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Überlebenskampf der Käfer

Eine neue Studie zeigt alarmierende Verluste der Biodiversität. NABU Niedersachsen und Naturschützer vor Ort fordern ein Umdenken und rasches Handeln.

Der Hirschkäfer ist vom Aussterben bedroht.

Der Hirschkäfer ist vom Aussterben bedroht.

Bild: Adobstock

Landkreis. Eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung im Auftrag des NABU Niedersachsen zeigt alarmierende Verluste der Biodiversität in Niedersachsen und ganz Europa. Dem Bericht zufolge sind nahezu alle Tier- und Pflanzengruppen seit Jahrzehnten von Rückgängen betroffen, und die Artenkrise verschärft sich zunehmend. Besonders gefährdet sind in Niedersachsen Biotoptypen wie Moore, Feuchtwiesen, alte Wälder sowie Flüsse und Küsten. Selbst ehemals häufige Arten wie der Kiebitz, Vogel des Jahres 2024, sind heute in ihrem Bestand stark bedroht. Die Regionen Bremervörde-Zeven und Osterholz sind davon nicht ausgenommen. „Viele Biotoptypen mit einer Vielzahl von Pflanzen und den damit verbundenen Tieren sind gefährdet“, erklärt Walter Lemmer vom NABU Bremervörde Zeven.

 

Hauptursachen des Artensterbens

Die Studie legt nahe, dass intensive Landwirtschaft, fortschreitender Flächenverbrauch und der Klimawandel die Hauptursachen für den Artenverlust seien. In Niedersachsen kämen täglich wertvolle Lebensräume durch Versiegelung und den Bau von Infrastrukturprojekten oder Siedlungen abhanden, was den Lebensraum vieler Arten bedrohe und die Landschaft verarme. Das sieht auch Lemmermann so: Artenreichen Feuchtgrünländer in Niedermoorgebieten beispielsweise würden entweder intensiver genutzt oder gänzlich verbrachen. „Damit entfallen wichtige Standorte für das gesamte Spektrum der heimischen Wiesenbrutvögel.“

Peter Heyer von Osterholzer NABU Ortsverband fügt hinzu, dass zudem viele Freiflächen im Siedlungsbereich ökologisch völlig wertlos seien, weil sie steril, pflegeleicht und somit wenig naturnah gehalten würden.

Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, warnt: „Das Artensterben ist neben der Klimakrise die größte Krise unserer Zeit. Wir müssen den Flächenverbrauch in Niedersachsen stoppen und geeignete Lebensräume erhalten. Wenn wir nicht umsteuern, werden wir eine Zukunft erleben, in der es Artenvielfalt nur noch in Geschichtsbüchern gibt.“

Das könne aber nicht heißen, den naturschützenden Zeigefinger allein auf die Landwirtschaft zu richten, räumt Heyer ein. Die Industrie, der Verkehr, der Flächenverbrauch im Siedlungsbereich und Defizite im kommunalen und privaten Bereich spielten beim Lebensraumschwund und der damit verbundenen Abnahme der Artenvielfalt ebenfalls eine gewichtige Rolle.

 

Biotopschutz verbessern

Der NABU Niedersachsen fordert eine drastische Reduzierung des Flächenverbrauchs und eine naturverträglichere Landwirtschaft. Der Landesverband sieht den „Niedersächsischen Weg“ - eine Vereinbarung zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Politik - als wichtigen Schritt, warnt aber, dass weitere Anstrengungen nötig seien, um die ökologische Krise zu bewältigen. „Naturschutz muss im Zentrum aller politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen stehen“, betont Buschmann.

Das schließe auch mit ein, die Landwirte für ihren ihnen ökonomischen Nachteil bringenden Beitrag zum Naturschutz zu vergüten, so Lemmermann. Denn vor dem Hintergrund eines breiten „Höfesterbens“ erscheint Artenschutz den meisten Landwirten nicht als dringlichste Aufgabe. Auch wenn das zu kurz gedacht sei. „Artenschutz bedeutet gleichzeitig auch Klimaschutz, und das kommt dann auch unmittelbar der Landwirtschaft zu Nutze“, so Heyer.

Zuvörderst sollte man aber einen effektiven Biotopschutz in den bestehenden Schutzgebieten betreiben. Leider sei dies aktuell aufgrund von unzureichenden Schutzgebietsverordnungen nicht gewährleistet.

 

Lippenbekenntnisse der Lokalpolitik

Dies sei nur ein Beispiel dafür, dass Naturschutz auf lokaler ebene allzu oft nur ein „Lippenbekenntnis“ bliebe, wie Heyer kritisiert. „Es werden regelmäßig Zugeständnisse an Interessengruppen gemacht, die Naturschutzmaßnahmen aushebeln“, sagt er. Weitere seien z.B. „die 2021 aktualisierte ‚Baumschutzsatzung der Stadt Osterholz-Scharmbeck‘ genannt, die diesen Namen eigentlich nicht mehr verdient. Auch die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ wird nur halbherzig umgesetzt, wenn etwa fremdländische Bäume, Sträucher und Stauden gepflanzt werden, deren Nutzen für heimische Tierarten sehr beschränkt ist“, so Heyer.

Kritisch sehen Heyer und Lemmermann, dass aktuell immer mehr Land für die Energiegewinnung in Anspruch genommen werden soll. „Leider gibt es u.a. bei der Auswahl von Standorten für Freiflächen-Solarparks keine verbindlichen Vorgaben für die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen“, beklagt Lemmermann.

Der NABU hat aber auch Erfolge zu vermelden: Die Rückkehr der Europäischen Sumpfschildkröte nach Niedersachsen beispielsweise.


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