Lager Sandbostel zeigt Portraits aus dem Spanischen Bürgerkrieg
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Spanien ein wirtschaftlich und gesellschaftlich rückschrittlicher Staat. Auch von der 1931 ausgerufenen Republik mit ihrem Regierungsbündnis von linksrepublikanischen Parteien und den Sozialisten des PSOE wurde die „soziale Frage“ nur zögerlich beantwortet - die soziale Ungleichheit im Land blieb grassierend. Es kam immer wieder zu Konflikten unter den Regierungsparteien, die ihrerseits von Anarchosyndikalistinnen* angegriffen wurden. So wurde die linke Regierung bei Neuwahlen im Jahr 1933 nicht wiedergewählt und vom rechten Wahlbündnis Confederación Española de Derechas Autónomas (CEDA) abgelöst.
Die soziale Lage verschlechterte sich weiter, bis es 1935 erneut zu einer Regierungskrise kam, die ebenso in Neuwahlen mündete, bei denen die sich zur „Volksfront“ (Frente Popular) vereinigten Linken den Sieg davontragen konnten.
Der Bürgerkrieg
Doch weder die soziale noch die politische Lage beruhigte sich. Die Streikaktivität stieg stark an und tödliche Straßenkämpfe zwischen Extremisten der beiden politischen Lager lagen an der Tagesordnung. Es kam 1936 schließlich zum - u. a. von Nazideutschland unterstützten - Putsch unter dem der CEDA angehörigen General Francisco Franco und zum Spanischen Bürgerkrieg bis 1939.
Zu Anfang des Krieges konnten der rechte Block den Westen des Landes und der linke Block den Osten halten. In den drei Kriegsjahren rückten die Truppen unter Francisco Franco fortwährend in Richtung Osten, bis die Antifranquisten 1939 den Bürgerkrieg verlor.
Internierung und Exekutionen
Der bis 1975 an der Macht gebliebene Diktator Francisco Franco ließ ca. 1,5 Millionen politische Häftlinge in Gefängnisse und Konzentrationslager, von denen er bis 1947 ca. 190 betrieb, einsperren. Die Gefangenen mussten Zwangsarbeit leisten und litten unter Mangelernährung. Zwischen 150.00 und 200.000 politische Gegner:innen der spanischen Diktatur wurden exekutiert und in Massengräbern verscharrt. Andere nahmen sich das Leben, um dem Regime zu entkommen.
Rund eine halbe Million republikanische Spanier:innen, von Soldaten bis hin zu ganzen Familien flohen bei schwerer Not und Kälte über die Pyrenäen nach Frankreich. Dort trafen sie, entgegen ihrer Hoffnungen, auf Ablehnung und unzureichende Unterstützung. Soldaten wurden entwaffnet und in Internierungslager gepfercht und lebten unter unmenschlichen Bedingungen: Sie schliefen ohne Decken auf Sand, waren von Krankheiten Mangelernährung gekennzeichnet.
Ein größerer Teil der spanischen Republikaner:innen wurde nach der deutschen Besatzung Frankreichs 1940 in das Deutsche Reich deportiert und musste dort Zwangsarbeit leisten. Viele von ihnen verloren ihr Leben in Konzentrationslagern. Andere kämpften in der Résistance mit den Alliierten gegen das NS-Regime.
Medial begleiteter Krieg
Der Spanische Bürgerkrieg kann als erster medial begleiteter Krieg bezeichnet werden. Der Schweizer Reporter Paul Senn war einer derjenigen, die den Krieg und seine Folgen begleitet und in Aufzeichnungen festgehalten haben.
Die Ausstellung in Sandbostel zeigt 14 Portraits des Reporters, die in der Zeit von 1938 bis 1942 entstanden sind. Die in Sandbostel ausgestellten Portraits zeigen Gesichter, stellvertretend für jene Spanier:innen, die nach dem Krieg und der Kräfte zerrenden Flucht bereits ausgelaugt in den Internierungslagern einquartiert wurden. Sie illustrieren die dortige Lage der Menschen, ihre Ohnmacht, ihr Leid und deren Not. Verstärkt werden die Portraits in ihrer Wirkung durch Aussagen von Zeitzeugen, welche durch ihre Erinnerungen und Eindrücke ein Zeugnis über das Ereignis abgelegten.
Wiedergewinnung der Erinnerung
Die franquistische Diktatur wurde dank der „Versöhnungspolitik des Vergessens“ nicht umfassend aufgearbeitet – 1978 wurde ein „Pakt des Vergessens“ geschlossen, der einen Verzicht der Aufarbeitung und Bestrafung der franquistischen Verbrechen bedeutete. So blieb auch das Kapitel der Flucht der Republikaner:innen: die Retirada sehr lange Zeit dem Vergessen anheimgestellt. Durch Initiativen von Gemeinschaften, Kulturvereinen und Gewerkschaften wurde jedoch trotzdem erinnert und in den letzten Dekaden führte die fortwährende Bewegung für die Wiedergewinnung der historischen Erinnerung zu einer zunehmenden Aufmerksamkeit für die Opfer. Die Ausstellung „Spanier in den Lagern“, die zum 80. Gedenktag der Retirada von der Gedenkstätte des Lagers von Rivesaltes mit der betroffenen Region Okzitanien, in der die Internierungslager standen, konzipiert wurde, ist ein Teil davon. Den Einleitungsvortrag zur Ausstellung finden Sie hier