Ralf G. Poppe

„Am liebsten male ich allein“

Beate Christina Tügel spricht im Anzeiger-Interview über ihren Vater Tetjus Tügel, das neue Tetjus-Tügel-Museum in Bremervörde und ihre eigene Kunst.

Sie sei zwar nicht von ihrem Vater beeinflusst worden, trage aber dennoch das „Tügel-Erbe“ in sich, sagt Beate Christina Tügel.

Sie sei zwar nicht von ihrem Vater beeinflusst worden, trage aber dennoch das „Tügel-Erbe“ in sich, sagt Beate Christina Tügel.

Bremervörde. Die Malerin Beate Christina Tügel ist die Tochter des 1973 verstorbenen Maler-Poeten Otto Tetjus Tügel, der die letzten 22 Jahre seines Lebens in Oese bei Bremervörde lebte, auch dort begraben liegt. Die Künstlerin nahm sich kürzlich die Zeit, der Anzeiger-Redaktion einige Fragen zu ihrem Besuch im neuen Bremervörder Museum „Otto Tetjus Tügel Zuhause“, ihrer Kunst sowie zu ihrem Vater zu beantworten.

Tügels Tochter Beate Christina (74) studierte am Ontario college of art and design in Toronto. Stilistisch entwickelte sie einen Weg zwischen zwei Kunstrichtungen, stets in der Suche nach dem, was sich in den Tiefen des Bildlichen ereignet. Ihre Arbeiten befinden sich in mehreren Ländern dieser Welt in Privatbesitz. Der Anzeiger fragte in Südafrika bei Beate Christina nach, wie sie über das Tügel-Museum denkt.

Seinen Namen zu tragen, habe sie noch nie so stark empfunden, wie im Mai dieses Jahres, als sie von Museumsgründer Heinrich Meyer nach Bremervörde eingeladen wurde.

 

Wie haben Sie die Reise im Mai empfunden?

 

Oh, die schöne Reise in die Vergangenheit, sie war wirklich eine große Überraschung. Ich bin zutiefst dankbar dafür, und meine volle Bewunderung gehört Heinrich Meyer und seiner Frau, die dieses große Gesamtwerk, das einzigartige Oeuvre meines Vaters, so wundervoll im Museum versammelt haben. Das hat mich ins Staunen gebracht und überaus glücklich gemacht.

Dazu durfte ich in Barchel bei meiner Freundin Ada Leddin wohnen, in dem schönen Bauernhaus, das meines Bruders Tetjus Tügel Kunstsammlung enthält. Eine wundervolle Galerie mit seinen Werken.

Ich bin und bleibe ihr so dankbar. Auch allen meinen lieben Menschen von Fern und Nah, die ich treffen konnte bin ich dankbar und fühle mich absolut geehrt, und für immer froh, das alles erleben zu dürfen.

 

Wie sehr hat Otto Tetjus Tügel Sie mit seiner Arbeit in ihrem Schaffen beeinflusst?

 

Gemalt habe ich immer, solange ich denken kann. Und das, obwohl ich nicht bei meinem Vater aufgewachsen bin wie mein 2018 verstorbener Bruder Tetjus. Er hatte Pinsel, Farbstifte und Papier, wurde durch den Vater inspiriert. Schon als kleiner Junge hatte er den besten Lehrmeister. Ich wiederum wurde anders erzogen, bei meinen Großeltern in Bremen. Da bekam ich hin und wieder einen Malblock und Bleistift. Wenn es nicht ausreichte, hatte ich hinter der Tapete an meinem Bett schon ein ganzes privates, riesiges Wandbild gezeichnet und erfand ein wunderbares Medium, die Tapete immer wieder zurück zu kleben bis zum nächsten Abend. Später hielt meine Mutter mich mutig zurück, wenn ich meine wenigen Utensilien zu vergrößern wünschte, bis sie dann eines Tages ausging und Staffelei, Palette, Leinwände und einen Malkasten besorgte. Ich könne es ja doch nicht lassen und solle malen, aber dann auch richtig. Und das tat ich.

Ich wurde nicht beeinflusst von meinem Vater. Ich glaube, das hätte er auch nie gewollt. Außerdem kannte ihn niemand und so wurde mein Name keineswegs mit seinem identifiziert oder gemessen. Da war nur ich und ich war zu dem Zeitpunkt schon in der Schweiz und bald unterwegs zur Familie in Kanada.

