Tafel liefert Hilfsbedürftigen Lebensmittel nach Hause
Auch abseits von gesellschaftlichen Krisenzeiten gibt es Menschen, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Menschen, deren Geld zum Beispiel nicht reicht, um sich bis zum Monatsende ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Eine Tatsache, die man nicht vergessen sollte: Für viele Menschen ist bereits der gesellschaftliche Normalzustand eine Dauerkrise. Auch in Osterholz-Scharmbeck. Für diese Menschen ist die Tafel im Landkreis im Gästehaus des Diakonischen Werkes eine hilfreiche und wichtige Anlaufstelle. Nicht nur der Lebensmittel wegen, sondern auch aufgrund des sozialen Kontakts bei einer warmen Mahlzeit in der Wärmestube. Durch die Eindämmungsmaßnahmen des Corona-Virus drohte diese Anlaufstelle wegzufallen. Wären da nicht Angelika Meurer-Schaffenberg, Kirchenkreissozialarbeiterin im Diakonischen Werk, und Franziska Rosenboom, die den Bundesfreiwilligendienst absolviert. Sie haben die Tafel zu einem Lieferservice umorganisiert.
Logistische Mammutaufgabe
Der Lieferservice könne zwar nicht die „menschliche Wärme“ und den „persönlichen Kontakt“ ersetzen. Aber die Menschen freuten sich über die Einrichtung des Lieferservies. Nicht nur, weil sie weiterhin Lebensmittel erhalten, sondern darüber, dass man sie nicht vergessen habe und sich ihnen zuwendet, berichtet Meurer-Schaffenberg.
Den Lieferservice einzurichten, erforderte einiges Organisationstalent. Nicht zuletzt deshalb, weil von den normalerweise 70 Ehrenamtlichen in Wärmestube und Tafel aufgrund der Gefahr des Virus für ältere Menschen 66 ausgefallen sind. Die meisten der Helfer*innen zählen zur Risikogruppe, so die Sozialarbeiterin.
Vom über Jahre eingespielten Team sind schließlich nur zwei Mitglieder übrig geblieben, die den Lieferservice unterstützen können.
Zudem sei völlig unsicher gewesen, was auf Meurer-Schaffenberg und Rosenboom mit dem Lieferservice zukommen würde. Wieviele Menschen würden sich melden und wie steht es um die Organisation der Lebensmittel? Offene Fragen, die die Sozialarbeiterin und ihre junge Kollegin schnell klären mussten.
Aktiv gegen die Ohnmacht
Weil sich viele Menschen spontan bei der Tafel meldeten und ungefragt ihre Hilfe anboten, konnten Meurer-Schaffenberg und Rosenboom in kürzester Zeit eine neue Infrastruktur aufbauen. „Es kommen Menschen aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen zusammen“, sagt Meurer-Schaffenberg erfreut. Aus der evangelischen Jugend, Familien und Einzelpersonen, die aufgrund von Kurzarbeit Zeit haben und etwas tun wollen.
Schön sei es, dass so viele junge Menschen mithelfen. Für diese Unterstützung ist auch Norbert Mathy, der Geschäftsführer des Diakonischen Werkes des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osterholz-Scharmbeck, sehr dankbar. „Für diese spontane Unterstützung gilt unser besonderer Dank.“
Menschen in dieser Zeit zu helfen, sei auch eine Art sich selbst zu helfen und aktiv gegen die Ohnmacht anzukämpfen, erklärt Meurer-Schaffenberg die Hilfeleistungen. „Es macht die Situtation besser erträglich.“ Wünschenswert wäre es, wenn einige der jungen Helfer*innen auch nach der Krise aktiv blieben.
Gute Inanspruchnahme
Insgesamt werde das Angebot des Lieferservices gut angenommen. Man habe 120 Haushalte angeschrieben und sie über den Lieferservice informiert. Dies seien die Adressen derjenigen gewesen, die in den letzten zwei Wochen regelmäßig das Angebot der Tafel in Anspruch genommen haben. 70 Haushalte meldeten sich zurück und werden nun von der Tafel auf Rädern beliefert.
Das seien ungefähr 200 Personen, so Meurer-Schaffenberg. Ein Drittel seien Familien und zwei Drittel Einzelpersonen. „Vor allem ältere Menschen nehmen den Service in Anspruch, weil sie dann weniger vor die Tür müssen,“ sagt die Sozialarbeiterin.
Flexible Organisation
Bei der Organisation der mobilen Tafel müsse Meurer-Schaffenberg jeden tag neu justieren. Zudem arbeiteten jeden Tag unterschiedliche Helfer*innen. Das ermögliche personelle Flexibilität, falls jemand krank werden sollte. Es gebe zusätzlich eine Liste mit Helfer*innen, die einspringen könnten, wenn ein Team ausfällt. „Eine zweite Reihe sozusagen,“ sagt Meurer-Schaffenberg. Die Teams werden so klein wie möglich gehalten, um die Abstandsregeln und Hygienevorschriften zu gewährleisten. Der Schutz der Teams habe Priorität.
Ein Lichtblick
Mithilfe von Kleinbussen der evangelischen Jugend und des Diakonischen Werks sowie Privat-PKWs finden Lebensmittel ihren Weg zu den Menschen nach Hause. Die freiwilligen Helfer*innen fahren spendende Märkte an, sortieren Lebensmittel, packen für die einzelnen Haushalte Tüten und liefern diese einmal pro Woche aus. Dabei werde zur Eindämmung der Virus-Verbreitung stets auf den Mindestabstand geachtet. Die Lieferant*innen legen die Lebensmittel im Karton vor die Tür, klingeln, nehmen Abstand und warten bis jemand die Tür öffnet und die Lebensmittel entgegen nimmt. So sorgen die Helfer*innen dafür, dass die Lebensmittel nicht vor der Tür liegen bleiben. Diakon Tony Sinke, 28 Jahre alt, ist einer von ihnen: „Ich möchte diesen Menschen helfen, um eine schwierige Zeit zu überbrücken und ihnen Motivation für die Zukunft zu geben.“ Dafür sind die Menschen dankbar. In einem Brief schrieb eine Tafelkundin und Risikopatientin: „Das ist ein echter Lichtblick in der schweren Zeit.“ Auch Meurer-Schaffenberg schreibt jede Woche einen Brief an die Tafelkund*innen, den sie der Lieferung beilegt. Diese Woche schreibt sie einen Ostergruß und bringt etwas Wärme in die Stuben zuhause.