Manuel Winter

Winters Wunderland 

Wir sind alle verloren (wenn wir nichts dagegen tun) - Kolumne von Manuel Winter

 

Bild: Adobestock

Anno 1978: Lange Autofahrten und exotische Ausflüge inmitten der Sommerferien - und nix in der Hand, womit man stundenlang das alles um sich herum hätte ignorieren können. Unfassbar. Da hat es die heutige Elternschaft doch nun gottlob einfacher: Kein Gequengel mehr bei jeglichen Urlaubsaktivitäten - welch ein Segen!

Doch alles der Reihe nach und jeder nur ein Kreuz:

Vorwort: Die nachfolgende Szene hat sich exakt so abgespielt. Alle Einschätzungen mentaler Motivationen der Protagonisten sind natürlich rein spekulativ und meiner abstrusen Fantasie geschuldet.

Prolog: Vor der Niederkunft eines neuen Erdenbürgers, haben Eltern den Standardschwur aller übermotivierten Paare im Schwangerschaftsmodus abzugeben: „Wir ziehen unser Kind ohne diesen Medienkonsum auf und ein Handy gibt es auch erst mit 16 - Kinder müssen sich auch oldschool beschäftigen können!“ Naive und gut gemeinte Vorsätze - doch dann kam alles anders.

Schauplatz Kids-Club-Hotel im Jahr 2024. Abendessen. Das junge Paar mit Kleinkind sitzt am Nebentisch, es könnte alles so schön sein - doch anstatt Familienromantik im mühsam zusammengesparten Sommerurlaub nun das: Die Erziehungserschöpften können sich nicht mal in Ruhe den All-inkl-Hauswein genehmigen, ohne dass die Lendenfrucht eine postnatale Unruhe verbreitet. Besteck fliegt auf den Boden, Wassergläser fluten den Tisch - da greift Papa genervt in die Zauberkiste bzw. Hosentasche und holt das Handy hervor - mit Standvorrichtung, damit das Kind (wie praktisch) die Hände zur Nahrungsaufnahme frei hat. Jetzt kann der Nachwuchs-Diktator nun endlich eine seinem Alter nicht angemessene Manga-Serie anschauen und für eine knappe Akkuladung lang ist Ruhe im Karton. Leider ist der Kleinkonsument logistisch nicht in der Lage, gleichzeitig sein bereitgestelltes Essen UND die epilepsierende Serie aufzunehmen - doch kein Problem für Super-Mutti, sie füttert einfach munter-direkt in die geöffnete Ladeluke, während der Ableger den Nährschlamm nicht mal eines Blickes würdigt, mechanisch darauf herumkaut und auf Autopilot runterschluckt.

Nebenbei wird die Vino-Druckbetankung gestartet und in der lüsternen Hoffnung, den Alkohol als Libido-Nachbrenner eingefüllt und das Kind schnell im Zustellbett geparkt zu haben, wird das Essen zeitnah für beendet erklärt und als dann der Vater das Handy völlig unvermittelt dem Kinde entreißt, entspringt der kleinen Sirene

die Mutter aller Panikschreie. Aus ist´s mit der Aussicht auf eheliche Schweinereien, das Kind lässt sich nicht mehr beruhigen, greift wild fuchtelnd nach dem Gerät und steht kurz vor einem Kollaps - bis Papa unter den Blicken der anderen Eltern klein bei- und dem vor Schreien schon fast blau anlaufenden Schlumpf das Handy zurückgibt. Genau in diesem Augenblick hat der Nachwuchs mal wieder die Erziehung übernommen und die Aussicht auf ein mögliches Geschwisterchen erfolgreich vereitelt.

Wir als Eltern sind Vorbilder - in guten wie in schlechten Zeiten. Wenn wir beim Abendessen das Handy rausholen oder auf dem Spielplatz lieber Katzenvideos anschauen, anstatt die Kletterkünste unserer Kinder zu bewundern, ist es nicht verwunderlich, wenn es uns die nächste Generation gleichtut. Wie in vielen Bereichen macht auch hier die Dosis das Gift. Es geht nicht darum, Technik und Fortschritt zu verteufeln - eher ist es der Balanceakt zwischen angenehmem Entertainment und der Fokussierung auf die wirklich wahre Welt da draußen. Dezimierung der Aufmerksamkeitsspanne durch Videos á la TikTok - welch´ beunruhigende Entwicklung.

Lasst uns den Kindern beibringen, im Moment zu sein, sich selbst zu spüren, Konflikte von Angesicht zu Angesicht auszutragen, anstatt sich tagelang Textnachrichten zu schicken, die in letzter Instanz immer nur zu Missverständnissen führen und natürlich müssen sie lernen, Enttäuschungen zu verarbeiten. Bereitet sie auf das digitale Leben vor und schaut, was sie in jungen Jahren an eben diesen Geräten konsumieren. Sie können noch nicht unterscheiden, ob es gut für sie ist oder nicht, das ist unsere Aufgabe. Auch wenn es manchmal den letzten Nerv kostet: Es lohnt sich - und die Katzenvideos laufen nicht weg, versprochen.

 


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