Zum Kern der Sache
Lilienthal. Über 100 Interessierte sind der Einladung der neu gegründeten BürgerEnergieGenossenschaft Lilienthal eG gefolgt und zur Informationsveranstaltung gekommen, um zu erfahren, wie es in Zukunft weitergeht. Die BürgerEnergieGenossenschaft besteht aktuell aus zehn Personen, acht von ihnen bilden den Aufsichtsrat. Vorsitzender ist Lilienthals früherer Bürgermeister Willy Hollatz, als Vorstand agieren Michael Kersting von der Volksbank und Tobias Thomsen von den Osterholzer-Stadtwerken. Aufsichtsrat und Vorstand bringen so in der Symbiose das nötige technische und kaufmännische Verständnis mit, aber der Kern der BürgerEnergieGenossenschaft fehlte bislang noch: die Bürgerbeteiligung. Aufsichtsratmitglied Nils Theuerkauf formulierte treffend: „Wir wollen erneuerbare Energien in Bürgerhände geben“. Aus diesem Grund sind die meisten Menschen zur Veranstaltung gekommen, um zu erfahren, wie sie selbst Anteile erwerben können.
Was ist geplant?
Das erste Projekt steht bereits: Auf fünf kommunalen Dächern in der Gemeinde Lilienthal sollen PV-Anlagen entstehen. Ausgewählt wurden die Dächer des Wümmekiekers, der Turnhalle Trupermoor, des Rathauses, der Kindertagesstätte Schatzkiste sowie das Dach neben dem Hallenbad in Lilienthal. Dass die Informationsveranstaltung in der Grundschule Trupermoor stattfand, ist deshalb kein Zufall. Die Schulleitung der Grundschule Trupermoor stehe dem Thema Photovoltaik sehr positiv gegenüber, so Vorstand Tobias Thomsen. Dabei helfe sicherlich, dass sich die Grundschule bald selbst über PV-Anlagen auf dem Dach der eigenen Turnhalle freuen kann. Der PV-Strom soll in der Turnhalle und in der Schule verbraucht werden. Die ausgewählten Dächer sind als öffentliche Gebäude mit einem hohen Verbrauch belastet, weshalb sie sich gut für PV-Anlagen eigneten. Eine Schwierigkeit stelle die Tatsache dar, dass einige Flächen statisch nicht optimal seien. Deshalb kann z.B. auf dem Dach neben dem Schwimmbad nur eine Teilfläche verlegt werden.
Wer kann Mitglied werden?
Mitglied werden und damit Genossenschaftsanteile an der BürgerEnergieGenossenschaft Lilienthal eG erwerben, können alle, die ihren Wohnsitz, Arbeitsplatz oder Firmensitz in Lilienthal bzw. im Satzungsgebiet haben. Als Satzungsgebiet wurde eine maximale Entfernung von 50 Kilometern nach Lilienthal definiert. Jede Beitrittserklärung wird durch den Vorstand geprüft. Dabei seien Vorstand und Aufsichtsrat besonders zwei Dinge wichtig: Einmal wollen sie bevorzugt Menschen aus der Region die Teilhabe ermöglichen, zum anderen sollen möglichst viele Menschen Anteile erwerben können. Denn bei der Genossenschaft gehe es ganz klar um Mitgliederförderung, so Michael Kersting von der Volksbank. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Kapitalbeteiligung. Das sei wichtig, um Chancengleichheit zu bewahren. Die Mindestbeteiligung liegt bei 500 Euro, so Kersting. Insgesamt werden etwa 300.000 Euro benötigt, um die PV-Anlagen zu finanzieren. Vorstand und Aufsichtsrat rechnen aktuell damit, dass etwa 30 Prozent davon durch die Mitglieder gestellt werden.
Wie gefragt sind Energiegenossenschaften?
Die Anzahl der Energiegenossenschaften ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Laut einer Statistik des DGRV (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) gab es im Jahr 2006 nur acht Energiegenossenschaften, heute sind es um die 1.000. 95 Prozent ihrer Mitglieder sind Privatpersonen, was den Charakter einer BürgerEnergieGenossenschaft ausmacht. Bisher machten Projekte der Energiegenossenschaften nur einen Anteil von drei Prozent an der erneuerbaren Stromerzeugung in Deutschland aus (Stand 2022). Für alle Beteiligten ist klar, das darf sich gerne ändern. Überhaupt wird bei der Informationsveranstaltung deutlich, dass viele Interessierte den Wunsch verspüren, die Energiewende voranzutreiben. „Es gibt mir das Gefühl etwas Gutes mit meinem Geld zu tun“, erzählt eine Frau aus Lilienthal. Unter den Teilnehmenden ist durchaus Vorwissen vorhanden: Bereits vor Beginn der Veranstaltung herrscht ein reger Austausch über den gespeicherten Strom der eigenen PV-Anlagen. Trotzdem sind noch viele Fragen offen. Insbesondere der Strompreis, der noch verhandelt werden soll, ist ein großes Thema. Viele Zweifel oder Bedenken konnte der Vorstand den Anwesenden nehmen, aber manches wird wohl erst die Umsetzung zeigen.
Wie können Interessierte Anteile erwerben?
In den nächsten Wochen wird die Umsetzung weiter konkretisiert. Doch Interessierte brauchen darauf nicht zu warten. Auf der Website www.beglilienthal.de/ können Bürger:innen, die Anteile erwerben wollen, online ein Beitrittsformular ausfüllen und dann per E-Mail an info@beglilienthal.de schicken. Auch in Zukunft möchte man sich neuen Projekten widmen, die kommunalen Dächer sind nun erst einmal die Basis, damit die BürgerEnergieGenossenschaft Lilienthal eG ins Fliegen kommt, so Tobias Thomsen.