorgt für Aufruhr
Positiv überrascht ist Willi Heins von einem Ergebnis, dass mehrere der anderen Direktkandidaten als „erschütternd“ oder „erschreckend“ bezeichnen: Die AfD konnte bei den Zweitstimmen rund 4,7 Prozent zulegen. Direktkandidat Heins holte im Wahlkreis Bremervörde aus dem Stehgreif 10,5 Prozent - das drittbeste Ergebnis unter den Erststimmen. „Da habe ich mich selbst gewundert“, sagt Heins. Er führt seinen Erfolg auf einen fleißigen Wahlkampf zurück. „Wir haben sechs Wochen vorher angefangen, ich glaube das war ein guter Zeitrahmen.“ In den ersten Wochen sei die Resonanz auf seine Infostände nicht sehr groß gewesen, dann hätten sich immer mehr Leute getraut, ihn anzusprechen, berichtet Heins. „Die Probleme durch die Energiekosten, die gestiegenen Preise, das waren die Gesprächsthemen“, berichtet der Ratsherr aus Selsingen. In den nächsten fünf Jahren stehe „Basisarbeit“ auf dem Programm. Ob er dann noch einmal kandidieren möchte, weiß der AfD-Politiker noch nicht. „Wenn ich dann noch fit bin, könnte ich es mir vorstellen“, sagt Heins.
Historischer Wahlsieg
Für Mesut Ercik von den Grünen hat es für den Landtag nicht gereicht. Dennoch habe er Grund zu feiern, sogar einen doppelten. Zum einen haben die Grünen einen „historischen Wahlsieg errungen“. Zudem wurden sogar drei Direktmandate geholt. Zum anderen wurde am Wahlwochenende in Lilienthal der Grüne Kim Furwentsche zum Bürgermeister gewählt. Ercik sei entsprechen sehr zufrieden und äußerst dankbar für die viele Unterstützung vonseiten der Familie und der Wähler:innen. Fürwentsche wünscht Ercik viel Erfolg.