 

Wie sieht ihre künstlerische Arbeit heute aus?

 

Meine künstlerische Praxis ist tief verwurzelt in der Weiblichkeit, in Identität und Familie, als auch in unserer Verbindung zur Erde. Ich möchte hinzufügen, dass ich nicht verneinen kann, einem großen Teil meiner Arbeit die Verbindung zur Heimat eingeflochten zu haben. Das Stückchen Erde meiner Kindheit ist unweigerlich und genauso tief in mir verwurzelt wie es das Feminine ist. Und es mag sein, dass das nun wahrlich ein Tügel-Erbe ist. Zum Malen selbst kann man vielleicht sagen, dass meine Arbeit der figurativen Kunst angehört, mit Abstraktion vermischt und verwoben in subtiler Bedeutung, oft auch durch die Symbolik der verwendeten Farben.

Ich möchte meinen Bildern momentan vor allem den Ausdruck verleihen, dass jeder von uns zwar einzigartig ist, aber wir doch alle miteinander verbunden sind. Wir, die Menschen, du und ich, der Mensch. Jetzt kann ich dazu nur noch von meiner Eigenart etwas sagen, nämlich, dass ich am liebsten male, wenn ich für mich bin, also ganz alleine. Man muss in sich selbst eindringen können um die Wahrheit, die Schönheit und die Seele zu finden.

 

Sie sind bereits 1970 nach Südafrika gezogen. War das Einleben dort schwer? Möchten Sie überhaupt noch einmal in Deutschland wohnen?

 

Ja, das war es. Und nein, nicht immer. Einmal schätzte ich dieses Land und seine Menschen, an anderen Tagen verglich ich es mit dem ‚viel schöneren Leben‘ meines heimatlichen Kontinents. Ich hatte schnell den besonderen Humor der Leute kennengelernt. Überhaupt den der Menschen an der Westküste. Nebenher lernte ich eine neue Sprache, das Afrikaans, und verstand meine Mitmenschen noch besser. Damit ließen sie mich noch viel mehr ihrer Eigenarten sehen. Ich erkannte, wie man vieles Leid mit einem feinen, tiefen und ihnen eigenem Humor besser ertragen kann. Ich würde ihn vermissen, den Humor der hiesigen Leute. Außerdem brachte mir die Zeit hier wundersame Erlebnisse. Einmal wäre ich fast eine Prinzessin geworden, wenn mein Mann mich nicht gerettet hätte, obwohl er mit diesem Tausch sehr reich hätte werden können.

Teilweise konnten wir keine privaten Telefongespräche mehr führen, denn das kleine Klicken im Hörer schaltete den Abhördienst ein. Die Briefe aus Deutschland wurden alle amtlich geöffnet und mit einem Regierungs-Sticker wieder geschlossen. Wir hatten uns zu Beginn nicht immer an die Regeln gehalten in Bezug auf ‚Apartheid’. Doch die Zeiten wurden später besser und langsam hörte es dann auf. Ich hatte mich damals hingezogen gefühlt zur Gruppe der liberalen Denker. Es waren viele, wobei die meisten feste Anhänger des friedlichen Widerstands waren.

Ich habe noch immer sehr liebe Freunde und auch meine Familie hier, wegen der ich hierhergekommen bin. Ohne sie hätte ich wohl niemals das Land lieben gelernt. Ich sage es, weil das wichtigste doch die menschlichen Beziehungen sind. Allein das schöne Land, nur die einzigartige Flora, die große Tierwelt und seine traumhafte Meeresküste machen es nicht aus. Freunde machen aus, ob man irgendwo sein mag oder nicht. Und daraus kann man schließen, dass ich auch in Deutschland leben könnte, denn ich habe meine wunderbare Familie und ebensolche lieben Freunde auch in Deutschland.

 

Frau Tügel, vielen Dank für das Gespräch.

 

In Bremervörde sind die zuständigen Gremien derzeit intensiv damit beschäftigt, auszuloten, ob es möglich ist, zum Erhalt des Museums „Otto Tetjus Tügel Zuhause“ eine Stiftung zu realisieren, ohne dass die Stadt Bremervörde jährlich große Summen zum Unterhalt beisteuern muss.


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